AfD AfD : Warum sich die äußerste Rechte der Partei am Kyffhäuser trifft
Roßla - Es war wohl reichlich lange her, dass der erwachende Kaiser Rotbart am Kyffhäuserdenkmal vom deutschen Volk hat reden hören, bevor Björn Höcke kam. Der AfD-Rechtsaußen feiert mit seiner parteiinternen, „Der Flügel“ genannten Gefolgschaft neuerdings Sommerfest vor der Kulisse, die er „großartig“, „atemberaubend“ oder „vielgestaltig“ nennt. An diesem Wochenende haben 450 Parteimitglieder Eintritt gezahlt, um ihm und anderen Vordenkern der nationalkonservativen Partei-Richtung zu lauschen oder auch Ko-Vorstand Jörg Meuthen, der eigentlich um verbindlich-gemäßigte Töne bemüht ist.
Mit Bedacht gewählt
Im Internet ist Höckes Rede zu verfolgen, die er vor einem Jahr beim ersten derartigen Fest vor dem wuchtigen sandsteinernen Gemäuer hielt, während das Gaststättenpersonal mit kalten Platten durchs Bild läuft. Man stellt sehr schnell fest, dass Höcke den Ort von Barbarossas Erwachen sehr wohl mit Bedacht ausgewählt hat. Das Geraune von einem „Pilgerziel der Rechtsradikalen“ nennt er „geschichtsvergessen“ und höhnt, dass sich am Denkmal ja auch die SPD zur Sommerfeier treffe. Er hätte auch den ehemaligen SPD-Kultusminister Christoph Matschie erwähnen können, der 2014 das Denkmal nach jahrelanger Restaurierung wiedereröffnete, in die 8,4 Millionen Euro flossen, bewilligt von jenen Kräften des Establishments in Land, Bund und EU, die Höcke sonst so verachtet.
Als das Denkmal am 18. Juni 1896 vor 30.000 Besuchern eröffnet wurde, davon 18.000 Veteranen des Deutsch-Dänischen Kriegs von 1864, des preußisch-österreichischen Kriegs von 1866 und des deutsch-französischen Kriegs von 1870/71, war die Huldigung an den Hohenzoller Wilhelm I. nicht zu übersehen, der auf hohem Bronzeross in die von Barbarossa erträumte Zukunft des wiedererrichteten Reichs reitet. Sein Urenkel Wilhelm II. schwadroniert in der Festrede von „Treue, Opferbereitschaft und Vaterlandsliebe“ und erhebt Anspruch auf „Weltreich“ und Flotte. Auch der Haupt-Initiator des Denkmals, der Verband der Deutschen Kriegervereine, hatte im Aufruf zehn Jahre zuvor die „Durchdringung sämtlicher Volksschichten mit monarchischer Gesinnung und dem Ideale nationalen Machtbewusstseins“ beschworen.
Was ist ein Vaterland?
Aber eigentlich ging es bei der Erinnerung an die Kyffhäusersage um etwas Universelles, um einen Impuls, der aus den deutschen Freiheitskriegen hervorging und in der Frage gipfelte „Was ist des deutschen Vaterland“, beantwortet 1814 von Ernst Moritz Arndts mit: „So weit die deutsche Zunge klingt ... das soll es sein, das soll es sein!“ Nach dem „Deutschen Volkssinn“ wurde gesucht, der die Kleinstaaterei überwindet, wie sie auch in den strikt landsmannschaftlich organisierten Kriegervereinen immer noch weiterlebte. Nicht umsonst fiel die Wahl auf den Kyffhäuser, der nicht preußisch war und als „neutral“ galt.
Ein Ort also, um, wie Höcke meint, wieder vom Volk zu reden, und sei es, um dem „stigmatisierenden“ Anwurf des „Völkischen“ zu trotzen: „Selbstverständlich sage ich Ja zum Begriff des Volkes. Ein Volk ist etwas Gewachsenes, eine Lern-, eine Erfahrungsgemeinschaft, die über Generationen das aufnimmt, was sich bewährt und das ausscheidet, was das Zusammenleben stört.“ Und um die „ideologiebegründeten Menschheitsbeglückungsfantasien“ abzuwehren, die „dazu führen sollen, dass dieses Volk transformiert wird in eine multikulturelle Gesellschaft.“
Schon 1886 den „inneren Feind“ beschworen
Andere Zeiten, andere Worte: Alfred Westphal, Wortführer des Denkmalsprojekts im Kriegerbund, beschwor 1886 den „inneren Feind“: „Im eigenen Hause bedrohen entartete Söhne die Mutter Germania!“ Es waren die Sozialdemokraten und die Gewerkschaften, die er meinte, aber es klang auch der Antisemitismus mit, der der anderen bedeutenden Triebkraft des Denkmalsidee zugrunde lag, des burschenschaftlichen „Vereins deutscher Studenten“ (VDSt). Dessen Sprecher Diederich Hahn gab 1881 den „Aufruf zum Kyffhäuserfest“ heraus: „Kommilitonen! Auf neuem Boden erwachsen neue Aufgaben. Heute droht nicht der Feind von außen, heute gilt’s einzutreten für deutsche Art und deutsche Sitte, für deutsche Treue und deutschen Glauben. Die ungeheuren Mächte der nackten Selbstsucht und der weltbürgerlichen Vaterlandslosigkeit, der Entsittlichung und der Entchristlichung unterwühlen den uralt festen Boden unseres Volkstums.“
Es war nicht opportun, die Juden beim Namen zu nennen, aber wer lesen konnte, wusste was gemeint war. Hahn legte sich bei der Festrede keine Zügel mehr an: „Judentum, Franzosentum, wohin wir blicken. Es ist die Aufgabe der germanischen Jugend, das auszurotten, denn uns gehört die Zukunft!“. Juden dürfen im Verband natürlich auch nicht Mitglied sein, und auch Theologen unter den Mitgliedern mahnten, wie 1889 im Bonner Verein des VDSt: „Im Kampf gegen die Geistesmacht des deutschen Judentums handelt es sich um nichts geringeres als um den Erhalt der heiligsten Güter des deutschen Volkes.“ Am Kyffhäuserdenkmal steht noch heute unangefochten der Gedenkstein des Kyffhäuserverbands des VDSt. Wer an diesem Ort vom Volk redet, hat offenbar bis heute das Bedürfnis klarzustellen, wer dazu gehört und wer nicht.
