Ermittlungen in Wittenberg Razzia der Polizei in Sachsen-Anhalt: Suche nach Drogen und Diebesbeute
Wittenberg - Eine großangelegte Razzia hat am Mittwoch in Wittenberg und Umgebung für Wirbel gesorgt. „Ich hab mich schon gefragt, was hier los ist. Heute Morgen um sechs stand plötzlich die Polizei auf dem Hof und die Alarmanlage ging los“, erzählt ein Anwohner aus der Berliner Straße in Wittenberg, der anonym bleiben möchte. Mit einem Rammbock sollen die Beamten sich Zugang verschafft haben zu einem Nebengebäude.
Die verbogene Tür, die aus dem Türfutter gebrochen ist, lehnt noch am späten Vormittag an einer Mauer. Im Inneren des Hauses durchsuchen Beamte in schusssicheren Westen, teilweise mit Sturmhauben vermummt das, was offensichtlich als Wohnraum von Kai P. (Name geändert) dient.
Monatelang vorbereitet
Mehr als 100 Beamte der drei Polizeidirektionen des Landes, der Bereitschaftspolizei und des Landeskriminalamtes sind im Einsatz. Unter Federführung des Wittenberger Reviers werden drei Durchsuchungsbeschlüsse vollstreckt und dabei Beweismittel sowie mögliches Diebesgut in großer Anzahl sichergestellt.
Der Aktion waren teils monatelange intensive Ermittlungen vorausgegangen. Es liegen mehrere Strafanzeigen vor. Ermittelt wird unter anderem, weil Falschgeld in Umlauf gebracht wurde - und wegen einer Raubstraftat. In der Weihnachtszeit hatten gefälschte Zehn-Euro-Scheine in Wittenberg für Schlagzeilen gesorgt.
Im November waren zuerst gefälschte Zehn-Euro-Scheine in Wittenberg aufgetaucht. Viele Indizien sprachen für einen lokalen Amateur, der sich im Geldfälschen versuchte. Zuerst in einem videoüberwachten Supermarkt aufgetaucht, schwenkte der Täter bald auf den Weihnachtsmarkt um. Da in der Regel erst bei größeren Scheinen zu Prüfmitteln gegriffen wird, hatte der Verbrecher leichtes Spiel. Die „Blüten“ fielen erst bei der Abrechnung auf. Die Sparkasse hatte vor den Fälschungen in einer großen Aktion gewarnt.
Die Ermittlungsverfahren richten sich derzeit gegen mehrere dringend tatverdächtige Personen aus dem Landkreis Wittenberg. Zwei wurden vorläufig festgenommen - die anderen sind nach Auskunft von Staatsanwalt Olaf Braun noch oder wieder auf freiem Fuß. Insgesamt sieben Wohnungen und andere Objekte in Ortsteilen der Lutherstadt Wittenberg, ferner je eine Wohnung in Zahna und in der Lutherstadt Eisleben werden durchsucht.
In eine der Wohnungen soll Kai P. vor kurzem eingezogen sein. Die Nachbarn wissen nicht viel Gutes zu berichten über den Mann, der derzeit in der Ukraine unterwegs ist. Im allgemeinen Stimmengewirr geht es um Lügen und Betrug, Drohungen und Drogen, auch Diebesgut soll sich in dem Gebäude befinden. Soweit man sieht, liegen auf dem Boden des ersten Raumes aufgerollte Foto-Hintergründe, wie sie in Studios Verwendung finden.
Eine Parallele tut sich auf zum mutmaßlichen Überfall auf einen Wittenberger Fotografen um den Jahreswechsel - dem soll die ganze Studioausrüstung ausgeräumt worden sein. Einen Zusammenhang kann oder will die Staatsanwaltschaft nicht bestätigen. „Das weiß ich nicht, mir liegen hier keine Namen vor. Und eventuell hat die Polizei da auch ermittlungstaktische Gründe“, erzählt Staatsanwalt Olaf Braun.
Der Mann, der da von den Nachbarn belastet wird, sieht die Sache natürlich anders. „Mit dem Fotografen sollte es eine Zusammenarbeit geben, wir haben sogar schon dafür geworben. Ich habe Rechnungen für ihn bezahlt. Die Ausrüstung habe ich als Pfand für das ausgelegte Geld aus dem Studio geholt. Am helllichten Tag, da war neben meinem Vermieter auch der Fotograf dabei“, erklärt Kai P. telefonisch gegenüber der MZ. Er erfährt von der Durchsuchung am Morgen, weil er von seiner Alarmanlage über einen Einbruch informiert wird. Eine Bekannte schickt ihm den Durchsuchungsbeschluss per Mail in die Ukraine nach.
Spürhunde im Einsatz
Auch auf dem benachbarten Grundstück, das von den Nachbarn nur das „Pförtnerhäuschen“ genannt wird, sind Polizisten zugange. Ein Transporter für Spürhunde steht auf dem Hof. Vor dem Gelände parkt ein grasgrüner Laster der Ordnungshüter, wie er zum Abtransport von Beweismitteln Verwendung findet. „Beschlagnahmt wurden unter anderem mögliches Diebesgut, welches einer Raubstraftat zuzuordnen ist, sowie weitere Beweismittel. Auch Unterhaltungselektronik und Computer wurden sichergestellt“, vermelden Polizei und Staatsanwaltschaft. Bei zwei Personen sollen Betäubungsmittel entdeckt worden sein. „Hierbei handelt es sich augenscheinlich um Crystal in Größenordnungen von circa 30 und 100 Gramm“, schreiben Olaf Braun und Polizeisprecher Sebastian Opitz.
Die beiden Wittenberger werden vorläufig festgenommen. „Gegen sie wurden Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts des Handelns mit Betäubungsmitteln eingeleitet“, informiert das Schreiben. „Im Vordergrund waren nicht Ermittlungen wegen Betäubungsmitteln. Es handelt sich um Zufallsfunde“, erklärte Braun später telefonisch gegenüber der MZ.
Nicht zuletzt aufgrund von Hinweisen aus der Bevölkerung sei es den Ermittlern gelungen, den Tatverdächtigen auf die Spur zu kommen. Derzeit dauere die Auswertung der sichergestellten Gegenstände an. Polizei und Staatsanwaltschaft prüfen auch, inwieweit sichergestellte Gegenstände bislang nicht aufgeklärten Straftaten zugeordnet werden können. (mz)