Ein Info-Abend, eine Anzeige und Dementis
Wittenberg/MZ. - Der Internationale Bund (IB) hat gegen Enrico Specht - den Geschäftsführer des Wittenberger Geschäftes "Rodberg", das Thor-Steinar-Bekleidung verkauft - Strafanzeige gestellt. "Wir sind im Vorfeld der Veranstaltung bedroht worden, um uns abzuhalten, sie durchzuführen", sagt IB-Geschäftsführer Michael Werner. Über den genauen Wortlaut schweigt sich Werner aus, weil das Verfahren läuft. Den Eingang der Strafanzeige bestätigt der Pressesprecher der Polizeidirektion Dessau, Jochem Steinbiß: "Es liegt eine Anzeige wegen Störung des öffentlichen Friedens durch Androhung von Straftaten vor", sagt er.
Specht selbst widerspricht den Vorwürfen vehement: "Die Anzeige entbehrt jeder Grundlage." Tatsächlich sei er am vergangenen Freitag beim IB gewesen, um Bedenken gegen die Veranstaltung zu äußern. Er habe befürchtet, dass Personen aus der linken Szene, die bekanntermaßen solche Termine besuchten, anschließend seinen Laden demolieren könnten. "Mir wurden ja schon mehrmals Fensterscheiben eingeworfen und Rollläden ramponiert", so Specht.
Tatsächlich ging es bei der Veranstaltung, die von Stadt, Internationalem Bund, Kreiskinder- und Jugendring sowie Alexander Kuhn, einem Jugendlichen aus Leipzig organisiert worden war, gar nicht um den Wittenberger Laden selbst. Vielmehr sollte sie Aufschluss über Hintergründe und Geschichte des Modelabels sowie dessen mutmaßlichen Zusammenhang mit der rechten Szene geben. "Das penetrante Unwissen über die in der rechten Szene populäre Modemarke ist fast genau so groß wie das Interesse an Informationen darüber", erklärte Charlotte Schiller, Referentin vom Antifaschistischen Pressearchiv und Bildungszentrum Berlin, an diesem Abend.
Mit dem Strukturwandel in der rechten Szene, die seit einiger Zeit nicht mehr im martialischen Skinhead-Look auftrete, habe auch die Marke Thor Steinar, die Axel Kopelke aus Königs Wusterhausen mit der Firma Mediatex vertreibt, einen Aufschwung erfahren. "Die Freizeitbekleidung bedient den Trend der Rechten, die mit eher unauffälligen Outfits nach gesellschaftlicher Akzeptanz streben", erklärte Frau Schiller. "Auch wenn Thor Steinar nicht mehr vordergründig der rechten Szene zuzuordnen ist, die Kontakte dorthin bestehen nach wie vor, und es gibt keinen Aufmarsch der Rechten ohne Thor Steinar."
Die Symbolik der Marke sei so schwer kodiert, dass es für alle, die sich nicht damit beschäftigen, sehr schwierig sei, das zu erkennen. "Und so trifft die Mode auch den Nerv von Jugendlichen, die sich nicht als Rechte definieren", sagte Frau Schiller, warum es wichtig sei, hier Aufklärungsarbeit zu leisten. Denn obwohl das Label noch verhältnismäßig jung ist, habe es schon Gerichte und Verfassungsschutz beschäftigt (siehe Kasten).
Seit 2005 wird die Marke verstärkt in Thor-Steinar-Geschäften, die es mittlerweile in vielen Bundesländern gibt, vertrieben. Eines davon existiert seit Oktober 2005 auch in Wittenberg. "Neben Bergwitz zählt es zu den wichtigsten informellen Treffpunkten der rechten Szene im Landkreis", bekräftigt Steffen Andersch vom Dessauer Projekt "Gegenpart" nach wie vor.
Doch auch hier widerspricht Specht. "In meinem Laden werden keine politischen Themen erörtert, ich selbst gehöre keiner Szene an", versichert Specht. "Von einem informellen Treffpunkt kann keine Rede sein." Ähnlich positioniert sich Thor-Steinar-Hersteller Mediatex zum Ruf, die Marke habe einen politischen Hintergrund. Uwe Meusel, Geschäftsführer der Mediatex spricht von einer Kampagne, von "Lügen und Unwahrheiten". Meusel: "Wir sind eine Textilfirma und machen keine Politik."
Das allerdings sieht ausgerechnet das Oberlandesgericht Brandenburg, das ein Verbot des alten Thor-Steinar-Logos aufgehoben hatte, etwas anders: "Der Senat verkennt nicht, dass die Textilien der Marke "Thor Steinar" durch farbliche Gestaltung und verwendete Aufschriften gerade Personen der rechtsextremen Szene ansprechen und dies mutmaßlich vom Hersteller auch so beabsichtigt ist."