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Gedenkrundgang am 9. November Erinnerung wachhalten: Was die Stadt Wittenberg anlässlich der Novemberpogrome geplant hat

Die Stadt Wittenberg gedenkt der Opfer der Reichspogromnacht am 9. November. Neben dem Gedenkrundgang wird zum Reinigen der Stolpersteine aufgerufen. Was außerdem geplant ist.

Von Paul Damm 23.10.2024, 18:01
Gedenkveranstaltung zur Erinnerung an die Reichspogromnacht an der Mahnstätte der Stadtkirche in Wittenberg
Gedenkveranstaltung zur Erinnerung an die Reichspogromnacht an der Mahnstätte der Stadtkirche in Wittenberg (Foto: Thomas Klitzsch)

Wittenberg/MZ. - „Die Stadt zeigt Gesicht“,beschreibt es Wittenbergs Oberbürgermeister Torsten Zugehör (parteilos) treffend: Am Sonnabend, 9. November, wird die Lutherstadt zum wiederholten Mal ein Zeichen setzen; gegen das Vergessen und für das Gedenken an die zahlreichen Opfer der Novemberpogrome von 1938. Es soll aber nicht nur ein Rückblick auf die Vergangenheit sein, betont das Stadtoberhaupt: „Es geht darum, auch unsere Verantwortung als Gesellschaft wahrzunehmen.“

In Zusammenarbeit mit der Evangelischen Akademie, der Stadtkirchengemeinde, dem Kreisverband der AWO und weiteren Partnern organisiert die Stadt Anfang November eine Reihe von Veranstaltungen, die am Dienstag im Rahmen des städtischen Pressetermins vorgestellt wurden. Diese sollen nicht nur der Opfer des Nationalsozialismus gedenken. Sie sollen auch ein klares Signal gegen Ausgrenzung und Hass setzen.

Start am Melanchthonhaus

Ein zentraler Bestandteil des Pogromgedenkens ist erneut der Gedenkrundgang, der am 9. November um 18 Uhr – diesmal am Wittenberger Melanchthonhaus startet – und an der Stadtkirche endet. Wie Studienleiter Tobias Thiel von der Evangelischen Akademie sagt, sei es durch die neue Streckenführung möglich, den Rundgang noch ein wenig zu erweitern.

Oberstufenschüler des Gymnasialstandortes Wittenberg werden den Rundgang gestalten und „tragen durch Redebeiträge zur Erinnerung an individuelle Schicksale bei“, informiert AWO-Respektcoach Markus Richter. Er betont: „Die Schüler haben sich intensiv mit historischen Quellen auseinandergesetzt und möchten der Stadtgesellschaft die Folgen von Ausgrenzung und Antisemitismus aufzeigen.“

Der Rundgang am 9. November soll nach rund einstündigem Weg gegen 19 Uhr an der Wittenberger Stadtkirche enden, die nicht nur wegen ihrer historischen Bedeutung als Ort der Reformation, sondern auch durch die umstrittene Judensau-Schmähplastik eine besondere Rolle im Gedenken spielt. „Es ist bewusst gewählt, dass wir den Rundgang hier beenden“, erklärt Stadtkirchenpfarrer Matthias Keilholz.

„Diese Kirche steht einerseits als Symbol für die christliche Verantwortung gegenüber dem Judentum.“ Andererseits werde dort auch die historische Last der christlichen Judenfeindlichkeit sichtbar, die bis heute kontrovers diskutiert werde, teilt Keilholz darüber hinaus mit. An der Stadtkirche soll es ein geistliches Wort sowie einen gesanglichen Abschluss geben, um den Rundgang in einem gemeinschaftlichen, zugleich aber auch nachdenklichen Rahmen zu beenden, heißt es weiter.

Ein weiterer wichtiger Teil des Gedenkens ist zugleich auch die „Stolperstein-Aktion“, bei der Schüler des Gymnasiums bereits am 8. November Stolpersteine, die an jüdische Opfer des Nationalsozialismus erinnern, reinigen. Diese Steine, die im Straßenpflaster verlegt sind, sollen durch das Putzen wieder in den Blick der Öffentlichkeit gerückt werden. Insgesamt seien nach Auskunft von Markus Richter mehr als 30 Stolpersteine an mehr als 16 verschiedenen Standorten in Wittenberg angebracht. Wie Zugehör ergänzt, sind alle Bürger ab 14 Uhr eingeladen, sich am Wittenberger Marktplatz an der gemeinsamen Putz-Aktion zu beteiligen.

Schicksale stehen im Fokus

Neben dem Gedenkrundgang und der Stolperstein-Aktion bietet die Veranstaltung „(un)vergessene Nachbarn“ am 6. November eine weitere Möglichkeit, sich intensiv mit der Geschichte der jüdischen Bürger Wittenbergs auseinanderzusetzen, informiert Studienleiter Tobias Thiel am Dienstag.

Der Rundgang, der von der Wittenberger Volkshochschule in Zusammenarbeit mit Reinhard Pester organisiert wird, rückt die individuellen Schicksale hinter den Stolpersteinen in den Fokus. Es ist eine Gelegenheit, sich auf eine tiefere, aber auch persönliche Ebene mit den Opfern des Nationalsozialismus zu beschäftigen und mehr über das Leben der Menschen zu erfahren, die einst Teil der Stadtgesellschaft waren.

Torsten Zugehör knüpft daran an: „Die Stolpersteine erinnern uns daran, dass hinter jedem Namen ein Leben, eine Familie, eine Geschichte steckt, die durch den Nationalsozialismus zerstört wurde.“ Um eine Anmeldung am Rundgang wird gebeten.