Rechte Töne
Das gilt wohl auch für die AfD, bei der der rechte Flügel weiter den Ton angibt – intern wie in der Öffentlichkeit. Eine Woche lang hatte der Co-Vorsitzende an der Seite von Frauke Petry, der eher wirtschaftsliberale Jörg Meuthen, den Eindruck zu zerstreuen versucht, er führe eine rassistisch und nationalistisch angehauchte Partei. Auch der Auslöser der zugehörigen Debatte, AfD-Vizechef Alexander Gauland, hatte betont, mit seinen Äußerungen über den Fußballer Jerome Boateng gezielt falsch interpretiert worden zu sein.
Doch schon ein Wochenende später schlägt das Pendel am Kyffhäuser zurück. Und im „Spiegel“ legt Gauland mit einer neuen Provokation zur Fußball-Nationalmannschaft nach. Diese sei seiner Ansicht nach „schon lange nicht mehr deutsch im klassischen Sinn“, sagte Gauland dem Nachrichtenmagazin. Profifußball sei „letztlich eine Geldfrage“ und „keine Frage der nationalen Identität mehr“.
Gauland spaltet die Partei
Nach dem dunkelhäutigen Boateng, neben dem viele Deutsche laut Gauland nicht wohnen wollten, knöpft sich der 75-Jährige Brandenburger nun den nächsten Nationalspieler mit Migrationshintergrund vor: „Sehr gewöhnungsbedürftig“ sei die Reise von Mesut Özil Ende Mai nach Mekka gewesen. Bei Fußballspielern akzeptiere er das zwar. Und obwohl kein Fall bekannt ist, der Grund für eine solche Skepsis böte, schürt Gauland neue Sorgen: Denn bei „Beamten, Lehrern, Politikern und Entscheidungsträgern“ würde er sehr wohl die Frage stellen: „Ist jemand, der nach Mekka geht, in einer deutschen Demokratie richtig aufgehoben? Liegt die Loyalität beim deutschen Grundgesetz, oder liegt sie bei einem Islam, der ein politischer Islam ist?“
Mit seinen Aussagen hatte Gauland auch seine eigene Partei gespalten. AfD-Chefin Petry entschuldigte sich nach den Boateng-Aussagen. Das kritisiert Gauland nun als „illoyal“: Die Spannungen zwischen Parteispitze und rechtem Flügel lassen nicht nach.
Für den zweiten Co-Chef Meuthen findet Gauland dagegen lobende Worte: Sehr gut nehme er sein Parteiamt wahr. Kein Wunder: Wenn sich der rechte Parteiflügel der AfD zum zweiten Mal am symbolträchtigen Kyffhäuserdenkmal trifft, begrüßen die Organisatoren ausgerechnet Meuthen als Gast. Der Kopf des liberalen Parteiflügel ist als Redner vorgesehen, wenn die 450 AfD-Besucher auf dem Treffen „ein Beispiel von unbeschwerter Vaterlandsliebe und echtem Gemeinschaftssinn geben“ wollen.
Wer schädigt wen?
Der 54-Jährige wird dabei der einzige Vertreter des gemäßigten Parteiflügels sein, der an dem Monument auftritt. Der AfD-Kongress wird maßgeblich von Mitgliedern der „Patriotischen Plattform“, einem Zusammenschluss von Mitgliedern des äußerst rechten Parteiflügels, organisiert und gestaltet. Dabei hatte es zuletzt immer wieder zwischen beiden Lagern gekracht, auch zwischen Meuthen und Björn Höcke. Meuthen warf dem Fraktionsvorsitzenden im Thüringer Landtag parteischädigendes Verhalten vor, Höcke spart nicht mit Kritik an der Spitze. So hatte er es eine „schwerwiegenden Fehlentscheidung des Bundesvorstandes“ genannt, dass diese einen engeren Draht zur islamfeindlichen Organisation Pegida abgelehnt hatte.
Beim zweiten Kyffhäusertreffen begegnen sich Höcke und Meuthen nun direkt. Letzterer verteidigte seine geplante Rede. Er sei Vorsitzender der Gesamtpartei und „in dieser Funktion für alle Strömungen zuständig“, so Meuthen. Er müsse sich deshalb nicht auch inhaltlich mit der „Patriotischen Plattform“ gemein machen, sagte er. Die Ansprachen von Höcke und Meuthen unter den Augen Barbarossas werden übrigens durch einen weiteren Redner getrennt, der aktuell für Aufsehen sorgt: Alexander Gauland. (mz)