Kreis Wittenberg Kreis Wittenberg: Den Tränen nahe beim Wiedersehen
bräsen/MZ. - "Als Stalin starb, haben wir alle am Gerätehaus stramm gestanden", erinnert sich Gertraud Krause, "doch uns war schnell langweilig." Die 69-Jährige muss lachen. Räuber und Gendarm haben sie dann gespielt und als sie viel zu spät nach Hause kamen, gab es sogar "Senge".
Erinnerungen ausgetauscht
Erika Pfeiffer nickt. Auch die Hallenserin kann sich noch sehr gut an diesen Tag und an andere Erlebnisse mit ihrer Freundin erinnern. Als Gertraud Krause dann am vergangenen Sonnabend in der Bräsener Musikscheune vor ihr steht, erkennt sie die Schulfreundin nicht auf Anhieb, doch bald schon wird ihr klar, wem sie da begegnet. Sie nehmen sich in den Arm, sind den Tränen nahe.
Vielen ergeht es so an diesem Tag. Zum ersten Mal findet in Bräsen das "Treffen der Generationen" statt. Knapp 200 ehemalige Bräsener finden den Weg in ihr heimatliches Dorf. Gertraud Krause ist der am weitest gereiste Gast. Sie lebt in Eschweiler im Bergischen Land. "Anfang April 1960, noch ein Jahr vor dem Mauerbau, haben wir Bräsen verlassen", sagt sie. Die damals 16-Jährige reiste über Berlin, Hamburg und Celle, um zuerst im westfälischen Mühlheim an der Ruhr ihre Bleibe zu finden. "Seit 1981 bin ich jetzt schon in Eschweiler", sagt sie, "es gefällt mir dort sehr gut, aber hier ist und bleibt meine Heimat." Zu Besuch ist sie schon öfter nach Bräsen zurück gekommen und "der erste Weg führt dann an die Rossel. Das ist mir wichtig".
"Wir haben uns seit 52 Jahren nicht mehr gesehen", sagt Krause zu ihrer Jugendfreundin. "Dabei waren wir immer ein Herz und eine Seele", bekräftigt Erika Pfeiffer. Krause ist im Elternhaus der Freundin ein und ausgegangen. "Ich weiß noch ganz genau, wie dein Vater immer das Fleisch zurecht geschnitten hat und dann verteilte", sagt sie. Das war Anfang der 1950er Jahre. "Es war ja eine schlechte Zeit", so Krause. Auch an die alte Kohlengrube kann sich die heutige Eschweilerin gut erinnern. Dort haben sie oft gebadet. "Auf der anderen Seite war sogar ein Sprungturm", sagt sie, "da haben mich die älteren Jungen mit rüber genommen." Dann aber allein zurück schwimmen lassen. "Sieh zu, haben die nur gesagt."
Ähnlich wie den beiden Freundinnen, die im übrigen in der Zwischenzeit nicht einmal Briefkontakt hatten, geht es auch Hermann Pflug. Der 88-Jährige hat sein ganzes Leben in Bräsen verbracht und zog irgendwann sogar in das Elternhaus seines besten Jugendfreundes, den er am Sonnabend wieder trifft. Gemeinsam mit Walter Schulze drückte er die Schulbank und so verwundert es kaum, dass die beiden ältesten Gäste den ganzen Abend nebeneinander verbringen und sich austauschen. Schulze hatte seinen Kumpel auch nicht gleich erkannt, "aber mit der Zeit fallen einem wieder die Gesichter ein". "Wir waren damals immer zusammen", sagt Schulze, der mittlerweile in Dessau wohnt.
Ein ganz besonderer Abend
"Das ist schon ein ganz besonderer Abend. Eine tolle Idee", lobt Pflug, wie nahezu alle anderen, den Organisator. "Geschichten die das Leben schreibt", sagt Günther Petermann irgendwie nachdenklich. Er hatte das Treffen initiiert. "Schon im Februar habe ich angefangen, herum zu telefonieren." Der Anblick der gefüllten Musikscheune stimmte ihn in jedem Falle glücklich. "Für das erste Mal ist das schön", sagt er und noch viel wichtiger, "alle sind begeistert."