1. MZ.de
  2. >
  3. Lokal
  4. >
  5. Nachrichten Wittenberg
  6. >
  7. Einweihung Schlosskirche: Schlosskirche Wittenberg: Glänzender Auftritt zur Einweihung gelungen

Einweihung Schlosskirche Schlosskirche Wittenberg: Glänzender Auftritt zur Einweihung gelungen

Von Gunter Kowa 03.10.2016, 19:31
Nach vier Jahren Restaurierung erstrahlt die Schlosskirche nun wieder in frischem Glanz.
Nach vier Jahren Restaurierung erstrahlt die Schlosskirche nun wieder in frischem Glanz. dpa

Wittenberg - Abendlicher Lichterglanz aus Girlanden mit neumodischen Glühbirnen überall in der Stadt dürfte zu den Erinnerungen gehören, die Augenzeugen der ersten Einweihung der um- und neugebauten Wittenberger Schlosskirche noch lange nach dem 31. Oktober 1892 im Kopf behielten.

Und diesmal, fast 125 Jahre später, bei der Wiedereinweihung der glanzvoll restaurierten Kirche am vergangenen Sonntag, könnte es vielleicht der grelle Farbkontrast sein: Haupt-Ehrengast, Ihre Majestät Königin Margrethe II. von Dänemark, schritt im leuchtenden Pfefferminzgrün ihres Kostüms über den obligaten roten Teppich durch die weit geöffnete Thesentür und wohnte der Enthüllung ihres persönlich handgefertigten Geschenks bei, des Altarbehangs aus rubinrotem Damast mit Flammenmotiven an den Seiten und der gestickten Lutherrose in der Mitte.

Um die großen staats- und kirchenpolitischen Aussagen vorwegzunehmen, die nach dem „Amen“ aus Händels „Messias“ auf den Festgottesdienst folgten - zugleich dem Erntedank der Schlosskirchengemeinde -, so seien ihre eigenen Worte zu dem rundum bejubelten Geschenk zitiert.

Historische Beziehungen zwischen Wittenberg und Kopenhagen halten an

Das gekrönte Oberhaupt des dänischen Staates und die ferne Nachfolgerin Christians III., des Gründers der dänisch-lutherischen Volkskirche, erinnerte daran, dass die Verbindung Wittenberg-Kopenhagen auf den 1521 ins Exil getriebenen König Christian II. zurückgeht, der in der Stadt der Reformation ein Freund Luthers und der Wittenberger Reformatoren wurde.

Indirekt leitete er damit Dänemarks Übertritt zum Luthertum ein, den Christian III., intensiv beraten von Luther und Johannes Bugenhagen, im Jahr 1536 vollzog. „Es freut mich überaus“, sagte die Königin in den aufbrandenden Applaus der vollbesetzten Kirche, „dass diese Beziehung heute noch lebendig ist“.

Joachim Gauck und Reiner Haseloff bei der Einweihung

Sie hatte damit am Beispiel der deutsch-dänischen Geschichte jene „weltgeschichtliche Bedeutung“ der Reformation angesprochen, die ihre beiden staatsmännischen Vorredner an der Symbolik der Schlosskirche im Allgemeinen und der Thesentüre im Besonderen festmachten.

Bundespräsident Joachim Gauck nannte sie eine Erinnerung an das „unscheinbare Ereignis, das Weltgeschichte ausgelöst hat“. Und Ministerpräsident Reiner Haseloff (CDU) stellte den sachsen-anhaltischen Landesvater über seine katholische Konfession, als er ungeniert, wenn auch hörbar humorig, den Luther-Mythos von den „Hammerschlägen“ gegen die Historiker verteidigte, „die dieses Ereignis (den Thesenanschlag vom 31. Oktober 1517) bestreiten“.

Kein Wort zu Preußen und Kaiser Wilhelm II.

Akribisch und hingebungsvoll ist die Schlosskirche vier Jahre lang restauriert und mit frischer Farbe, gereinigten und ergänzten Glasfenstern sowie den Lichtern aus den tonnenschweren Radleuchtern zum Glänzen gebracht worden.

Da ist es schlechterdings kaum zu vermeiden, die Fracht ihrer mannigfachen Symbolik anzusprechen. Und doch kam keinem einzigen Redner, Prediger oder Liturgen ein Wort über Preußen und Kaiser Wilhelm II. über die Lippen, ohne die die Kirche nicht als die „Ruhmeshalle der Reformation“ zu verstehen ist, das erklärte Ziel Kronprinz Friedrich Wilhelms von Preußen mit seinem Auftrag aus dem Jahre 1880 an den Geheimen Baurat Friedrich Adler.

Dass Margrethe II. im Gottesdienst deutsch gesprochen hat, hat vielen Zuhörern sehr gefallen, ebenso ihre Erinnerung an „zwei treibende Kräfte“ der langjährigen dänisch-wittenbergischen Beziehungen in jüngerer Zeit: die zu früh verstorbenen Siegfried Kasparick und Hans Henrik Arendt, dänischer Altbischof.

