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Große Dame der Orgelmusik trifft ihre Schüler

01.11.2005, 16:53

Wittenberg/MZ/ehk. - Mit dem Namen Almut Rößler werden Assoziationen mit expressionistischen, französischen Meistern an der Orgel geweckt, nicht zuletzt zu Olivier Messiaen, mit dem sie eine jahrelange musikalische Freundschaft verband und mit dem sie gemeinsam seine Werke vor allem an ihrer Beckerath-Orgel in der Johanniskirche in Düsseldorf erarbeitet hat und von der eindrucksvolle Schallplattenaufnahmen zeugen. Sie selbst war neben anderen Orgel-Schülerin des französischen Komponisten, Orgelvirtuosen und Orgellehrers Gaston Litaize, der Zeit seines Lebens blind war.

Rößlers große Verdienste lassen sich nur punktuell beschreiben. So hat sie beispielsweise den französischen Komponisten André Jolivet in den 70er Jahren des vergangenen Jahrhunderts in Deutschland "salonfähig" gemacht, viele seiner Musik ur- bzw. erstaufgeführt. Und nicht nur von ihm. Ähnlich verhält es sich mit Messiaen.

Viele Organisten wagten sich an Messiaens Werke, mit durchaus unterschiedlichem Erfolg. Schon zu dessen Lebzeiten - er starb 1992 - gab es mehrere Gesamteinspielungen, interessanterweise vielfach von Organistinnen. Wie auch seine übrige Musik zeichnen sich Messiaens Orgelwerke durch ihre Komplexität sowie technischen und musikalischen Anspruch aus. In Almut Rößler findet man die begnadete Interpretin seiner Orgelwerke im deutschsprachigen Raum schlechthin, die durch ihre Klangfarbigkeit, rhythmische Gestaltung und Sinnlichkeit überzeugt. Sie selbst spielte in dem Nachtkonzert am Vorabend des Reformationsfestes ein Programm, das "von der Dialektik alt-neu lebt", wie sie einführend sagte. Die 73-Jährige, die heute immer noch eine begehrte Hochschullehrerin ist, wirkt eher zerbrechlich im Vergleich zu früher, während sie ihr Programm erläutert. Man kennt sie als forsche, temperamentvolle Dame. Sie stellte Arnold Schlicks "Da pacem Domine" den 500 Jahre später entstandenen "Archaischen Variationen über ,Verleih uns Frieden gnädiglich'" von dem Zeitgenossen Jürg Baur gegenüber. In Bachs Choralbearbeitung "An Wasserflüssen Babylons" hört man ihr gerne zu. Es gelang ihr auch durch ihre quintatön-dominierte Registrierung eine klangschöne und dichte, von Intimität, Schwermut und Getröstetsein geprägte Interpretation. Mit Messiaen werde der ökumenische Bezug zu Luther hergestellt, sagte sie. Der Kontrast, dem "Abgrund menschlicher Verlorenheit" einerseits und "der barmherzigen Liebe Gottes" andererseits stelle den Bogen zur Theologie Luthers dar.

So deutet sie "Die Hände aus dem Abgrund" aus dem "Orgelbuch (Livre d' Orgue)" von Messiaen aus dem Jahre 1951, welches ebenfalls zur Aufführung kam. Auf der Orgelbank ist ihr Temperament ungebrochen, die Cluster in den Händen aus dem Abgrund erschrecken und lassen einem einen Schauer über den Rücken fahren. Filigran dagegen die Vogelgesänge in der Farbgebung: Richtig, Messiaen war ja auch ein anerkannter Vogelkundler. Am Schluss dann der gewaltige "Hymnus auf Christus", der auf gregorianischen Gesängen fußt und harmonisch endet.