Kultur in Sachsen-Anhalt Tänzer, Choreograph und Regisseur Winfried Schneider ist zurück in Wittenberg
Winfried Schneider hat an Theatern im In- und Ausland gearbeitet: als Tänzer, Choreograph, Regisseur. Jetzt ist der 70-Jährige wieder dort, wo seine Karriere begann - in Wittenberg, wo er am Mitteldeutschen Landestheater gewirkt hatte.
Wittenberg/MZ. - Alle Kisten sind noch nicht ausgepackt, Winfried Schneider hat seine Wohnung in Wittenberg erst vor kurzem bezogen. Der Mann ist lange unterwegs gewesen, in vielen deutschen Städten, auch im Ausland hat er gearbeitet. Jetzt kehrt der 70-Jährige zurück, nicht in seine Geburtsstadt, das ist Plauen im Vogtland, sondern in die Stadt, in der er „wunderbare Zeiten“ erleben durfte, mit einem familiären, freundschaftlichen Zusammenhalt.
Schneider, ein renommierter Tänzer, Choreograph, Regisseur, spricht vom Wittenberger Theater, das ja längst Geschichte ist. Er sagt: Mit der Schließung des Mitteldeutschen Landestheaters hat die Stadt sehr viel verloren.
24 Jahre war er weg aus Wittenberg. Der Künstler ging noch bevor sich die Türen des Theaters schlossen: „Ich war damals Mitte 40. Man musste sehen, wo man bleibt.“
Ballett-Chef in Berlin
Die Faszination für die Welt der Bühne hat den Sohn eines Bergmanns im Stadttheater Plauen gepackt: „Ich war dort im Kinderchor. Mit dem Stimmbruch wechselte ich ins Tanzstudio.“ Dass aus dem Tanz ein Beruf werden könnte, war nicht vorgezeichnet. Die Eltern, insbesondere der Vater, beschäftigt bei der Wismut, der wie so viele an Krebs starb, zeigen sich wenig begeistert von den künstlerischen Neigungen des Sohnes, die er zunächst verheimlicht. Später stimmen sie der Ausbildung zu.
Zum ersten Mal nach Wittenberg kommt Winfried Schneider 1973, als Tänzer. Wenig später geht es schon aufwärts auf der Karriereleiter: nämlich in die Hauptstadt, ans Metropol-Theater, dem größten Operettentheater der DDR, heute Admiralspalast. Dort arbeitet der begabte Künstler sich empor, vom Gruppentänzer zum Ballett-Chef. 23 Jahre bleibt Schneider in Berlin. Kurz nach der Wende kehrt er wieder zurück nach Wittenberg, zunächst als Gastregisseur der „West Side Story“, ab 1997 in Festanstellung: als Choreograph, Regisseur, Darsteller.
Als sich das Ende des Theaters hier andeutete, ging Winfried Schneider, längst gut vernetzt in der Branche („Ich musste mich nie bewerben“) zunächst nach Regensburg und später nach Dresden zur Staatsoperette, als Chefchoreograph. Nach knapp zehn Jahren des festen Engagements wollte er sein Berufsleben noch einmal verändern: „anders leben, auch mal Feiertage genießen“. Und wurde freischaffend als Regisseur und Choreograph. Schneider inszenierte in Halle, Gera, München, Essen, im Friedrich-Stadtpalast, im polnischen Stettin, in Estland: „Es ist ein Wagnis, sich auf dem freien Markt zu behaupten. Du bist immer auf Angebote angewiesen.“ Ihm kam sein guter Name zugute.
In der DDR, erinnert sich Winfried Schneider, gab es rund 1.000 Tänzer: „Jeder kannte jeden.“ Heute sei der Markt viel größer und unübersichtlicher, geprägt nicht zuletzt von zahlreichen ausländischen Künstlern: „Von Mexiko bis China reichten in Berlin die Länder, aus denen die Tänzer stammten. Das ist eine große Bereicherung.“ Eine eher klassische Ausbildung treffe auf freiere Tanzstile.
Mit 69 Jahren hat der Regisseur und Choreograph schließlich seine letzte Inszenierung abgeliefert: eine sorbische Sagennacht im Spreewald. Jetzt ist Schluss für Winfried Schneider, was die Bühne betrifft: „ Ich gehe auch nicht mehr ins Theater, ich bin theatersatt.“
Super Zeit mit tollen Erfolgen
Der Neu-Wittenberger bedauert den Abschied offenkundig nicht: „Eine super Zeit mit tollen Erfolgen war das, es muss irgendwann einen Cut geben. Die 50 Jahre in dem Job waren schnell weg. Es ist körperlich sehr anstrengend. Bis Mitte 50 habe ich getanzt. Aber auch wenn man Regie führt, muss man vieles vormachen.“
Jetzt also wieder Wittenberg. Winfried Schneider hatte die letzten Jahre in Berlin Kreuzberg gelebt und länger nach einer passenden Wohnung hier gesucht. Der Impuls für die Rückkehr kam bei der Feier seines 70. Geburtstages, die in der Lutherstadt stattfand: „Ich hatte gemerkt, das ist mir sehr vertraut. Ich möchte noch mal etwas verändern, mir ein schönes Umfeld schaffen.“ Berlin ist nicht weit, der Künstler reist nach wie vor gerne, hat eine Zweitwohnung in der Türkei. Und er kennt natürlich noch etliche Menschen in Wittenberg. Letztens, erzählt er, gab es ein schönes Treffen einstiger Theatermitarbeiter. Weihnachten feiert er nach über 20 Jahren wieder in Wittenberg, mit Gästen aus Berlin: „Denen kann ich die Stadt zeigen. Ich kenne sie ja.“