1. MZ.de
  2. >
  3. Lokal
  4. >
  5. Nachrichten Zeitz
  6. >
  7. Skandal Stadtwerke Zeitz: Skandal Stadtwerke Zeitz: Korruption im Aufsichtsrat?

Skandal Stadtwerke Zeitz Skandal Stadtwerke Zeitz: Korruption im Aufsichtsrat?

Von Gert Glowinski und Sebastian Münster 25.11.2016, 07:00
Linkenfraktionschef Horst Heller bei einer Aktion seiner Partei am 1. Mai.
Linkenfraktionschef Horst Heller bei einer Aktion seiner Partei am 1. Mai. Helga Freund

Zeitz - Der Skandal um den gefeuerten Stadtwerke-Chef Andreas Huke weitet sich aus. Gegen den entlassenen Manager ermittelt die Staatsanwaltschaft wegen Untreue-Verdachts. Jetzt gerät ein weiterer mächtiger Mann in Zeitz ins Visier: Linken-Fraktions-Chef und Kreisfraktionsvize Horst Heller. Der Kommunalpolitiker sitzt im Stadtrat und gehörte bis 2013 dem Aufsichtsrat der Stadtwerke an. Heller musste nach MZ-Recherchen zugeben, dass er von den Stadtwerken ein Auto kostenfrei zur Verfügung gestellt bekommen hatte.

Nach eigenen Angaben hat Heller den Mittelklassewagen rund 1,5 Jahre genutzt - auch privat, aber ohne dafür zu bezahlen. Seine Begründung: Er habe keine eigenes Auto gehabt und deswegen beim damaligen Stadtwerke-Chef Huke einen „Dienstwagen“ beantragt - und tatsächlich auch genehmigt bekommen.

Aufsichtsratsposten bei den Stadtwerken ist eigentlich ein Ehrenamt

Aber wofür? Heller ist selbstständig und wohnt im Zeitzer Stadtteil Hainichen, wo auch die Stadtwerke sitzen. Der Aufsichtsratsposten bei den Stadtwerken ist eigentlich ein Ehrenamt verbunden mit einer Aufwandsentschädigung. Zu Sitzungen des Aufsichtsrates bei den Stadtwerken in Zeitz ist es nur rund ein Kilometer von Tür zu Tür. Sitzungen des Gremiums dürften zudem lediglich zwei Mal im Jahr stattgefunden haben, wie Stadtwerke-Sprecher Sebastian Nicolai bestätigt.

Die Rechnung ist daher einfach. Heller hat also ein Auto kostenlos gestellt bekommen, um zwei Mal im Jahr – insgesamt rund viereinhalb Kilometer – zu Sitzungen der Stadtwerke zu fahren - für ihn eigentlich ein Katzensprung. Die Leasingrate zum Beispiel für einen VW Golf des aktuellsten Modells beläuft sich bei einem der führenden Autovermieter auf knapp 200 Euro im Monat. Macht für anderthalb Jahre 3.600 Euro. Wieviel Geld den Stadtwerken durch den „Dienstwagen“ für Heller genau verloren ging, ist noch unklar - der Betrag dürfte sich jedoch im vierstelligen Bereich bewegen.

Linkenpolitiker sieht in dem Auto kein Problem

Die Kilometer, die Heller von Zuhause zu seinen Sitzungen in dieser Zeit zurückgelegt hat, dürften so insgesamt kaum mehr als zehn Kilometer gewesen sein. Dennoch sieht der Linkenpolitiker da kein Problem, das sei aus seiner Sicht unbedenklich, sagte er der MZ. Schließlich habe er den Sprit selbst bezahlt, Werkstattkosten seien den Stadtwerken nicht entstanden. Heller war bis 2009 Aufsichtsratsvorsitzender der Stadtwerke, danach nur einfaches Gremiumsmitglied. Wann er den Wagen genutzt hat? Das könne er nicht mehr genau sagen, so Heller zur MZ.

