Wittenberger Gefängnis Wittenberger Gefängnis: Kunst-Stiftung übernimmt Schlüssel für Ausstellungsprojekt

Wittenberg - Torsten Zugehör ist zu Scherzen aufgelegt: „Herzlich willkommen zum offenen Vollzug!“, ruft Wittenbergs Oberbürgermeister (parteilos) an diesem Montagnachmittag. Dann zieht der gelernte Jurist von innen an der Tür zum Hof des alten Gefängnisses.
Das wird ab Mitte Mai zum Ort einer ganz besonderen Ausstellung: Unter dem Titel „Luther und die Avantgarde“ zeigen 68 national und international renommierte Künstler ihre Arbeiten. Und im Prinzip können sie jetzt auch loslegen, nachdem die verantwortliche Stiftung für Kunst und Kultur Bonn die Knastschlüssel vom Reformationsjubiläumsverein (r2017) übernommen hat.
Dieser hat in den vergangenen Monaten das ehemalige Gefängnis fit machen lassen für die Avantgarde-Schau. Die Rede ist von einem „betriebssicheren Zustand“, nach Auskunft von r2017-Geschäftsführer Hartwig Bodmann sind 350.000 Euro geflossen.
Wie Architekt Dieter Pasierbsky erklärt, waren zwölf unterschiedliche Gewerke beschäftigt - vom Keller bis zum Dachgeschoss und in allen 50 Zellen. Die Bauabnahme sei am Freitag erfolgt, bis auf „kleinere ästhetische Nacharbeiten“ sei alles in Ordnung. „Wir liegen voll im Plan“, betont Pasierbsky.
Insgesamt fünf alte Schlüssel hat Hartwig Bodmann an Walter Smerling überreicht. Smerling ist Vorsitzender der Stiftung für Kunst und Kultur Bonn und Sprecher des Kuratoriums für die Ausstellung „Luther und die Avantgarde“.
Die Schlüsselübergabe ist in erster Linie ein symbolischer Akt, von den antiquierten Teilen passt wohl keiner mehr. Es ist nicht zuletzt ein Sinnbild dafür, dass man die Menschen öffnen möchte für das, was demnächst auf fünf Etagen und hinter 40 Türen in dem einstigen Knast zu sehen ist. Smerling spricht auch davon, dass man das Bewusstsein erweitern wolle.
Was den Ansatz der Exposition betrifft, so sei Martin Luther zwar der Anlass, das „Hauptthema“ aber sind die Ausführenden. „Wenn Luther damals neue Wege gegangen ist und in gewisser Weise Avantgardist war, was wollt ihr Künstler heute?“ Anders gesagt: Welche Antworten auf drängende Fragen der heutigen Zeit werden Künstler wie Marthine Tayou, Günther Uecker, Markus Lüpertz oder Ai Weiwei finden?
Der chinesische Konzeptkünstler, Dissident und Menschenrechtler wird im alten Gefängnis übrigens Zelle Nummer 210 bespielen. Bei einem Rundgang am Montag gibt Smerling einen kleinen Ausblick. Er erinnert aber auch an die Anfänge, als er vor gut zwei Jahren das ambitionierte Projekt schon fast absagen wollte, weil es in Wittenberg eben keine geeignete Ausstellungshalle gibt.
Dass es dazu nicht kam, sei einem Taxifahrer zu danken, der ihn, Smerling, auf das alte Gefängnis aufmerksam gemacht habe.
Für das Kunstprojekt zur Verfügung gestellt wird das Gebäude, das sich neben dem Amtsgericht befindet, vom Land. Die Schau „Luther und die Avantgarde“ ist Teil der Weltausstellung Reformation und wird am 18. Mai eröffnet. (mz)