Reisebüro Habdank in Wittenberg Reisebüro Habdank in Wittenberg: Spargel statt Urlaub

Wittenberg - Er habe sich ein bisschen umgestellt, sagt Reisebüro-Inhaber Frank Habdank. „Ein bisschen umgestellt“ meint, dass er aufgrund der eingeschränkten Reisefreiheit während der Corona-Pandemie nun statt exotischem Urlaub heimischen Spargel in zwei seiner Filialen verkauft. Wie er auf die Idee kam? Wenn Habdank zwischen seiner Bad Belziger und seiner Brandenburger Filiale hin und her fährt, kommt er am Ragösener Spargelhof vorbei.
Dort sei er seit Jahren Stammkunde. Andererseits bucht der Spargelhof-Betreiber seine Reisen gern bei Habdank. Vor kurzem sei man ins Gespräch gekommen, da stellte sich heraus, dass der Reisebüro-Inhaber seine Mitarbeiter kaum noch beschäftigen könne, wohingegen der Spargelbauer unter Personalknappheit aufgrund fehlender Arbeitskräfte aus dem Ausland leidet. Nun unterstützen sich die Betriebe gegenseitig. „Da haben wir mehrere Fliegen mit einer Klappe geschlagen“, sagt Habdank.
Sortierung und Verkauf
Noch im letzten Jahr arbeiteten zwölf ukrainische Studenten auf dem Spargelhof in Ragösen. Heute wird die Arbeit von vier Rumänen, einigen Leuten aus dem Ort und eben den Angestellten Habdanks gestemmt, die stundenweise in der Sortierung tätig sind. Vier weitere seiner Mitarbeiter stehen in den Reisebüro-Filialen in Bad Belzig und Wittenberg am Verkaufstresen. Der 60-Jährige freut sich darüber, seinen sich momentan in Kurzarbeit befindlichen Mitarbeitern eine „Gehaltsaufbesserung“ bieten zu können.
Zu stark darf er die eigene Belegschaft dennoch nicht einbinden, um die Zuverdienstgrenzen neben dem Kurzarbeitergeld nicht zu überschreiten. Genug Arbeit gebe es aber, weshalb Habdank weitere Leute zur stundenweisen Unterstützung des Verkaufs sucht.
„Die ganze Palette“
Der Spargelverkauf in der Wittenberger Reisebüro-Filiale läuft seit vergangenen Donnerstag. Er sei dankbar, dass sein Vermieter die Zweckentfremdung des Geschäftes so kurzfristig genehmigt habe, so Habdank. Werktags von 9 bis 12 Uhr könne man in den Räumen nun „die ganze Palette“ an Spargel kaufen: Nicht nur weißen also, sondern beispielsweise auch grünen.
Außerdem habe er Kontakt zur Wittenberg Gemüse GmbH aufgenommen und sein Gewerbe als Händler angemeldet, berichtet Habdank. In baldiger Zukunft wird er also auch Erdbeeren, Tomaten und Paprika aus Piesteritz anbieten können. Doch bei weißem, grünem und rotem Obst und Gemüse soll nicht Schluss sein. Je nachdem, wie lang sich die Situation noch erstreckt, plant er auch die blauen Beeren der 600 Ragösener Heidelbeersträucher in seinen Reisebüros anzubieten.
Über den Tellerrand
Dass Habdank Spargel verkauft, kommt nicht ganz von ungefähr. Er sei als Belziger natürlich ein regelrechter „Spargel-Fan“, gibt er zu. Dabei soll es jedoch nicht immer das klassische Schnitzel mit Spargel sein, man müsse auch über den Tellerrand hinausblicken. „Meine Frau hat neulich einen tollen Spargelauflauf mit Hähnchen gemacht“, schwärmt Habdank. Auch Spargel mit Kochschinken umwickelt könne er warm und wärmstens empfehlen.
Die reine Geschmackssache ist allerdings nicht der einzige Grund für seinen Spargelverkauf. „Ich komme ursprünglich so ein bisschen aus der Landwirtschaft“, sagt er. Dann fiel aber plötzlich der Eiserne Vorhang, alles ward anders. „Ich wusste nicht, wie es weitergehen soll“, kommentiert er die damalige Situation. Er musste sich einen neuen Weg suchen und nutzte die frisch eingeführte Reisefreiheit, um sein Reisebüro zu eröffnen.
Dieses hätte demnach am 1. Mai sein 30-jähriges Bestehen gefeiert. Der Inhaber ist traurig über das Entfallen der Feierlichkeiten: „Ich fühle mich wie um dreißig Jahre zurückversetzt, ich weiß wieder nicht, wie es weitergehen soll“. Wie damals schon hat er nicht aufgegeben, sondern nach einer Lösung gesucht und sie gefunden - diesmal in einem vorübergehenden Spargelverkauf. (mz)