Wittenberg Wittenberg: Der Sozialausschuss zweifelt
WITTENBERG/MZ. - "Das ist paradox." Klaus Knüpfer (CDU), seines Zeichens Mitglied im Sozialausschuss des Kreistages und Arzt im Paul Gerhardt Stift, versteht die Welt nicht mehr. Einerseits, klagt Knüpfer, sei die Kreisverwaltung mit der Arbeit der Suchtberatungsstelle zufrieden, andererseits wolle sie die Leistung ausschreiben. Knüpfer ist offenbar nicht der einzige, der das nicht versteht. Der Vorschlag der Verwaltung, einen alten Beschluss, in dem 1991 die Beratungsstelle der Paul-Gerhardt-Stiftung übertragen worden war, aufzuheben, haben vier Mitglieder abgelehnt. Verhandelt wird das Thema im Kreistag dennoch.
"Die Verwaltung prüft nur, was nicht geht, nicht aber, was möglich wäre." Christine Golly (CDU) zeigt sich noch am Tag nach der Sitzung ungewohnt giftig. Sie wirft der Verwaltung vor, nicht nach Alternativen zur Ausschreibung zu suchen. Und dass die plane, die Suchtberatung neu zu ordnen, habe sie "aus der Zeitung erfahren". Tatsächlich hatte Landrat Jürgen Dannenberg (Linke) Ende Januar erklärt, dass der Kreis die finanzielle Last nicht mehr tragen könne. Doch genau darüber gibt es Streit zwischen Verwaltung und Suchtberatungsstelle. Denn, so sagt es Axel Burghardt, der Geschäftsführer der Paul Gerhardt Diakonie Krankenhaus und Pflege GmbH, nach dem neuen Finanzausgleichsgesetz stehe eigentlich mehr Geld vom Land für die Suchtberatung zur Verfügung. "Deshalb haben wir 2010 den Finanzbedarf ermittelt, der tatsächlich nötig wäre", sagt Burghardt. Fast 55 000 Euro Mehrbedarf war daraufhin beim Kreis angemeldet worden. "Nicht nachvollziehbar, zumal eine konkrete Begründung nicht abgegeben worden ist", heißt es in der Stellungnahme des Fachdienstes Gesundheit. Also wird gerade vor dem Verwaltungsgericht gestritten, weil die Suchtberatungsstelle dem Zuwendungsbescheid widersprochen hat.
"Sie werden verstehen, dass wir uns deshalb mit Aussagen zurückhalten", sagt der zuständige Geschäftsbereichsleiter Klaus Hajek (SPD) dem Ausschuss. Die Position der Verwaltung ist eindeutig. So wie bisher kann die Finanzierung der Suchtberatungsstelle nicht funktionieren. Seit 2005 wird irgendwann im laufenden Jahr der Stelle beschieden, wie viel Geld sie bekommt. Eine Situation, die weder Kreis noch Burghardt weiter wollen. "Wir möchten einen langfristigen Vertrag, um Sicherheit für uns und den Kreis zu haben", sagt Burghardt.
Allerdings ist nun die Diskussion entbrannt, wie das zu erreichen wäre. Der Kreis besteht auf einer Ausschreibung. Rechtlich, sagen Hajek und seine Kollegin Anke Tiemann, sei gar nichts anderes möglich. Jörg Schindler (Linke) steht ihnen bei. "Wenn man eine Klage vermeiden will, muss man ausschreiben", sagt er. Nur so sei die Existenz der Suchtberatung auch rechtlich gesichert.
"Wenn, dann aber schnell", bittet Burghardt. Eine Ausschreibung verunsichere auch die Mitarbeiter. Im schlimmsten Falle gewinne sein Haus, habe dann aber das Personal nicht mehr. Christine Golly dagegen zweifelt an der Ausschreibung. "Es gibt auch andere Wege", sagt sie. Eine Einzelfallabrechnung wäre so ein Weg. "Wie das funktioniert, müsste die Verwaltung eben prüfen", so Golly, die sich beklagt, wieder nicht alle Unterlagen vollständig erhalten zu haben - obwohl im letzten Ausschuss von ihr gefordert. "Da kann man schon mal giftig werden", sagt sie. Wirklich zufrieden war ihr Parteikollege Knüpfer auch nicht. "Wenn die Ausschreibung juristisch erforderlich ist, hätten wir uns die Stunde sparen können."