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Politischer Frühschoppen beim Stadtfest Politischer Frühschoppen beim Stadtfest: Wo die Säge klemmt, wird im Zunfthof verraten

Von Karina Blüthgen 17.06.2019, 12:39
Kreishandwerksmeister Hendrik Hiller (re.) benennt beim Frühschoppen mit Handwerk und Politik die Probleme bei der Ausbildung.
Kreishandwerksmeister Hendrik Hiller (re.) benennt beim Frühschoppen mit Handwerk und Politik die Probleme bei der Ausbildung. Klitzsch

Wittenberg - Inzwischen hat es fast jeder schon gemerkt: Das Handwerk braucht Leute. Junge Leute vor allem, die einen handwerklichen Beruf erlernen möchten. Doch Auszubildende zu bekommen ist heutzutage schwieriger denn je. So ist es kein Wunder, dass sich der Frühschoppen des Handwerks beim Stadtfest „Luthers Hochzeit“ diesmal mit diesem Thema beschäftigt.

Fahrgeld und -zeit

Es sind die schwierigen Rahmenbedingungen, auf die Kreishandwerksmeister Hendrik Hiller verweist, vor allem lange Fahrstrecken für Auszubildende. „Wer aus Annaburg, Morxdorf oder Elster nach Bitterfeld fahren muss, für den sind schnell mal 40 bis 80 Euro im Monat weg, trotz Bahncard“, rechnet Hiller vor. Auch was die Fahrzeit betrifft: Mancher muss morgens 4.30 Uhr los, um pünktlich in der Berufsschule in Dessau zu sein.

Und lange Fahrstrecken sind bereits Normalität. „Nach der Wende gab es im Landkreis eine kommunale, eine kaufmännische, eine industrielle und eine landwirtschaftliche Berufsschule im Landkreis“, zählt Hiller auf. Jetzt müssten Friseure und Elektriker nach Bitterfeld, Konditoren nach Dessau. Eine Berufsschule gebe es noch in Wittenberg, dort werden lediglich zwei Handwerksberufe, Metaller und Kfz-Mechatroniker ausgebildet.

In anderen Bundesländern gebe es bereits ein Azubi-Ticket, 2020 soll voraussichtlich auch ein solches in Sachsen-Anhalt gelten. Doch das Fahren zur Ausbildung geht zum Teil auch weit über die Landesgrenzen hinweg. Er habe derzeit zwei Auszubildende, die nach Bayern fahren, sagt Thomas Pielorz, der im Estrichbau tätig ist. „Da reden wir über Fahrtkosten von hundert Euro pro Woche. Und die erste Frage der Eltern lautet fast immer: Wie soll mein Kind nach Schweinfurt kommen?“

Sein Vorschlag sind überbetriebliche Praktika bei Kollegen in der Region. Da könne man gegenseitig Lehrlinge in anderen Bereichen schulen, „und dann ist man im Thema drin, wenn man fertig ist“, so Pielorz. Pierre Ozimek, Abteilungsleiter des Bildungs- und Technologiezentrums der Handwerkskammer in Halle-Osendorf, wirbt für die zentrale Ausbildung mit einer technischen Ausstattung auf dem neuesten Stand. Er verweist auf Förderbedingungen für den Neubau in Halle und sinkende Einwohnerzahlen im Land, an die man sich anpassen müsse.

Mehr regionale Kooperation

Das kann Günter Schildhauer, Obermeister der Metall-Innung, nur bedingt nachvollziehen. „Warum steht denn das Bildungszentrum in der Möllensdorfer Straße leer? Warum müssen alle nach Halle?“, wirft er unbequeme Fragen auf. Auch Thomas Pielorz plädiert für die Zusammenarbeit in Regionalbereichen: „Jeder Ausbilder, der in Osendorf ist, kann auch für zwei Tage pro Woche nach Wittenberg fahren.“

„Wir haben die Aufgabe, Wissen zu sichern und weiterzugeben“, so Pielorz zur Aufgabe des Handwerks. Hiller ist da bei ihm. „Die besten Arbeiter von heute sind die Lehrlinge von gestern“, sagt er. „Wer soll denn heute ausbilden, wenn es ihm keiner gezeigt hat?“ Dass die Lehrlinge heute schlechter als früher seien, mag er so nicht sehen. „Sie sind der Spiegel der Gesellschaft. Heute ist eben ein Smartphone wichtiger als der Mopedführerschein. Damit müssen wir umgehen“

Handwerk im Zunfthof

Die Ecke am Holzmarkt des Kirchplatzes ist beim Stadtfest traditionell der Handwerkerschaft vorbehalten. Hier im sogenannten Zunfthof wird das traditionelle Können vorgeführt, oder man kommt entspannt mit Experten ins Gespräch. Der politische Frühschoppen am Stadtfest-Sonntag zu Themen des Handwerks hat bereits Tradition.  

(mz)