Mindestlohn für Friseure Mindestlohn für Friseure: Angst vor Lohnerhöhung

Wittenberg/MZ - „Wenn Mindestlohn, dann für alle in der Branche, und das muss auch kontrolliert werden“, sagt Dietmar Hartung, Innungsobermeister der Friseure im Landkreis Wittenberg.
Der jetzt beschlossene Mindestlohn ist notwendig, hätte aber über einen längeren Zeitraum in kleineren Schritten realisiert werden müssen, findet Hartung, der in Wittenberg einen Friseursalon betreibt. Und wenn die Erhöhung letztlich nur von den in Gewerkschaft oder Innung organisierten Friseuren umgesetzt werden soll, hat das für den Wettbewerb schlimme Folgen, befürchtet Hartung, dass dann viele, um konkurrenzfähig zu bleiben, zu Lasten der Beschäftigten in Form von Stunden- oder Personalkürzungen an der Preisschraube drehen.
Gemische Gefühle
„Wir freuen uns. Aber so eine Lohnerhöhung ist nicht machbar“, zweifeln Peggy Namislo und ihre Kollegin. „Wo sollen denn die höheren Löhne herkommen? Wenn die Preise steigen, bleiben die Kunden weg und damit auch die Einnahmen“, erklären die Friseurinnen, warum die angekündigte Lohnerhöhung nicht wirklich Jubel auslöst. Die Konkurrenz sei auch ohne Schwarzarbeit und günstige mobile Anbieter hart genug. „Wer den Friseurberuf wählt, weiß eigentlich, dass hier nicht das große Geld verdient wird“, sagen die jungen Frauen, die im Salon von Hendrik Hiller angestellt sind.
Auch der Kreishandwerksmeister, der Salons in Kemberg, Gräfenhainichen, Bergwitz und Wittenberg betreibt und 24 Mitarbeiter und vier Lehrlinge beschäftigt, befürchtet schlimme Wettbewerbsverzerrungen. „Wenn die Regelung nicht für alle in der Branche gilt, sind Schließungen und Entlassungen nicht auszuschließen. Diejenigen, die höhere Löhne zahlen, müssen auch die Preise erhöhen, um überhaupt noch wirtschaftlich arbeiten zu können“, so Hiller.
„Ich bin fast erleichtert, dass mich das nicht so trifft“, gesteht Ines Richter, die seit kurzen als Einzelkämpferin ihr vor neun Jahren eröffnetes Friseurgeschäft in Radis betreibt, weil sie keine geeigneten, engagierten Fachkräfte findet. „Man kann doch Mitarbeitern und Angestellten nicht Geld auszahlen, das man nicht verdient hat“, sagt sie.
Ihre Kollegin Heike Fuhrmann aus Gräfenhainichen bestätigt das. Die Friseurmeisterin mit mehreren Angestellten setzt darauf, dass die Lohnerhöhungen für alle gelten und dass Schwarzarbeitern und Anbietern von Dumpingpreisen die Hände gebunden werden. „Viele Kunden sehen nicht, dass wir auch für Strom, Wasser, Steuern und die Lohnnebenkosten zahlen müssen. Die Leute gehen doch auch nicht zur Autowerkstatt und wollen dort Reparaturen für 3,50 Euro Stundenlohn gemacht haben, oder gar selbst für so einen Lohn arbeiten“, sagt die überzeugte Friseurin, die es grundsätzlich gut und richtig findet, dass man von dem Geld, das man mit seiner Arbeit verdient, auch leben kann.
Nicht ohne Sozialhilfe
„Leider ist das in unserer Branche nicht immer so“, weiß auch Dietmar Hartung. „Wenn man die Lohnscheine der Mitarbeiter sieht, schämt man sich, aber das Ende der Fahnenstange ist erreicht.“ Laut Steffen Rotte, Chef im Jobcenter Wittenberg, bekommen aktuell 70 berufstätige Friseurinnen und Friseure aus dem Landkreis Sozialhilfegelder, weil sie von ihrem Arbeitslohn nicht leben können.
Etliche Fachkräfte haben auch aus diesem Grund den Beruf gewechselt. Wie die 39-jährige Wittenbergerin, die wegen des geringen Verdienstes 2012 den Beruf aufgegeben hat und nun als Altenpflegehelferin in drei Schichten arbeitet. Die gelernte Friseurin, verheiratet und mit einem schulpflichtigen Kind, hatte mit 30 Stunden pro Woche regulär ein Festgehalt von 520 Euro (Brutto). Dazu eine Provision für erreichte Ziele, die aber nicht üppig gewesen sei, so dass sie oft mit weniger als 500 Euro nach Hause ging. Da ihr Mann verdient, kam Aufstocken für sie nicht in Frage. Von alleinstehenden Kolleginnen mit Kind wusste sie, dass sie Hartz IV beantragen mussten, um über die Runden zu kommen. Eine andere Kollegin hatte eine Schwägerin, die bei der gleichen Kette im Westen das doppelte Gehalt hatte.
Mit dem Beruf abgeschlossen
Sie würde ihren ehemaligen Kollegen wünschen, dass das mit dem Mindestlohn klappt, fürchtet aber, dass der in den wenigsten Betrieben gezahlt wird. „Die finden doch immer Hintertürchen, sich dem zu entziehen“, sagt sie. In ihren Job möchte sie nicht zurück: „Damit habe ich abgeschlossen.“