Geschichte zum Weltfrauentag Geschichte zum Weltfrauentag: Eine Superfrau in Wittenberg
Wittenberg - Katharina von Boras Haushalt wird öfter mit der Größe eines mittelständischen Unternehmens verglichen. Sie hat ihn gestemmt, selbstredend. Außerdem gebar sie sechs Kinder, von denen zwei früh starben, was ja auch verkraftet werden musste. Während später die Jungen in die Lateinschule geschickt wurden, habe sie die Töchter zu Hause unterrichtet.
Dort gab es auch Kinder anderer Leute, um die sie sich kümmerte. Sie hat eine Unterkunft für Studenten betrieben, Gärten und Ländereien erworben und selbige auch bewirtschaftet.
Kein Rosengarten
Die Liste ist wahrscheinlich nicht vollständig, dass es Mägde und Knechte gab, sei nicht unterschlagen. Dennoch drängt sich der Verdacht auf, es hier mit einer Superfrau der Reformationszeit zu tun zu haben. Dass Katharina von Boras Leben trotzdem alles andere als ein Rosengarten war, weiß eine recht gut: Katja Köhler.
Seit vielen Jahren schon schlüpft sie regelmäßig in die Rolle der Lutherin, auch am heutigen 8. März wird sie mit dem überzeugendsten Martin Luther seit Luther (= Bernhard Naumann) vor Publikum treten - auf Einladung des SPD-Ortsvereins sollen sie wie berichtet eine Stadtführung machen - anlässlich des internationalen Frauentags.
In Wittenberg erinnert nicht nur eine Bronzeskulptur auf dem Lutherhof an Katharina von Bora, sondern auch das 2018 eröffnete stationäre Hospiz der Paul Gerhardt Diakonie Berlin auf dem Gelände des evangelischen Krankenhauses Paul Gerhardt Stift: Die Einrichtung trägt den Namen von Martin Luthers Frau, weil diese auch Kranke gepflegt hat.
Auch in Torgau, dort starb Katharina von Bora 1552, erinnert an sie etwa ein Grabmonument in der Marienkirche. Zudem wurde im Rahmen der Lutherdekade von 2010 bis 2017 im Sommer der Katharina-Tag mit kulturellen Veranstaltungen begangen. Von 2011 bis 2016 war dies verknüpft mit der Vergabe des Katharina-von-Bora-Preises für herausragendes weibliches Engagement im gemeinnützigen Bereich. Der Hauptpreis war mit 3000 Euro dotiert. Diese flossen nach Auskunft von Pia Schilberg von der Stadt Torgau an das Projekt der Preisträgerin. Laut Schilberg gibt es Gespräche der Stadt Torgau mit dem Freistaat Sachsen, den Preis als Kooperation ab 2020 gemeinsam zu verleihen (Stand: Januar 2019).
Unklar ist, was von Bora von einem solchen Feiertag gehalten hätte. Von Gleichberechtigung jedenfalls haben Frauen zu ihrer Zeit vermutlich nicht zu träumen gewagt. Oder? Köhler sucht nach einer Antwort. Einerseits, sagt sie, „wäre Katharina verwundert über so einen nichtchristlichen Tag“. Andererseits war sie eine selbstbewusste Frau und als solche „hätte sie wahrscheinlich gesagt, man soll die Frau nicht nur an einem Tag ehren“.
Hätte, wäre, wenn. Wer sich mit Köhler, Jahrgang 1977, trifft, erfährt dennoch einiges über die 1499 in Lippendorf im veramten Adel geborene Katharina, die mit zehn Jahren ins Kloster kam.
Alles außer Müßiggang
Was sich hart anhört und aus Sicht eines kleinen Mädchens gewiss auch so empfunden wird, garantierte dem Kind Bildung, auch Absicherung, sagt Köhler. Wie sehr muss Katharina von Bora schließlich von den reformatorischen Ideen angetan gewesen sein, dass sie (mit weiteren Mitschwestern) diesen vergleichsweise behüteten Ort verließ? Die Flucht ist legendär, das Eintreffen im weltlichen Alltag in Wittenberg muss schwierig gewesen sein.
„Da war der Aufenthalt bei Cranachs eine Riesenhilfe“, meint Köhler, die annimmt, dass Barbara Cranach in dieser Zeit für die entlaufene Nonne eine „mütterliche Freundin“ wurde. Im weltlichen Leben versorgt wurden die Nonnen durch Verheiratung, wobei sich die Eheanbahnung im Fall von Katharina nicht einfach gestaltete. Kaspar Glatz etwa lehnte sie ab, den bevorzugten Hieronymus Baumgartner bekam sie nicht. Warum dann nicht gleich der Reformator selbst?
An die Eheschließung, Luther war zu diesem Zeitpunkt 42, wird in Wittenberg nun bald zum 25. Mal mit einem Stadtfest im Juni erinnert. Das ist eine große Party, die mit der rauen Lebenswirklichkeit der Protagonisten von damals nichts zu tun hat.
Müßiggang gab es keinen - allein an dem Pensum, das Katharina tagein und tagaus zu bewältigen hatte, würde heute wohl manche(r) verzweifeln oder sich ins Burn-out flüchten. „Die Tage waren vollgepackt mit Arbeit, da gab es keine Muße“, sagt Köhler und auch, dass Frau Luther, aufstand sobald es hell wurde, weshalb Herr Luther sie gelegentlich „mein Morgenstern“ nannte.
In einem Punkt hatte, um wieder auf den internationalen Frauentag zurückzukommen, Katharina Luther offenbar aber die Nase vorn, anders gesagt: Ihr widerfuhr, zumindest zu Spitzenzeiten, eine Art Lohngerechtigkeit. Jedenfalls berichtet Köhler davon, dass Luther als Professor 200 Gulden im Jahr erhalten hat, derweil die Gattin mit ihren diversen Einnahmen unter anderem aus Studentenunterkünften, Landwirtschaft oder Brauerei „fast genauso viel verdient hat“.
All dies änderte nichts daran, dass es um Katharinas Versorgung im Alter nicht zum Besten bestellt war, zumal nach Luthers Tod, dabei hatte dieser sie im Testament sogar als Alleinerbin eingesetzt. Das widersprach jedoch dem damals geltenden Recht. Sechs Jahre später starb schließlich auch Katharina, nachdem sie sich auf der Flucht vor der Pest bei Torgau bei einem Unfall schwere Verletzungen zugezogen hatte. Torgau sollte sie nicht mehr verlassen, im 21. Jahrhundert erinnerte man dort an die starke Frau aus dem 16. Jahrhundert mit einem Katharina-Tag.
Vertrauen ins Leben
Und Köhler? Sie ist nicht nur von-Bora-Darstellerin, sondern auch Teamleiterin der Kulturellen Bildung bei der Stiftung Luthergedenkstätten in Sachsen-Anhalt. Und Stadtführerin. Und: Mutter dreier Kinder. Über einen Mangel an Arbeit kann auch sie nicht klagen. Der internationale Frauentag nimmt in ihrem Leben aber keinen besonderen Stellenwert ein, wiewohl sie schätzt was erkämpft wurde. Und dann sagt sie schöne Dinge in Erinnerung an Frau Luther: „Tough sein, etwas aushalten, das kann man von ihr lernen.“ Auch geduldig zu sein, großzügig. Und manchmal müsse man einfach ins Leben und darauf vertrauen, dass etwas gut wird. „Wir denken nur, dass wir die Zügel in der Hand halten.“
(mz)