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Altmark wirbt mit Einsamkeit Altmark wirbt mit Einsamkeit: "Wenn Sie mal niemanden mehr sehen wollen"

Von Nicole Jankowski 26.01.2016, 07:49
Eine Herde Wildpferde weidet unweit des altmärkischen Buch bei Tangermünde im Landkreis Stendal.
Eine Herde Wildpferde weidet unweit des altmärkischen Buch bei Tangermünde im Landkreis Stendal. dpa

Arendsee/Havelberg - Der schönste Strand der Altmark - und kein einziges Schild weist den Weg! Versuch eins endet an einer Brücke. Versuch zwei an einem Plattenweg. Am Ende hilft fragen. Wenige Minuten später graben sich die Zehen in den feinen Sand am Havelufer in Schollene bei Havelberg in Sachsen-Anhalt. Das Wasser schwappt an Land, Bäume säumen die gegenüberliegende Flussseite, ein Hausboot fährt vorbei. Teilen muss man diesen Ort nur mit ein paar Einheimischen, die bei wolkenlosem Himmel die Abendsonne genießen.

Nicht umsonst wirbt die dünn besiedelte Region mit dem Slogan „Wenn Sie mal niemanden mehr sehen wollen“. Gerhard Faller-Walzer von der Regionalen Planungsgemeinschaft Altmark drückt es so aus: Das Weite und Ruhige der Gegend zwischen Salzwedel und Stendal sei ein Pfund, mit dem man wuchern müsse. „Grüne Wiese mit Zukunft“ heißt die Kampagne, die nicht nur Touristen, sondern auch Investoren und Neubürger in die Altmark locken möchte. Ein Motiv zeigt einen Angler, der ganz allein am Ufer hockt. Diese Art der Selbstironie erntete viel Kritik. Doch Faller-Walzer weiß: „Gerade bei gestressten Großstädtern kommt das an.“

570 Fachwerkhäuser in Salzwedel

Warum also nicht mal Arendsee statt Bodensee? Der Luftkurort im Nordwesten der Altmark schmiegt sich an den größten natürlichen See Sachsen-Anhalts. Mit dem Fahrrad lässt sich das Gewässer in einer guten Stunde umrunden. Der Weg führt durch idyllische Wälder aus Schwarzerlen, Eichen und Kiefern. Stetiger Begleiter ist ein würziger Duft in der Nase. Kleine Stege und Buchten laden dazu ein, die Füße baumeln zu lassen. Und die Seele dazu.

An einer solche Stelle entstand auch das Angler-Motiv der Tourismuskampagne. Der bekannteste Fischer vom Arendsee ist allerdings Wilfried Kagel vom Maränenhof in Zießau. „Was darf's sein, meine Gute?“, fragt der 74-Jährige. Fangfrisch genießt der Gast den goldgelben Räucherfisch im schattigen Garten. Auch für Sarah Selzer und Robert Neumann aus Rostock ein Muss. Das junge Pärchen macht Urlaub im Bungalow der Eltern in Schrampe. Heute steht eine Rundfahrt mit der „Queen Arendsee“ auf dem Programm. Start und Ziel ist das Strandbad des Ortes, mit Sandstrand und Riesenrutsche.

Als lebendiges Städtchen präsentiert sich Salzwedel, 15 Minuten von Arendsee entfernt. Die Hansestadt prägen 570 Fachwerkhäuser entlang der mittelalterlichen Gassen. Unweit vom Schollener Strand lockt Havelberg mit seiner historischen, schmuck restaurierten Stadtinsel.

Auch Tangermünde am Ufer der Elbe hat sich herausgeputzt. Fachwerkhäuser aus dem 17. Jahrhundert bilden im Altstadtkern einen reizvollen Kontrast zu Denkmälern der Backsteingotik und der herrschaftlichen Burganlage. Mit Blick auf eines der mächtigen Stadttore genießt man ein kühles Kuhschwanzbier, eine Tangermünder Spezialität. Ein paar Straßen weiter zieht Kaffeeduft aus der örtlichen Rösterei in die Nase. Auch auf dem Rathausplatz kann man es sich gemütlich machen und die Zeit damit vertreiben, die Störche auf den Spitzen des Rathauses zu zählen.