„Lamm und viel Gemüse“ gab es laut Ministerpräsidentengattin und Stadträtin Gabriele Haseloff beim Mittagessen der Königin mit Bundespräsident Joachim Gauck und geladenen Gästen in der „Alten Canzley“. In der Öffentlichkeit rauchen hat die Königin übrigens niemand gesehen.

Blümchen durfte vor dem Gottesdienst in der Schlosskirche die fünfjährige Fritzi der Königin überreichen. Extrem beeindruckt zeigte sich die Kleine von dem Vorgang nicht. Fritzi ist die Tochter von Katrin Oxen, Direktorin des Zentrums für Predigtkultur, und Karl-Friedrich Ulrich, Dozent am Predigerseminar, welches an diesem Wochenende wie berichtet selbst eine Menge zu feiern hatte.

Die Veranstaltung im „Arsenal“- Einkaufszentrum ging maßgeblich auf eine Idee von Jan von Campenhausen, Evangelische Wittenbergstiftung, zurück. Personelle Unterstützung kam von Freiwilligen des Reformationsjubiläumsvereins 2017. (mz/irs/cni)

Kein Wort über den Kaiser und den Staatsakt von 1892, der das nationale Pathos des Bildprogramms im stundenlangen historischen Festumzug der untertänigen Bürger spiegelte. Es sei denn, die vier Strophen von Luthers protestantischem Kampflied „Ein feste Burg ist unser Gott“ wären als Hinweis auf die entsprechende Inschrift auf dem Schloss-Kirchturm zu verstehen gewesen.

Neues Kunstwerk in Schlosskirche zu bewundern

Schließlich wird auch den Pfarrschülern des Predigerseminars immer wieder deutlich, wie sie mit dem Pathos der Kirche, die sie von alters her als Übungsraum nutzen, umgehen müssen. Und es gibt ja auch ein einziges neues Kunstwerk, das auf die gravitätisch dreinblickenden Reformatoren auf ihren Sockeln, auf Kaiserthron und Preußenadler antwortet: Die neue Bronzetür mit den apokalyptischen Reitern des Berliner Bildhauers Marco Flierl. Aber auch dazu fand niemand etwas zu sagen.

Doch es bleibt von dem Festakt auch in Erinnerung, was seine künstlerischen Akteure beitrugen: der helle Klang des wie der königliche Gast aus Dänemark angereisten Haderslev Knabenchors, die jubilierenden Posaunen des Wittenberger Schlosskirchenensembles, die Klangfülle der gereinigten Ladegastorgel mit Kantorin Sarah Herzer an den Pedalen.

Eine Schlosskirche für alle

Auch wenn die Kirche bis auf den letzten Platz besetzt war, so mussten doch zahllose Wittenberger und Gäste der Stadt, die sich schon früh am Morgen hoffnungsfroh in die Schlange vor der polizeibewachten Absperrung einreihten, mit der Übertragung auf die Großbildwand im Einkaufszentrum oder mit dem heimischen Fernseher begnügen.

Doch mit dem Ende des Gottesdiensts war die Kirche, wie Kirchenpräsident Christian Schad in seiner Predigt gesagt hatte, wieder „allen Menschen gewidmet, die sie betreten“, den Steuerzahlern, die zu ihrer Sanierung beitrugen, den Touristen und Gottsuchern, den Kirchenführern, die sie ihnen erklären.

Der Tross der Ehrengäste nahm beim anschließenden Empfang im vorläufigen Provisorium des neuen Besucherzentrum im Erdgeschoss des Schlosses schon mal die nächste große Wittenberger Weihestätte in Augenschein, das ehemals kurfürstliche Schloss.

Das Vorstandsmitglied im „Freundeskreis Luthers“, die Verlegerin Friede Springer, kündigte an, dass sie weiterhin das Spendenziel von einer Million Euro anstrebt, wovon ein Teil bereits jener neuen Bronzetür von Bildhauer Marco Flierl sowie der Restaurierung der Glasfenster zugutekam.

Schlosskirche bereit für Reformationsjubiläum

Alles deutet daraufhin, dass der künftige Sitz von Predigerseminar, Reformationsbibliothek, Zentrum Christliche Kunst, wie auch neuem Haupteingang zur Schlosskirche, im Jubeljahr 2017 und darüber hinaus den Reformationstouristen ein würdiges Willkommen bieten wird, die zu Hunderttausenden erwartet werden.

Noch sind Vorplatz und Innenhof von der jahrelangen Bautätigkeit gezeichnet. Aber die Terrassen und der sanfte Anstieg, auf dem sich eine Freitreppe ausdehnen wird, lassen erkennen, wie sich Wittenberg an seinem neuen Entree in Szene setzen will.

(dpa/mz)