DDR-Exportschlager Zekiwa in Zeitz: Mitarbeiter erinnert sich an seine Zeit beim Kinderwagen-Hersteller

Zeitz - Kaum betritt Joachim Strauch die Kinderwagenausstellung im Schloss Moritzburg, erkennt er das einstige Sorgenkind. So nennt er einen Korbkinderwagen, der ab 1985 bei VEB Zekiwa produziert wurde und den Mitarbeitern damals Kopfzerbrechen bereitete.
Das Problem bei dem blau-weißen Gefährt: Das Korbgeflecht bestand aus Plastik, aus dem sich der Weichmacher verflüchtigt hatte. „Dadurch wurde das Material total spröde“, erinnert sich Strauch. „Aber das haben wir auch hingekriegt.“
Joachim Strauch arbeite fast 20 Jahre bei der Zekiwa
Im Deutschen Kinderwagenmuseum blickt der 62-Jährige zurück. Auf die Geschichte des Kinderwagens. Die ist nicht nur fest mit der der Stadt Zeitz verbunden, sondern auch mit seiner eigenen.
Knapp zwanzig Jahre arbeitete Strauch bei Zekiwa. Mit einer Lehre zum Werkzeugmacher begann dort 1971 seine berufliche Laufbahn. Nach dem Wehrdienst kehrte er zurück nach Zeitz, übernahm fortan die Ausbildung des Nachwuchses und wurde schließlich Lehrobermeister.
Warum die Zekiwa einen Patentstreit mit Italien führte
Es seien schöne Erinnerungen, die beim Gang durch die Ausstellungsräume zurückkehrten. Etwa als er zu einem roten Panorama-Rundsichtwagen mit aufklappbarem Fenster gelangt. „Die sehe ich heute noch vom Band laufen“, sagt Strauch und erzählt von einem Patentstreit mit Italienern, die die Erfindung für sich beanspruchen wollten.
Auf die Frage, wer den Streit gewonnen habe, antwortet der 62-Jährige knapp und trocken: „Zekiwa natürlich.“
Wandel der Kinderwagens: Früher mit Schmuck vergoldet - heute zweckmäßig
Inne hält das Stadtratsmitglied auch bei einer Sammlung eiserner Kinderwagen-Gestelle, die teils aus dem 19. Jahrhundert stammen. „Sagenhaft, was die damals alles gemacht haben“, schwärmt er beim Blick auf die handgeschmiedeten Stücke.
Das zeige gut, wie sehr sich die Produktion seitdem gewandelt habe. Denn filigrane Handwerkskunst, goldene Borten und Spitzenbesätze sucht man bei heutigen Kinderwagen-Modellen vergebens. Die müssen laut Strauch vor allem eines sein: „praktisch und kostengünstig“.
Das stand auch zu DDR-Zeiten im Vordergrund. Produziert wurden Kinder- und Puppenwagen für Normalsterbliche, erklärt Strauch. Natürlich habe es zu diesen Zeiten auch Sonderanfertigungen nach Maß gegeben. Aber diese waren eher die Seltenheit.
Kinderwagen von Zekiwa waren Exportschlager bis nach Australien.
Exportiert wurden diese nicht nur in die Bundesrepublik und Länder innerhalb Europas - selbst in Afrika, Australien und Amerika fuhren Wagen aus den Zeitzer Werken. „Hauptabnehmer nach dem Zweiten Weltkrieg aber war die Sowjetunion“, erklärt Strauch. Da habe sich die hiesige Bevölkerung mitunter in Geduld üben müssen, wenn es um den Erwerb eines neuen Wagens ging.
Massenentlassungen: Mit der Wende ging es für Zekiwa bergab
Mit der Wende ging es für den größten Kinderwagenproduzenten Europas schlagartig bergab. Das Unternehmen wurde privatisiert. Die meisten der 2.000 Mitarbeiter landeten von heute auf morgen in der Arbeitslosigkeit.
Eine Situation, mit der damals niemand gerechnet hätte, sagt Strauch. Massenentlassungen habe man vorher nicht gekannt. „Uns wurde gesagt, wir seien angeblich nicht mehr weltmarktfähig. Die Stimmung war am Boden.“ Er habe damals gestaunt, dass alles so ruhig geblieben sei und es keine Proteste gab.
Starker Zusammenhalt unter den Kollegen der Zekiwa - bis heute
Strauch selbst verließ das Unternehmen 1993. Obwohl er anschließend wieder Arbeit fand - unter anderem als Dozent beim Hydrierwerk und als Sicherheitsingenieur - fühlt er sich mit seiner früheren Wirkungsstätte bis heute verbunden.
„Zekiwa war eine schöne Zeit. Das Herz ist noch dort“, sagt er, während er an großen Glasvitrinen mit hölzernen Wagen vorbeigeht. Das gehe vielen ehemaligen Kollegen ähnlich. Noch immer stehe man in Kontakt, treffe sich regelmäßig und erzähle sich alte Geschichten. Für Strauch war Zekiwa mehr als nur Arbeit.„Es gab einen starken Zusammenhalt, ein Gemeinschaftsgefühl“, sagt er. In seinem späteren Berufsleben habe er das nie wieder erlebt.
Der nächste Teil der Serie erscheint am kommenden Donnerstag, dann geht es um die Zeitzer Biker. (mz)