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Vermarktung Milchautomat Vockerode: So kommt der neue Automat im Kreis Wittenberg bei der Kundschaft an

Von Andreas Behling 14.09.2016, 16:17

Vockerode - Die großformatige Kladde ist schon über die Hälfte hinaus gefüllt. Und in ihr notiert sind nur Worte der Begeisterung und des Lobes. Mal als knapper Jubel, den gleich drei Ausrufezeichen garnieren. Mal recht ausführlich, die aktuellen Empfindungen mit liebgewordenen Erinnerungen verknüpfend. Das Gästebuch, das die Agrargenossenschaft Wörlitz neben ihren Milchautomaten gelegt hat, vermag durchaus Geschichten zu erzählen.

Zu allererst lässt die Lektüre aber den Schluss zu, dass der Agrarbetrieb offenbar einen Nerv getroffen hat. Es scheint, als hätten die meisten Menschen auf die Möglichkeit, sich Milch selbst abfüllen zu können, sehnsüchtig gewartet. „Super Idee! Ganz große Klasse! Macht weiter so! Frischer geht’s nicht.“ - Die Reihe der überschwänglichen Kommentare ließe sich fortsetzen. Den Genossenschaftsvorsitzenden Volker Ziegler freut das verbale Schulterklopfen.

Etwas mehr als 100 Tage sind verstrichen, seit der gesunde Trunk die erste Flasche füllte. Bei Politikern ist die ins Land gegangene 100-Tage-Frist üblicherweise Anlass zu bilanzieren und das gerne auch kritisch. Der Milchautomat steht noch immer makellos und blitzsauber da. „Er wird ja auch täglich gereinigt und desinfiziert“, sagt schmunzelnd Ziegler. „Es geht um ein Lebensmittel. Da sind Ordnung und Sauberkeit das A und O.“

Aus seiner Warte lohnte sich der Aufwand. Volker Ziegler sieht das Gerät kostendeckend platziert. Mehr habe der Betrieb gar nicht erreichen wollen. Tatsächlich sei der monetäre Aspekt eher zweitrangig. „Unsere Intention war und ist, durch das Angebot eines für die Landwirtschaft typischen Produkts Imagepflege zu betreiben. Außerdem ergeben sich am Automaten manchmal sehr interessante Gespräche. Die tragen dazu bei, dass die Leute angelesenes Halbwissen korrigieren. Daran liegt uns genauso viel wie an der Werbung“, meint der Kakauer.

Um sich mit frischer Landmilch zu versorgen, können die Kunden jeden Tag an der Milchviehanlage Vockerode vorfahren. Von montags bis sonntags steht ihnen der Automat von 6 bis 19 Uhr zur Verfügung. Das Kernstück des Geräts der Firma Risto Vending GmbH, in dem Kühlung, Rührwerk und Abfüllbereich mit Düse und leicht zu reinigendem Tropfabfluss vereint sind, bildet ein 150 Liter fassender Edelstahlbehälter.

Mancher Autor im Gästebuch fühlte sich in seine Kindheit zurückversetzt. Eine Zeit, in der „noch richtige Milch aus dem Kessel“ geschöpft werden konnte. An anderer Stelle heißt es: „Wir sind begeistert. Es erinnert mich an die Zeit, als ich mit der Milchkanne zum Konsum ging. Der Geschmack ist sehr ähnlich.“ Und ein paar Seiten weiter steht: „Endlich frische Milch und nicht immer die vom Discounter. Geile Sache.“  (mz/ab)

Immerhin hat die Agrargenossenschaft noch mal etwas Geld für einen zweiten Zufahrtshinweis in die Hand genommen. „Die Spitzenzeiten, an denen sich die Leute mit Frischmilch betanken, liegen an den Wochenenden. Da ist die Bude richtig voll“, bilanziert Ziegler zufrieden. „Wir haben schon mitbekommen, dass mancher an einem ruhigeren Moment zurückkam, weil beim ersten Versuch die Schlange zu lang war.“

„Das lässt sich durchaus als Privileg verstehen“, meint der Landwirt. Das Handling passe inzwischen. „Ein großes Kompliment meinen gewissenhaften und verantwortungsbewussten Mitarbeitern, die das Gerät betreuen. Wenn sie per SMS die Information erhalten, dass der Füllstand unter 40 Litern liegt, sorgen sie schnell für Nachschub. Denn bei starkem Andrang kann der Tank binnen einer Viertelstunde leer sein.“

Mancher, der die Zeit fand, ein paar Zeilen im Gästebuch zu hinterlassen, gibt sich in Sachen „Milchtanken“ gern als Wiederholungstäter zu erkennen und beschreibt sich als begeisterten Milchversorger der Familie und der Arbeitskollegen. „Wir nehmen immer die tolle Milch von hier mit nach Hause“, haben Besucher aus Brandenburg hinterlassen, die offenbar häufiger die Region zu schätzen wissen.

Andere Stammkunden verbinden den zu erwartenden Genuss eines Schluckes kühler Milch mit einer kleinen körperlichen Anstrengung. „Da komme ich gern von Horstdorf mit dem Fahrrad nach Vockerode“, zeigte sich Julia Wachsmann engagiert. „Da kommt man auch gerne mal ein paar Kilometer gefahren“, beteuern Kunden aus Dessau.

Doch es sind auch Einträge aus Paderborn, Eisenhüttenstadt und München im Gästebuch zu finden. Andere Enthusiasten wohnen quasi nebenan. „Eine großartige Initiative. Ich kaufe Milch nur noch hier“, hat Uwe Quilitzsch schriftlich versprochen. Zugleich empfahl der Mann aus dem nahen Griesen den Landwirten: „Geht in die Offensive - geht in die Städte!“

Diesen Schritt wird sich die Agrargenossenschaft allerdings verkneifen. „Ein naturbelassenes Erzeugnis kann nur an der Stätte der Produktion angeboten werden“, erklärt Volker Ziegler die Position. „Andernfalls müssten wir die Milch pasteurisieren. Und genau das möchten wir nicht.“ Ein Statement im Gästebuch bestätigt ihn: „Die Milch ist wirklich lecker und man weiß, wo sie herkommt. Der Euro ist super angelegt!“ So viel kostet der Liter Milch.

Und wer keine Flasche dabei hat, kann sich eine aus der Halterung nehmen. Dafür heißt es dann, die Kasse des Vertrauens zu füttern. Eine Regelung, die niemanden verleitet, lange Finger zu machen? Volker Ziegler winkt ab. „Mit der Videoüberwachung treiben wir gute Prophylaxe.“ (mz)

Voll des Lobes ist das Gästebuch neben dem Milchautomaten in Vockerode.
Voll des Lobes ist das Gästebuch neben dem Milchautomaten in Vockerode.
Andreas Behling