Weitere Informationen zur Altmark lesen Sie auf Seite 2.

Nicht überall zeigt sich die Altmark so idyllisch. In manchen Dörfern blättert Farbe von den Häusern, die Straßen sind noch gepflastert, nicht geteert. Viele große Gehöfte stehen leer und sind verfallen. Auch der „Klosterkrug“ in Kloster Neuendorf bei Gardelegen hat schon lange keine Gäste mehr. Ein Besuch in dem kleinen Örtchen lohnt sich dennoch.

Schon von weitem leuchtet der rote Backstein der schlichten Kirche im ehemaligen Kloster. Eine friedliche Atmosphäre herrscht an diesem Ort. „Erholung für die Seele“, hat jemand ins Gästebuch geschrieben. Auf der anderen Ortsseite blickt man auf die Colbitz-Letzlinger Heide.

Weit schweift das Auge über die endlose Weite der flachen Landschaft. In der Gegend rund um Klötze bleibt es bald hängen. Der hügelige Landstrich auf halber Strecke zwischen Berlin und Bremen trägt nicht umsonst den Beinamen Altmärkische Schweiz. Vom Waldbad aus brechen Wanderfreunde durch den herrlichen Eichen-Mischwald auf zur „Dachs-“ oder zur „Wildschweintour“, um die bis zu 160 Meter hohen Berge zu bezwingen.

Imposante Parkanlage von Schloss Kunrau

„Hier gibt es keinen Massentourismus“, so wirbt Christian Hinze-Riechers, Hauptamtsleiter der Stadt, um Urlauber. Dafür biete der staatliche anerkannte Erholungsort saubere Luft und intakte Natur. Beides erwartet den Besucher auch im Naturpark Drömling. Die imposante Parkanlage von Schloss Kunrau, unweit von Klötze gelegen, bildet das nördliche Tor in die weite Moorlandschaft. Einst ein undurchdringlicher Sumpfwald, ist der Drömling heute eine erholsame Kulturlandschaft mit weiten Wiesen und zahllosen Gräben.

Die Flüsse Ohre und Aller bilden die Grundlage für das große Feuchtgebiet. „Irgendwo ist immer Wasser“, sagt Thomas Klöber, Parkmitarbeiter im Informationshaus Kämkerhorst am südlichen Rand des Drömlings. Ein Rundgang über das Außengelände versammelt die Natur des Parks im Kleinen. Wer Glück hat, sieht dabei Biber, Fischotter und Seeadler.

Los geht es in Richtung künstliche Flachwasserzone. Der Weg führt zur Beobachtungshütte am Mittellandkanal. Gerade fliegt ein Kiebitzschwarm durch die Luft. Ihr charakteristisches „Hüthüt“ erfüllt die Luft. Zurück geht es entlang des Aller-Kanals. Gelbe Teichmummeln schwimmen auf dem Wasser, unter dem Blätterdach der Eschen läuft direkt daneben der Weg. Plötzlich zückt Thomas Klöber sein Fernglas. Er hat einen Seeadler erspäht.

Naturliebhabern empfiehlt der 45-Jährige die Erkundung mit dem Rad. Viele lange, gerade Wege durchkreuzen den Naturpark. In Planung ist ein 130 Kilometer langer Rundkurs durch den Drömling. Auch dieser Weg dürfte kaum überlaufen sein. Und das ist in der Tat sehr schön, hier in der Altmark. (dpa)

Eine Stiege aus Roggen steht beim traditionellen "Vergodendeel" im Freilichtmuseum im altmärkischen Diesdorf auf einem Feld.
Eine Stiege aus Roggen steht beim traditionellen "Vergodendeel" im Freilichtmuseum im altmärkischen Diesdorf auf einem Feld.
dpa/Archiv Lizenz