145 Jahre Standesamt Zeitz 145 Jahre Standesamt Zeitz: Was sich in alten Unterlagen findet

Zeitz - Seit 1874 gibt es das Zeitzer Standesamt. Das ist eine lange Geschichte des Personenstandswesens in Zeitz. Aber auch eine Zeit der Geschichten. Der Blick in alte Unterlagen verrät viele Geschehnisse, Besonderheiten und Statistiken. 1.350 Sterbefälle standen zum Beispiel am Jahresende 1945 zu Buche. Bei den amtlich registrierten Toten handelte es sich längst nicht nur um verstorbene Deutsche.
Auch das Leben einer großen Anzahl von Zwangsarbeitern, die im Jargon des NS-Staates als „Ostarbeiter/in“ oder „belgische, französische, italienische, polnische Zivilarbeiter/in“ bezeichnet wurden, endete 1945 in Zeitz. Oft ist der Sterbeeintrag, der beispielsweise Auskunft über das Dasein von Gino Musso, Modesto Brogi oder Wladimir Botzmann gibt, die letzte und einzige Spur ihres Lebensweges.
Standesamt Zeitz: Aus der Nachkriegszeit
Wie viele andere städtische Ämter musste das Standesamt in der Nachkriegszeit vorübergehend aus dem Rathaus und zwar vermutlich bis 1948 ausquartiert werden. Die sowjetische Kommandantur als Besatzungsmacht hatte ab 1945 immer mehr Räumlichkeiten am Altmarkt 1 für sich beansprucht, so dass wir das Standesamt 1947 am Altmarkt 18/19 in der damaligen Stadtsparkasse, dem heutigen Sitz der Volksbank Zeitz, finden. 1949 war das Standesamt schon wieder fest im Rathaus untergebracht.
Stadtoberinspektor August Fuhrmann, der seinen Dienst unter Hermann Anske begonnen hatte, war 1946 pensioniert worden. Gleichzeitig war er der letzte preußische Verwaltungsbeamte. Im Standesamt Zeitz ging damit unweigerlich eine Ära zu Ende.
Standesamt Zeitz: Interessante Zahlen aus der Nachkriegszeit
Es gibt auch interessante Zahlen aus der Nachkriegszeit: 1946 lagen die Eheschließungen in Zeitz um 62 Prozent höher gegenüber dem Vorjahr. Insgesamt 297 Brautpaare, von denen sich der Großteil im Alter von 21 bis 25 Jahren befand, gingen ein Jahr nach Ende des Zweiten Weltkrieges den Bund fürs Leben ein. Leitender Zeitzer Standesbeamter war übrigens seit Frühjahr 1946 der frühere Werkmeister Otto Weißenborn.
Im Standesamt wurde auch das Sterbebuch weitergeführt: 643 Lebendgeburten standen 1946 auch 26 Totgeburten gegenüber, die im Zeitzer Sterbebuch beurkundet wurden, das in diesem Jahr mit insgesamt 1 394 Verstorbenen eine auffallend hohe Anzahl beurkundeter Sterbefälle aufwies. Dabei spielten die Auswirkungen des Zweiten Weltkrieges weiterhin eine große Rolle, waren doch 256 Wehrmachtsangehörige unter den registrierten Toten.
Standesamt Zeitz: Noch bis 1951 alle Personenstandsfälle handschriftlich
Krankheiten wie die weit verbreitete Tuberkulose, aber auch Unterernährung mit ihren verheerenden Folgen hatten einen deutlichen Anstieg der Sterblichkeit verursacht. Insbesondere in dem kurzen Zeitraum von Juli bis Dezember 1946 erhöhte sich die Bevölkerungsanzahl in Zeitz von 35.841 auf 40.311 Einwohner, vorrangig aufgrund des verstärkten Zuzugs von Vertriebenen aus den ehemaligen deutschen Ostgebieten.
Obwohl zahlreiche deutsche Standesämter wie in Berlin, Halle, Hamburg, Leipzig oder Altenburg aufgrund des hohen Schreibaufwandes längst zur maschinenschriftlichen Beurkundung übergegangen waren, hielt man in Zeitz noch bis 1951 alle Personenstandsfälle handschriftlich fest.
Standesamt Zeitz: Generationswechsel beginnt
1946/47 hielt eine neue Generation Standesbeamter Einzug ins Zeitzer Standesamt. Horst Koch (1915-1991), der ursprünglich bei der Firma Emil Böhme, Kolonialwaren- und Weingroßhandlung mit Destillationsbetrieb, den Verkäuferberuf gelernt hatte, war der Sohn des einst bekannten Milchhändlers Max Koch aus der Posaer Straße 32, der noch in den 1950er Jahren Milch in den Straßen von Zeitz verkauft hatte.
Vor Ausbruch des Zweiten Weltkrieges war Koch für das im Volksmund als „Schnaps Böhme“ bekannte Unternehmen auch als Reisender unterwegs gewesen. Ab 1. Mai 1946 arbeitete er unter Otto Weißenborn im Standesamt Zeitz zunächst als Angestellter, wurde aber schon im August 1946 sein Stellvertretender.
Standesamt Zeitz: Neuaufbau des Sachgebiets Personenstandswesen
Nach Bildung des Rates des Bezirkes Halle gehörte Horst Koch, der bereits am 15. September 1948 von Bürgermeister Max Hauschild als Nachfolger von Otto Weißenborn zum leitenden Standesbeamten von Zeitz eingesetzt worden war, seit September 1952 zum „Bezirksarbeitskollektiv für Fragen des Personenstandswesens“.
Als Lektor führte er nicht nur im Kreis Zeitz, sondern im gesamten Bezirk Halle Lehrgänge zu verschiedenen Themen des Personenstandswesens durch, die aufgrund ihrer hohen Praxisrelevanz auf große Resonanz stießen. Der gute Ruf, den das Zeitzer Standesamt genoss, geht hauptsächlich auf diese Zeit zurück, weil Horst Koch wesentlich am notwendigen Neuaufbau des Sachgebiets Personenstandswesen in der noch jungen DDR mitgewirkt hatte. Zugunsten der Bezeichnung „Beauftragter für Personenstandswesen“ verschwand der „Standesbeamte“ im neuen Personenstandsgesetz in der DDR ab 1956.
Standesamt Zeitz: Nachwuchs herangezogen
Mit Erreichen des Rentenalters von 65 Jahren war Horst Koch von seinen Mitarbeiterinnen nach 34 Dienstjahren im Mai 1980 in den Ruhestand verabschiedet worden. Unter seiner Leitungstätigkeit hatten sich im Standesamt Zeitz schon sehr zeitig junge und auf dem Gebiet des Familien- und Staatsangehörigkeitsrechts hochqualifizierte Fachkräfte herangebildet, wodurch ein reibungsloser Generationswechsel vollzogen werden konnte. Mit Renate Tille (1947-1992), die seit 1968 im Zeitzer Standesamt arbeitete, übernahm jetzt erstmals eine Frau die leitenden Amtsgeschäfte. (mz)
