Händels Messias in kleiner Besetzung Händels Messias in kleiner Besetzung: "Magerquark" mit Schalk in katholischer Kirche

Wittenberg - Halleluja (aus dem hebräischen „preiset Jahwe“) – das ist für viele der berühmteste Chorsatz aus Georg Friedrich Händels Messias, und das im strahlenden D-Dur, der festlichsten aller Tonarten. Für viele wird Händel auf dieses Halleluja reduziert.
In London, in der Westminster Abbey, in der Georg Friedrich Händel begraben liegt, pflegt man gar den Brauch, aufzustehen wie zu Zeiten Georg II, als dieser vor Ergriffenheit bei der Intonation des Halleluja aufgesprungen sein soll - und mit ihm das gesamte Publikum.
Diesen Brauch pflegt man in Deutschland nicht, obwohl sich Ergriffenheit beim Halleluja immer breit macht, interessanterweise egal, in welcher Besetzung, ob kammermusikalisch wie am vergangenen Mittwoch in der katholischen St. Marienkirche in Wittenberg oder wie 1885 im Londoner Kristallpalast anlässlich des 200. Geburtstages von Händel mit 4.000 Sängern und 500 Orchestermusikern vor neunzigtausend Zuhörern.
Seit 2003 gibt es das „Academic Messiah Project“ als Teil des Kammerorchesters der Halleschen Universitätsmusiken unter Leitung von Matthias Erben. Gemeinsam mit dem Vokalensemble der Martin-Luther-Universität wird das bekannteste Händel-Oratorium als studentische Musizierwerkstatt in einer jeweils lebendigen Version einstudiert und dargeboten. Alle zwei Jahre erfolgt eine Aufführung in Wittenberg in unterschiedlichen Konzertsälen und Kirchen.
Das seit 2003 etablierte „Academic Messiah Project“ am Musikinstitut der Uni Halle war turnusmäßig nach zwei Jahren wieder einmal mit seinem genialen Motivator Matthias Erben und dem Messias in Wittenberg, diesmal in einer katholischen Kirche.
St. Marien eignet sich unbedingt für eine derartige kammermusikalische Aufführung. Diese schmale Besetzung, der sogenannten Dubliner Version, mit insgesamt 16 Musikern einschließlich Dirigenten – manche nennen so eine Besetzung auch Magerquark-Version – füllten vollends den Altarraum und musikalisch das gesamte Gotteshaus. Als Bläser gibt es da nur zwei Trompeten zu Streicher und Basso continuo. Die Londoner Besetzung ist dann schon deutlich üppiger.
Bei Matthias Erben geht es eher familiär zu, ohne ausgeprägte Contenance oder großen Bohai. Er ist da, und man wartet förmlich auf seinen Schalk. Und es ist immer Unterhaltung dabei. Das macht ihn so sympathisch. „Der Kaffee ist gerade erst durchgelaufen“.
Damit kündigte Matthias Erben den etwas verspäteten Beginn der Aufführung an, seine Musiker bräuchten jetzt erst einmal diese „gute Droge“, nachdem sie verkehrsbedingt auf den letzten Pfiff in Wittenberg eingetroffen waren.
Unterhaltung und musikalische Zufriedenheit gab es allemal an diesem Abend. Unterhaltung, weil man merkte, wie motivierend Erben auf seine Akteure wirkte, und das mit viel Charme und Zugewandtheit. Es hat bei ihm etwas Natürliches, wenn er bei verunglückten Einsätzen oder beispielsweise bei dem nicht ganz einfachen Chorus „Worthy is the Lamb“ einfach abklopft und von neuem beginnen lässt. Die Unterstützung der Chorsänger dann durch den Organisten ist naturgemäß.
Die Solisten bildeten auch den Kern des Chores. Alle waren sie auf ihre Weise überzeugend. Hervorgehoben werden müssen Gabriele Lamotte mit ihrem engelsgleichen Sopran, die auch locker einen großen Dom mit ihrer Stimme ausfüllen kann und Thomas Fröb, Tenor, der schon gleich am Anfang mit seinem Accompagnato und dem anschließenden Air (Ev’ry valley) die Hörer auf seiner Seite hatte.
Trotz einiger weniger musikalischer Ungereimtheiten überzeugten die Hallenser in den elegant-strengen Instrumentalpassagen und den melodisch schwingenden, teils dramatischen, teils ruhevollen Arien und den Chorsätzen.
„Ich hoffe, mein Publikum gut unterhalten zu haben“, zitierte Matthias Erben Georg Friedrich Händel am Ende des Abends, nach dem nochmaligen Halleluja als Zugabe. Ohne Blasphemie: Es hatte mehr als nur Unterhaltungswert.
(mz)