Kundgebung in Wittenberg Kundgebung in Wittenberg: Schauen und hören
Wittenberg - Angelika Kelsch hat den Blick aufs Land und die Republik, Arne Lietz den auf Europa und die Welt. So teilen sich die DGB-Kreisvorsitzende aus Wittenberg und der SPD-Europaabgeordnete aus der Lutherstadt die Perspektiven bei der Maifeier und Kundgebung, zu der der Gewerkschaftsbund am 1. Mai auf den Platz der Demokratie eingeladen hatte.
Kein Lohndumping, eine starke gesetzliche Rente, Gerechtigkeit für Frauen auf dem Arbeitsmarkt sind Kelschs Schlagworte; Lietz blickt über die Grenzen und spricht davon, Scheren in Europa zu schließen. Das meint beim Sozialdemokraten den Mindestlohn, ein Erfolg im eigenen Land, aber noch keiner für den Staatenbund, in dem osteuropäische Länder ein weitaus niedrigeres Lohnniveau haben. „Da ist es Zeit für mehr Solidarität“, sagt Lietz vor den Gewerkschaftern, die sich am Sonntagvormittag traditionell auf dem Platz der Demokratie eingefunden haben. Lietz greift damit zugleich das Thema auf, unter das der Gewerkschaftsbund all seine Veranstaltungen am Tag der Arbeit gestellt hat.
In Wittenberg sind alle Gewerkschaften vertreten, die sich unter dem Dach des DGB versammelt haben, dazu Stände von SPD und Linken - Infomaterial lässt sich reichlich sammeln, als die offiziellen Reden gesprochen sind und der DJ nach „Auf, auf zum Kampf“ die Schlager-Tonspur einschaltet.
„Viele brauchen praktische Hilfe, wenn sie Probleme auf der Arbeit haben. Da sind wir dann Ansprechpartner und vermitteln weiter“, benennt Raphaele Schubert die Anfragen am Verdi-Stand. Sie freut sich über jede Unterschrift unter den Resolutionen für Faire Arbeit oder Gleichbehandlung von Erzieherinnen, die am Sonntag unterzeichnet werden können. Martina Schleese steht unterm Sonnenschirm der IG Bergbau, Chemie und Energie und reicht Flyer und Kugelschreiber über den Tisch. „Von Anfang an sind wir hier dabei“, sagt die Gewerkschafterin.
Zufrieden ist an diesem 1. Mai auch DGB-Kreischefin Angelika Kelsch. „Sicher, es könnten noch ein paar Besucher mehr sein. Aber wir haben wichtige Themen wie die Aufhebung der Ausnahmen beim Mindestlohn und das Rententhema angesprochen. Daraus haben sich Diskussionen ergeben“, sagt sie. In Gesprächen habe sie erfahren, dass viele geschockt über den Vorstoß sind, das Renteneintrittsalter zu erhöhen. „Das bewegt die Leute und sie fragen sich, ob und wie sie das bewältigen können, wenn es so kommt“, so Kelsch. Wichtig ist ihr, dass die Maifeier Plattform für den Austausch ist und die Gewerkschaften auf ihre Ziele aufmerksam machen können.
Der Verdruss bei einigen der Zuhörer sitzt freilich tief. Eine ungenannt bleibende Wittenbergerin kritisiert, dass sich nicht ausreichend eingesetzt werde, um in den Heimatländern der Flüchtlinge für Sicherheit zu sorgen. „Solidarität heißt für mich, wer Hilfe braucht, soll Hilfe haben“, sagt ein Gewerkschaftsmitglied. Willi Krüger fordert, dass Solidarität zunächst im eigenen Land zu gelten habe. „Ich wollte mich heute einfach mal informieren, wo es Änderungen gibt“, sagt der Wittenberger. (mz)