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Franziskanerklosterkirche in Wittenberg Franziskanerklosterkirche in Wittenberg: Historische Stadtinformation erinnert an Geschichte der Askanier

Von Irina Steinmann 28.10.2015, 14:54
Im Februar 2009 waren die Gebeine der Fürstenfamilie bei archäologischen Grabungen in einer gemauerten Gruft unter der ehemaligen Klosterkirche der Franziskaner am Arsenalplatz zufällig entdeckt worden.
Im Februar 2009 waren die Gebeine der Fürstenfamilie bei archäologischen Grabungen in einer gemauerten Gruft unter der ehemaligen Klosterkirche der Franziskaner am Arsenalplatz zufällig entdeckt worden. Klitzsch Lizenz

Wittenberg - Es dauert eine Weile, bis sich die Augen ans Dunkel gewöhnt haben. Da hinten also ist die Apsis, hohe gotische Fenster, davor zwei mächtige steinerne Sarkophage. Wer hier eintritt, dämpft automatisch die Stimme, wie in der Kirche eben oder im Museum. Dabei ist das hier weder das eine noch das andere. Es ist die „Historische Stadtinformation“, das Haus, mit dem Wittenberg, die Nicht-immer-nur-Lutherstadt, sich seiner Geschichte als Residenz der Askanier erinnern will. Verdammt lang her. Aber was ist das jetzt? Die Apsis löst sich auf, verschwindet.

1.500 Quadratmeter Geschichte

„Jetzt kommen die Ritter“, sagt der Nachbar. Karl-Heinz Steck weiß das ganz genau. Er hat schließlich maßgeblich mit an der Illusion gearbeitet. An dieser und all den anderen, die seit Mittwoch auf 1.500 Quadratmetern Licht in ein Stück Dunkel der Geschichte des oft als Bindestrich-Land verkannten Sachsen-Anhalts bringen sollen.

Steck selbst war das ja kaum anders ergangen. „Und dann bin ich zum ersten Mal in meinem Leben nach Sachsen-Anhalt gekommen“, berichtet der Österreicher, ein international bekannter und anerkannter Bühnenbildner vor allem im Opernfach. Zwei Jahre ist das her, gerufen hatte ihn Harald Meller, der Chefarchäologe des Bindestrich-Landes, der gegenüber der Stadt, dem Land, und ja, ein wenig auch der Welt, ein vollmundiges Versprechen abgegeben hatte: „Nie Gesehenes“ würde er in der Ruine der alten Franziskanerklosterkirche auf dem ebenso zentralen wie jahrzehntelang vernachlässigten Arsenalplatz etablieren. „Einen emotionalen Raum mit Information“ (Steck) zu erschaffen, das war der Auftrag des Landesamtes für Denkmalpflege und Archäologie, an ihn und die anderen beteiligten Künstler. Vorausgegangen war der überraschende Fund der Gebeine von Kurfürst Rudolf II. während archäologischer Grabungen in der früheren Kirche im Februar 2009.

Verschiedene Schichten transparenten Stoffs, verbunden mit einer ausgeklügelten Beleuchtung, sorgen für die perfekte Illusion. Erst schemenhaft, dann immer deutlicher, treten „die Ritter“ - Platzhalter fürs Mittelalter - hinter die Sarkophage. Wappen tauchen auf, das der Askanier, das heutige Landeswappen. Um diesen Bezug schließlich geht es, um die Verbindung des Reiches Sachsen-Wittenberg der Askanier, Kurfürsten des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation, mit Sachsen-Anhalt heute. An den Seitenwänden des Kirchenschiffs tauchen jetzt, Kirchenfenstern ähnlich, farbige Flächen auf, neun Stück für neun Kurfürsten von Albrecht dem Bären, der mit der Zweiteilung seines Reichsgebiet 1220 quasi die Basis für das Bundesland schuf, bis zum unglückseligen Albrecht III., mit dessen Flammentod in Lochau (Annaburg) die Wittenberger Linie 1422 erlosch. Und da ist auch schon die Hauptperson, der Auslöser, Rudolf II. (ca. 1307 bis 1370) - blutrot schälen sich seine Konturen aus dem Bunt der Ahnengalerie. Unverzerrt lässt er sich nur vom Chorportal der „Kirche“ aus betrachten, erläutert Steck. Das Portal, geborgen aus der Erde der vormaligen Kirche, steht seit 1760 erstmals wieder aufrecht, berichtet Jens Brauer vom Landesamt, der für die Inhalte der Präsentation verantwortlich ist.

Anders als im Seitenschiff, wo es mehr (Lese-)Fakten und zu diesem Zweck auch etwas mehr Licht gibt, habe man im Hauptraum eine weitgehend schriftlose Darstellung gewählt, so Brauer, inspiriert von der Bilderwelt des Mittelalters.

Letzte Ruhestätte

Exakt 7,5 Minuten dauert ein Farb- und Formenwechsel in Dauerschleife. Grandiose Illusion ist vieles aber nicht alles in der Historischen Stadtinformation, die am Mittwoch mit einer Festveranstaltung eröffnet worden ist: Im Seitenschiff, am originalen Fundort, haben Rudolf II., seine Frau und seine Tochter nun ihre letzte Ruhestätte gefunden, die so genannte Wiederbeilegung - nicht: Bestattung - fand im Rahmen einer ökumenischen Andacht statt. Ab Donnerstag ist die Historische Stadtinformation, wo nun ein ganzes Land seine Wurzeln suchen kann, für alle geöffnet. Das Kombi-Ticket, das auch zum Eintritt ins Stadtmuseum berechtigt, kostet zwei Euro. (mz)