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Flüchtlingskinder an der Grundschule Flüchtlingskinder an der Grundschule: Eltern und Lehrer rufen Politik um Hilfe

Von Irina Steinmann 18.04.2018, 14:03
Grundschule „Geschwister Scholl“ in Wittenberg
Grundschule „Geschwister Scholl“ in Wittenberg Thomas Klitzsch

Wittenberg - Die Geschwister-Scholl-Schule ist anders als alle anderen Grundschulen in Wittenberg. Das fängt schon bei der Leitung an - der Schulleiter, Mario Knopf, leitet eigentlich die Schule in einer anderen Stadt, im Coswiger Ortsteil Jeber-Bergfrieden, und macht die „Geschwister Scholl“ kommissarisch mit. Das geht, krankheitsbedingt, seit bereits knapp einem Jahr so.

Hart an der Kante zwischen dem dörflichen Friedrichstadt und der Blockstruktur der DDR-Altneubauten am Lerchenberg gelegen, machte die Bildungseinrichtung zudem im vergangenen Juni auch überregional Schlagzeilen, als sie, mangels Personal, die Eltern ersuchte, ihre Kinder bitte, bitte für zwei Tage zu Hause zu behalten. Das nur als Ausgangslage - und weil auch in diesem Fall alles mit allem zusammenhängt.

68 von 281 neu im Land

Just die Wittenberger Grundschule „Geschwister Scholl“ ist in der Lutherstadt auch die Schule mit dem höchsten Anteil an Kindern mit frischem Migrationshintergrund: 68 von insgesamt 281 Schülern und damit rund ein Viertel der dort lernenden Jungen und Mädchen sind mit ihren Eltern erst vor wenigen Jahren nach Deutschland gekommen. „Die Konzentration ist stark“, sagt Knopf unumwunden.

So stark, dass sich die Elternschaft - laut Knopf ausdrücklich unterstützt von den Lehrern - unter anderem auch schriftlich an die Stadt gewandt hat mit der Bitte um Unterstützung.

Es gab Ortstermine, zuletzt schaute sich in der vergangenen Woche etwa die Linke in Begleitung ihres Bildungsexperten und auch für Wittenberg zuständigen Landtagsabgeordneten Thomas Lippmann an der Schule um, was der Chef der Linke-Fraktion im Stadtrat und Vorsitzende des auch für die Schulen zuständigen Kulturausschusses, Horst Dübner, im jüngsten Hauptausschuss öffentlich gemacht hatte.

„Die Schwierigkeiten sind sehr nachvollziehbar“, sagt Lippmann, der vor seiner Abgeordnetentätigkeit lange Jahre Chef der Lehrergewerkschaft GEW gewesen war. „Verzweiflung“ und „Ungeduld“ habe er bei den Lehrern und in der „engagierten Elternschaft“ verspürt. Landesweit betrachtet sei die Situation an der Geschwister-Scholl-Schule zwar „kein Einzelbeispiel“, allerdings gelte eben auch hier wie überall: „Integration hat in erster Linie mit Spracherwerb zu tun“ - und gelinge besonders gut eben bei kleinen Kindern.

Wenn die Voraussetzungen stimmen, was sie an dieser Wittenberger Grundschule aber eben offenkundig nicht tun, da es dort einfach zu viele Kinder gibt, deren Sprache zu Hause nicht Deutsch ist.

Die Integration ist laut Schulleiter Knopf vielmehr „schwierig“, da es „verschiedene Lernausgangslagen“ gebe - und sich auch die Zusammenarbeit mit den Eltern der betroffenen Kinder mangels sprachlicher Verständigung als „kompliziert“ erweise. Dass der Verein „Salam“ in solchen Fällen künftig möglicherweise als Dolmetscher fungieren wird, wie von Dübner kommuniziert, wäre in der Tat eine Erleichterung, so Knopf.

Bessere Verteilung

Eine Chance, die Situation auch an der Wittenberger Geschwister-Scholl-Schule zu verbessern, sieht Lippmann in einer Novellierung des Schulgesetzes, die möglicherweise noch mit positiven Folgen bereits für das kommende Schuljahr gelingen könnte. Demnach soll das Landesschulamt Kinder von Migranten auch einer anderen Schule - als wie üblich der wohnortnächsten - zuweisen können, wenn sich nur so der „Bildungserfolg“ erreichen lasse.

Freilich verlangten solche „Einzelfall“-Abweichungen von der gewohnten Regel der festen Einzugsbereiche „Sensibilität“, so Lippmann, wenn es darum geht, Eltern und neu aufnehmende Schulen dafür zu gewinnen. Für die Geschwister-Scholl-Schule, wo sich der Anteil der Schüler mit Migrationshintergrund gemäß Anmeldungen für 2018/2019 sogar noch erhöhen dürfte, wäre eine derartige Änderung freilich rundweg ein Segen.

Unabhängig davon arbeitet die Stadt Wittenberg an einer Veränderung der Einzugsbereiche aller ihrer Grundschulen. Ein erster Entwurf werde im zweiten Halbjahr vorliegen, sagte Bürgermeister Jochen Kirchner. Ein möglicher Neuzuschnitt solle allgemein der demografischen Entwicklung Rechnung tragen. So könnte sich auch die Situation an der Geschwister-Scholl-Schule entspannen, die wie gesagt nicht nur den höchsten Anteil ausländischer Schüler in der Stadt aufweist, sondern eben auch ausgesprochen gut besucht ist.

Das gibt Hoffnung angesichts bestehender Raumprobleme und einem Lehrkörper, der sich krankheitsbedingt immer wieder als auf Kante genäht erwiesen hat. Zumindest die Schulleiter-Stelle soll, wie es heißt, nun ausgeschrieben werden - bis zum Schuljahresende werde er weiterhin „ordentliche Arbeit machen“, kündigte Doppel-Schulleiter Mario Knopf an.

Die regelmäßigen Beratungen der diversen Beteiligten - von den Eltern und Lehrern über Stadt und Kreis bis zum Landesschulamt - gehen Kirchner zufolge unterdessen im Juni in die nächste Runde. Er habe den Eindruck, „dass alle zu einer Lösung beitragen wollen“, sagte der Bürgermeister. Auch das Raumproblem soll gelöst werden, dank Doppelnutzung einiger Räume durch Schule und Hort, wie sie laut Anett Brachwitz, Geschäftsführerin des Eigenbetriebs „KommBi“, an einigen anderen Wittenberger Schulen schon praktiziert werde.

Vater lobt Engagement

Der Vorsitzende des Elternrats, Sven Richter, zeigte sich gegenüber der MZ erfreut, dass jetzt offenkundig einiges „in Bewegung“ geraten sei, um sich der „Herausforderung, die andere Schulen nicht haben“, besser stellen zu können. Die Neuankömmlinge bedürften einfach einer anderen Unterstützung, setzt er auch große Hoffnung in einen Dolmetscher.

Eines freilich, findet Richter, sollte man bei allen Schwierigkeiten nicht vergessen: Die Lehrer seiner Schule seien hoch engagiert. Wenn sie das bald unter günstigeren Bedingungen sein können - umso besser. (mz)