Willkommens-Kita Willkommens-Kita in Wittenberg: So brechen Kinder in Wittenberg-West das Eis

Wittenberg - Reden hilft, Transparenz natürlich, vor allem aber die persönliche Begegnung: Es geht um Ängste, Sorgen, Vorbehalte, die bekanntlich weit verbreitet sind angesichts der so zahlreichen fremden Menschen, die in Deutschland Schutz suchen und Aufnahme finden.
„Man muss das ausdiskutieren“, betont Jana Eckelmann. Sie hat einige Erfahrungen sammeln dürfen in dieser Hinsicht. Die Wittenbergerin ist Leiterin der einzigen Willkommens-Kindertagesstätte im Landkreis, den Titel trägt die Kita „Regenbogen“ in Wittenberg-West bereits seit einigen Monaten.
Coach schaut regelmäßig in Wittenberger Kita vorbei
Bei den Willkommens-Kitas handelt es sich um ein Landesmodellprojekt, koordiniert von der Deutschen Kinder- und Jugendstiftung: „Wir haben uns beworben und sind ausgewählt worden,“ erklärt Corinna Reinecke, Chefin der Arbeiterwohlfahrt in Wittenberg, zu der die Kita „Regenbogen“ gehört.
In Sachsen-Anhalt erhalten 26 Kitas professionelle Unterstützung beim Umgang mit Kindern aus Flüchtlingsfamilien, sie sind beteiligt am Landesmodellprojekt „Willkommens-Kitas“. Ängste und Unsicherheiten im Umgang mit den Kindern und Familien sollen abgebaut werden - ob es um Sprache, Essen oder den täglichen Umgang miteinander geht. Die Deutsche Kinder- und Jugendstiftung ist Trägerin des Projekts, das das Land Sachsen-Anhalt mit 800.000 Euro unterstützt. Die Erzieher in den teilnehmenden Kitas werden von Coaches begleitet. Welche Unterstützung genau nötig ist, werde sich erst noch genau herausstellen, hieß es beim Start des Projekts. Die Erzieher sollen gestärkt werden. Es geht unter anderem darum, wie sensibel man sein muss und wann klare Grenzen zu setzen sind. Die 26 Kindertagesstätten sollen ein Netzwerk bilden, von dem später möglichst auch andere Kitas profitieren können.
Ziel ist, das Team mit „interkultureller Kompetenz“ auszustatten, die Integration von Kindern zu erleichtern, deren Eltern zumeist geflüchtet sind, die also aus anderen Kulturkreisen stammen. „Wir machen das Schritt für Schritt“, sagt Jana Eckelmann. Geld ist mit der Aufnahme in das Programm nicht verbunden, dafür fachliche Begleitung, Schulungen, ein Coach, der regelmäßig nach Wittenberg kommt, der Rückhalt gibt und bisweilen bei Elterngesprächen anwesend ist.
Denn schon da fängt es an, kompliziert zu werden, beschreibt die Kita-Leiterin ihre Erfahrungen. Angesprochen werden sollte bei Familien aus dem arabischen Raum bevorzugt der Vater, der entscheidet ohnehin: „Wir zeigen damit, wir akzeptieren sie und schaffen die Basis, dass sie uns akzeptieren.“
Es gilt, anderen Kulturen entgegenzukommen, aber es gibt Grenzen: „Wir gehen nicht so weit, Halal bei Süßigkeiten etwa zu praktizieren und jegliches Essen zu kontrollieren.“ Auch sämtliche in Deutschland üblichen Feste werden gefeiert (von Halloween einmal abgesehen). Dass es muslimische Eltern gibt, die das ablehnen, räumt Jana Eckelmann ein. „Das heißt aber auch, dass die Eltern, die mit ihren Kindern zu uns kommen, aufgeschlossen sind.“
Aktuell werden im „Regenbogen“, einem an die 50 Jahre alten Kindergarten, der 60 Plätze bietet, zehn Kinder mit Migrationshintergrund betreut, acht davon mit Flüchtlingsstatus, weitere acht befinden sich in der „Anmeldung“, das heißt, sie sind in der Eingewöhnungsphase, gemeinsam mit den Eltern: „Bei uns ist das Pflicht. Das bringt Verständnis für unsere Arbeit“, sagt Eckelmann.
Sie leugnet nicht, dass es bei manchen Eltern deutscher Kinder zunächst „zurückhaltende“ Reaktionen gab auf den Plan, eine Willkommens-Kita zu werden: „Wir haben Elternabende gemacht und aufgeklärt. Das sind Menschen wie Du und Ich, Mamas und Papas, die das Beste für ihre Kinder wollen. Klar gibt es Ängste. Man muss darüber reden.“ Inzwischen seien längst Freundschaften entstanden, nicht nur unter Kindern, auch unter Eltern.
Zu reden ist nicht zuletzt mit der Nachbarschaft: Die hat ohnehin einen direkten Blick auf den Kindergarten, der inmitten von Wohnblocks angesiedelt ist. Da gab es anfangs durchaus Skepsis angesichts der Flüchtlingskinder: „Unsere Kinder gehen auf sie zu, das bricht das Eis.“ Das erlebt Jana Eckelmann immer wieder.
Sie sagt auch: „Dass wir so im Blick stehen, ist völlig in Ordnung. Das ist ja auch eine Art Schutz, ein Geben und Nehmen.“ Die Nachbarschaft sei willkommen: „Wir sind ein Viertel im Umbruch. Mit uns zusammen kann es Veränderung geben“, bemerkt die Regenbogen-Leiterin. Neben den Kindern ist im Übrigen ein weiterer wichtiger „Brückenbauer“ am Werk: Idris Hanun, ein 22-jähriger Syrer, seit August als Bundesfreiwilliger in der Kita. Zu ihm sagt Jana Eckelmann: „Er kam, sah und siegte.“
Bundesfreiwilliger in der Kita in Wittenberg im Einsatz
Nicht allein bei den Kindern. Seine Freundlichkeit und sein Charme haben selbst „sehr skeptische Eltern“ umgestimmt. Der junge Mann vermittelt, baut Ängste ab und hilft nicht zuletzt bei Problemen mit der Sprache.
Das Thema Sprache ist sowieso spannend. Hantiert wird mit gleich dreien: Deutsch, Englisch, Arabisch. Davon, die Muttersprache zu verbieten, hält Jana Eckelmann nichts: Auch eine Form des Respekts. Erfahrungsgemäß lernen Kinder ohnehin sehr schnell: „Und meist auch noch für ihre Eltern mit.“
Im Regenbogen-Kindergarten hat sich viel geändert in den vergangenen Jahren. Aus den Gruppenräumen sind Mehrzweckraum, Naturraum, Verkleideraum oder Ruheraum geworden. Die Mädchen und Jungen können entscheiden, womit sie sich beschäftigen möchten. „Das hilft der Integration, die Kinder können sich finden. Zudem ist es deutlich ruhiger.“
Und wenn es doch mal Krach geben sollte, ist da noch der Boxsack: „Für die Wut, die man nicht in Worte fassen kann.“ Benutzt wird er unter Aufsicht. Und danach, weiß die Erzieherin, „kommt es doch meist wieder zum Gespräch“. (mz)