Aber gelten für Aufsichtsräte, die Unternehmen kontrollieren sollen und auf die Einhaltung für Regeln achten müssen, nicht besondere Vorschriften? Dass Stadtwerke Aufsichtsräten beispielsweise kostenlos Autos zur Verfügung stellen, scheint anderswo kaum möglich - zu groß wäre die Gefahr eines Interessenkonfliktes oder des Vorwurfs der Korruption. Bei den halleschen Stadtwerken zum Beispiel sei eine derartige Sonderbehandlung für Aufsichtsräte nicht denkbar, hieß es auf MZ-Anfrage. Auch im wenige Kilometer entfernten Merseburg hält man nichts von Dienstwagen für Aufsichtsräte: „Ein Dienstwagen für Mitglieder des Aufsichtsrates ist nach unseren Regelungen auch nicht vorgesehen“, so Stadtwerke-Chef Guido Langer.

Verdachtsmomente gegen Ex-OB Kunze

In Zeitz dagegen scheint man da weniger behutsam gewesen zu sein. Nach Angaben des letzten Aufsichtsratsvorsitzenden und Ex-Oberbürgermeisters Volkmar Kunze sei „die Überlassung damals mit allen Gesellschaftern besprochen worden“. Bekannt sei ihm Hellers Dienstwagen „aus Unterlagen“ geworden. Kunze bekräftigt, selbst nie einen Dienstwagen auf Kosten der Stadtwerke genutzt zu haben. Einen Opel Insignia, den der damalige OB zwei Jahre seiner Amtszeit nutzte, sei „nach klaren Vertragskonditionen“ von den Stadtwerken gemietet worden.

Dennoch gab es gegen Kunze offenbar genügend Verdachtsmomente. Der FDP-Politiker war vor wenigen Tagen parallel zu Huke aus dem Amt gefegt worden. Offizielle Begründung der Gesellschafter: Eine vertrauensvolle Zusammenarbeit sei nicht mehr möglich. Sowohl Huke als auch Kunze haben sich bisher öffentlich nicht zu den Gründen geäußert.

Heftige Kritik von Transparency International

Dafür kommt heftige Kritik von Transparency International, einem Verein, der gegen Korruption und Filz kämpft. „Um Korruption, Unterschlagungen und grenzenloses Anspruchsdenken verhindern zu können, müssen die Aufgaben klar sein. Jemand, der kontrolliert, der die Aufsicht hat, kann keine Vorteile annehmen, die seine Kontrollfähigkeit mehr als in Frage stellen“, so Vorstandsmitglied Gisela Rüß.

In einigen Kommunen Deutschlands sei es zu gravierenden Problemen gekommen. „Wenn dann die Presse berichtet, stellt sich heraus, dass der Personenkreis, der die Mechanismen kannte, groß ist und dass der Personenkreis, der es sich zu Nutze machte, auch nicht so klein ist wie das Unrechtsbewusstsein.“

Kritik kommt auch aus Zeitz selbst

Kritik kommt auch aus Zeitz selbst: Stadtratsvorsitzender Heinz Borde hält Linkenchef Heller nicht mehr für tragbar. Aus Sicht des CDU-Politikers hat ein Fraktionschef gegenüber seinen Parteikollegen eine Vorbildrolle einzunehmen. „Mit solchen Flecken auf der Weste“ bestehe aber ein „Misstrauensverhältnis“. Borde wünscht sich, Stadträte und Bürger umgehend über die Vorgänge bei den Stadtwerken zu informieren. Oberbürgermeister Christian Thieme (CDU) kündigte auf MZ-Nachfrage Informationen zu der Sache im nicht-öffentlichen Teil der kommenden Sitzung an. Künftig solle es einen Kodex für gesetzmäßiges Handeln bei den Stadtwerken geben – sogenannte Compliance-Regeln, so Thieme weiter.

Die Linken-Stadtrats- und Kreistagsfraktionen erklären auf MZ-Nachfrage mit ihrem Parteikollegen Heller zu klären, ob „unlautere Dinge gelaufen sind“. Das sagte Christine Krößmann, Linken-Fraktionschefin im Kreistag. (mz)

Er war jahrelang Chef der Zeitzer Stadtwerke. Vor wenigen Tagen wurde Andreas Huke abberufen. Die Staatsanwaltschaft ermittelt gegen ihn wegen Untreue-Verdachts.
Er war jahrelang Chef der Zeitzer Stadtwerke. Vor wenigen Tagen wurde Andreas Huke abberufen. Die Staatsanwaltschaft ermittelt gegen ihn wegen Untreue-Verdachts.
Nicolai