Mittelalterfest Mittelalterfest : Schweißtreibend aber launig

Kemberg - Als Anja Effenberger den Gästen ein „Herzliches Willkommen im Schatten des Gotteshauses“ entbietet, ist klar: Selten war Schatten beim Mittelalterspektakel in Kemberg so gefragt wie in diesem Jahr. Alle Wetter habe man schon erlebt in den Jahren, aber „dieses Jahr stellen wir sicher den Hitzerekord ein“, sagt Propst Bernhardi alias Erich Schreiner voraus. Die Mitwirkenden hatten beim Aufbau der Stände schon geschwitzt.
Jubel und Begeisterung
Pünktlich 14 Uhr ziehen sie am Sonnabend ein, die Handwerker, Wirte und Spielleute, sie alle umrunden die Kirche. Derweil versucht ein offenbar fußlahmer Ritter aus dem Mansfeldischen, das „faule Volk zu Kemberg“ mit Handzeichen zu Jubel und Begeisterung zu bringen. Was dann einigermaßen klappt, als der kleinen Umzug in der Kreuzstraße wieder erscheint. Der Festkranz wird aufgezogen, und los geht es mit dem 17. Mittelalterspektakel, organisiert vom Verein Kemberger Lebenszeiten.
Als die Kemberger Schützengilde wie gewohnt Salut schießt, halten sich manche immer noch die Ohren zu, auch nach so vielen Jahren. Der Rauch vertreibt jedenfalls Mücken und anderes Ungeziefer, beeinträchtigt jedoch die Stimmen der „Rabenbrüder“ nicht, die bereits eine feste Größe im Programm sind. „Auch wenn das Kemberger Publikum manchmal nicht euphorisch sein mag: Wenn sie nicht da sind, werden sie vermisst“, weiß Vorstandsmitglied Anja Effenberger.
53 Mitglieder zählt der Verein, „seit heute früh“, verweist sie auf Mathias Raupach. Der 30-Jährige hat seinen Eintritt erklärt, einen Tag nach seiner Schwester Marie-Christin Raupach. „Das Mittelfeld, also Leute um die 30, sind gut vertreten“, freut sich Effenberger über etliche neue Mitstreiter. „Der Großteil zieht mit“, bestätigt Uwe Woll, seit Ende Februar der neue Vorsitzende des Vereins. Aufs mit Anpacken legt der 54-Jährige Wert.
Als Kita und Hort „Rasselbande“ auf der Bühne ihr Lied „Auf der Festung Kembergstein“ zum Besten geben, steht Ivette Winkler wie viele andere Eltern vor der Bühne. Sie winkt Sohn Hannes zu, der mit einem Steckenpferd um eine holde Maid reitet. Natürlich sei sie neugierig auf das Programm, „er hat vorher nichts verraten“, sagt sie. Jedes Jahr besuche die Familie das Fest, „wir sind ja Kemberger“. Dieses Jahr war sie die Katharina Luther beim Wittenberger Stadtfest, doch Kemberg ist in ihrem Herzen.
Auf Kembergs Bedeutung weist auch der Vorsitzende des Stadtrats, Horst Schmidt, hin. „Man sollte die Randgebiete der Lutherstadt Wittenberg nicht unterschätzen“, mahnt er. Immerhin habe Luther nachweislich sieben Mal in Kemberg gepredigt. Kirche ist das Stichwort, die ist bei dieser Hitze schön kühl. Auch Falkner Andreas Zschüntzsch war schon einmal drin, „vor einigen Jahren, als es geregnet hat“, meint er lachend.
Seit vielen Jahren stellt Zschüntzsch in Kemberg die Arbeit eines Falkners vor, die ihn seit seiner Kindheit begeistert. „Die Kinder interessieren sich vor allem für den Uhu, dabei sind die Falken eigentlich interessanter“, findet der Mann aus Bad Düben. Seit drei Jahren sind auch Rittersleut’ aus Eisleben dabei, die sich nicht nur Wort- und Schwertgefechte liefern, sondern auch eine Hitzeschlacht schlagen, wenn sie sich um Ehr’ und Geld streiten. Dieses Jahr haben sie ein Zelt zum Übernachten dabei, das erspart zumindest die nächtliche Rückfahrt.
Kopf und Füße kühl
Das Essen mundet, ob nun gekocht, gebacken oder gegrillt. Kalte und warme Getränke gehen immer. Und wer sich an kühlen Getränken nicht genug laben kann, nutzt das Wasser der Pumpe zur Erfrischung oder ein kühles Fußbad samt Massage bei den Waschweibern. Für Kinder gibt es zahlreiche Mitmachstände, ob beim Karneval, der Grundschule oder den Lebenszeiten-Mitgliedern. Handwerk wird gezeigt, es wird gesponnen, Schiefer bearbeitet oder Gemüse geschnitzt.
Am späten Nachmittag füllen sich die letzten freien Plätze. So wie sich die Sonne gen Untergang bewegt und die Hitze nachlässt, strömen die Feierlustigen zu Gemütlichkeit und Tanz herbei. Wie hatte Propst Bernhardi doch bei der Einladung formuliert? „Wenig Bewegung am Tage, dafür die Nacht nutzen.“ Worauf einer der Rabenbrüder fragt: „Wie meint der das?“ Und Bernhardi zur Erheiterung des Publikums meint: „Machen Sie sich nichts daraus. Die Musikanten waren schon immer etwas später.“ (mz)


