Toleranzweg in Wörlitz eröffnet Toleranzweg in Wörlitz eröffnet: Ein Weg der Begegnung

Wörlitz/MZ - Ein Toleranzweg ist am Sonntag in Wörlitz eröffnet worden. Er widmet sich der Geschichte der Juden und der Jüdischen Gemeinde in der Stadt, indem er die Orte ehemaligen jüdischen Lebens in der Stadt bis zur Gedenkstätte am Jüdischen Friedhof verbindet. Diese Punkte können im Verlauf eines Rundgangs in knapp eineinhalb Stunden erfahren werden (siehe auch „Elf Führungen geplant“). Die Veranstaltung zur Eröffnung des Toleranz-Weges wurde von einem Gottesdienst in der St. Petri Kirche Wörlitz und einer Psalm-Lesung Alexander Reznikows von der Jüdischen Gemeinde Dessau gerahmt.
Kein Wort aus der Bibel
„Heute einen Toleranzweg zu gestalten, ist keine rückwärts gerichtete Sache. Denn Toleranz ist auch heute noch immer kein allgemeines Gut“, würdigte Pfarrer Thomas Pfennigsdorf die Initiative, welche vom Kulturbund Wörlitz - mit seiner Arbeitsgruppe „Stadtgeschichte“ hat er zur Erinnerung an jüdische Familien an deren ehemaligen Wohnhäusern Tafeln angebracht -, der Evangelischen Kirchengemeinde St. Petri und der Moses-Mendelssohn-Gesellschaft umgesetzt wurde. Eine Initiative, so Pfennigsdorf weiter, die zu verstehen sei „als Appell an die Gegenwart, mehr Toleranz zu leben“.
Einen Bogen von John Locke über Gotthold Ephraim Lessing und Voltaire bis hin zum Fürsten Franz von Anhalt-Dessau schlagend, die sich auf ihre Weise mit dem Toleranz-Begriff beschäftigten - Locke und Voltaire philosophisch, Lessing im „Nathan der Weise“ dramatisch und der Fürst geradezu „erfahrbar und begehbar“ im von ihm begründeten Gartenreich -, merkte der Pfarrer allerdings an, dass im Neuen Testament „Toleranz“ gar nicht auftauche. Insofern sei es die Liebe, auf die man setzen müsse. „Wer liebt, verhält sich nicht taktlos und lässt sich nicht zum Zorn erheben“, berief sich Pfennigsdorf auf den Apostel Paulus. Die Liebe eifere nicht, blähe sich nicht auf, lasse sich nicht erbittern. „Die Liebe schließt die Toleranz mit ein.“ Wenn also sein Kollege Dietrich Bungeroth, Pfarrer i. R., in der Einladung zur Eröffnung des Toleranzweges notierte, dass Toleranz eine gute Gabe Gottes sei, so könne er ergänzen: „Die Liebe ist die beste Gabe Gottes. Die Liebe ist Gott selbst.“ In einem der Lieder des Gottesdienstes hieß es dazu, dass er weder nach Farben oder Arm und Reich trenne noch nach Rasse, Herkunft und Geschlecht. Auf die Menschen eingehend, die tagtäglich übers Mittelmeer nach Europa zu gelangen versuchen, meinte Pfennigsdorf, dass es darauf ankomme, sie „aufzurichten, damit sie in Würde, Selbstachtung und Toleranz leben können“.
Wissen als Voraussetzung
Sozialdemokrat Holger Hövelmann, Mitglied des Magdeburger Landtags, erinnerte in seinem Grußwort vor der Synagoge daran, dass Deutschland sowohl im menschlichen wie auch wirtschaftlichen Sinn immer dann am erfolgreichsten gewesen sei, wenn Toleranz wahrhaftig praktiziert wurde. Wer vor Verfolgung und Krieg die Flucht ergriffen habe, dem müsse man ein Bleiberecht und eine Zukunft einräumen. Ein gewisses Maß an Intoleranz sollte aber gegenüber jenen praktiziert werden, die eine solche Haltung bestreiten. „Wenn religiöser Fanatismus im Spiel ist, muss eine Grenze gesetzt werden.“
Cornelia Pieper, Generalkonsulin in Danzig, übermittelte den ungefähr 50 Teilnehmern der Veranstaltung, dass der Toleranzweg ein „wichtiger Beitrag zum Werk eines friedlichen, erfolgreichen Zusammenlebens“ sei. Ein Werk, das immer wieder aufs Neue vollbracht werden müsse. Dies aufgreifend, meinte der Oranienbaum-Wörlitzer Bürgermeister Uwe Zimmermann (Linke), von den etwa 220 in Vockerode untergebrachten Flüchtlingen ahne man deren Religion nur zum Teil. Das verunsichere vielleicht manchen. Für die übergroße Mehrheit könne er indes sagen, dass sie sich sehr, sehr tolerant verhalte. Wissen - vermittelt auch über die Tafeln an den Häusern - sei die Grundvoraussetzung für Toleranz, schätzte Zimmermann ein. Und diese wiederum sei letztlich die Basis für den Frieden.
Im nächsten halben Jahr finden insgesamt elf Führungen auf dem Wörlitzer Toleranz-Weg statt. Sie starten 11 Uhr, dauern knapp 90 Minuten und werden jeweils sonnabends angeboten. Treffpunkt für die Teilnehmer ist die Synagoge.
Die Termine sind der 16. und 30. Mai, der 13. und 27. Juni, der 11. und 25. Juli, der 8. und 22. August, der 5. und 19. September sowie der 3. Oktober.
Für Gruppen können Sonderführungen durchgeführt werden. Anfragen sind an Dietrich Bungeroth per E-Mail zu richten. Die Führungen werden ehrenamtlich abgesichert. Um Spenden wird gebeten. (ab)
Dies war ganz im Sinne Bernd Ulbrichs von der Dessauer Moses-Mendelssohn-Gesellschaft. Toleranz dürfe nicht bloß als Duldung eines anderen Standpunkts verstanden werden. Vielmehr bilde sie die Basis für eine geistige Begegnung, aus der Neues erwächst. „Toleranz als Weg“, sagte Ulbrich. „Ein Toleranzweg eben.“
Zusätzliche Infos gibt es im Internet.
