Doppelbildnis von Cranach d. J. kehrt zurück nach Zerbst Doppelbildnis von Cranach d. J. kehrt zurück nach Zerbst: St. Bartholomäi holt fast vergessenes Kunstwerk aus dem Depot
Zerbst - Jetzt oder nie – das dachte sich Pfarrer Albrecht Lindemann, als das Cranach-Jahr ausgerufen wurde. Die Gelegenheit, der Gemeinde ein Geburtstagsgeschenk zu machen, schien günstig wie nie. Die Kirche St. Bartholomäi in Zerbst hat erst Mitte September ihre Ersterwähnung gefeiert. 1215 taucht die einstige Hofs- und Stiftskirche erstmals in Papieren auf. 800 Jahre später kann sie sich wieder über ein besonderes Ausstattungsstück freuen, das nur noch wenige Zerbster vor 1945 in der Kirche erinnern: ein Doppelbildnis von Cranach dem Jüngeren, derzeit zu sehen in der Cranach-Landesausstellung im Dessauer Johannbau. „Mehr als 50 Jahre war es in Halle ausgelagert, aber jetzt kommt es bald wieder zu uns“, sagt Pfarrer Lindemann, dessen Gotteshaus ein besonderes im Reigen der Cranach-Kirchen ist.
Wer kann schon im Kirchenschiff ein Feuer machen und unter Gottes Sternenhimmel lagern? Dann läuft man ein paar Schritte und ist im Querschiff, in dem die Gemeinde den Gottesdienst feiert. St. Bartholomäi ist Ruine, zerstört im April 1945 bei amerikanischen Bombenangriffen und zugleich auch Ergebnis des „Sonderbauprogramms des Bundes der Evangelischen Kirchen in der DDR“. In den letzten Jahren dieses Staates wurden Kirchen im Land saniert und rekonstruiert. St. Bartholomäi war mit dabei. Schon nach 1951 nutzte die Gemeinde den Chor und das Querschiff als Gottesdienstraum, bis zum Sonderbauprogramm war das Querschiff nur durch ein Pappdach gedeckt und mit einer Ziegelmauer zum Ruinenteil abgetrennt. Die Glaswand aus den späten Jahren der DDR erlaubt seitdem, dass die Kirche von jedem Punkt aus als ganzes Gotteshaus zu sehen ist.
Fundstück in Halle
So traf sie auch Pfarrer Albrecht Lindemann an, als er 2013 nach Zerbst kam. In alten Papieren stieß er auf die Existenz des Portraits der Fürsten Wolfgang und Joachim von Anhalt, gemalt von Cranach d. J. um 1565 im Auftrag des Fürsten Wolfgang. „Es wusste kaum noch jemand, dass dieses Gemälde zu uns gehört“, so Lindemann. Im Landesamt für Denkmalpflege in Halle, wo es seit den 1950er Jahren eingelagert war, „hat man sich gefreut, als wir uns meldeten“.
Um das Gemälde zu einem Höhepunkt innerhalb der Cranach-Ausstellung in Dessau zu machen, war es zuvor eine Herausforderung für die Restauratoren. Gezielte Übermalungen geben auf dem Leinwandbild Auskunft über die Konfessionswechsel der anhaltischen Fürsten. Ursprünglich war auf dem Gemälde die Wiedergabe der Dreifaltigkeit des Heiligen Geistes zu sehen. Durch die Darstellung der beiden Fürsten waren der Kirchengemeinde zwei Fürsten der Generation, die das Luthertum in Anhalt eingeführt hatten, dauerhaft präsent. Die erste Übermalung erfolgte wohl im Zusammenhang mit der Einführung des Calvinismus 1596. Die Figur Gottes galt als weder zeig- noch schaubar. Dunkelgrüne Vorhänge wurden zur Verhüllung der Heiligen Dreifaltigkeit in das Bild eingefügt. 1853 wurde das Bild ein weiteres Mal verändert.
Wenn es nach der Ausstellung wieder in Zerbst ankommt, hat Pfarrer Lindemann für diesen neuen alten Cranach schon einen Platz auserkoren. „Es soll in der Winterkirche angebracht werden“, erzählt er. Zuvor wird sie hergerichtet, denn „das Sonderbauprogramm war damals gut gedacht, aber die Ausführung nicht“. Die Gebläseheizung hat dunkle Spuren an den Wänden hinterlassen. „Da müssen wir eingreifen“, sagt Lindemann. Fördermittel seien beantragt. Die werden auch benötigt, um das Wolfgang-Epitaph von Cranach d. J. besser zu schützen. Sein Platz an der Nordwand ist durch Sonneneinstrahlung nicht optimal für das große Gemälde, das die Taufe Jesu durch Johannes darstellt.
Und auch hier ist wieder Fürst Wolfgang von Anhalt (1492-1566) präsent. Der Freund Luthers kniet am Ufer. Über den Köpfen von Jesus und Johannes erstreckt sich das Elbufer mit der Silhouette von Wittenberg. „Die Dessauer loben immer ihren Fürst Georg, aber gegen unseren Wolfgang war der ein Weichei“, formuliert Lindemann handfest die Bedeutung des Fürsten für die Stadt. Wolfgang war der erste anhaltische Fürst, der den neuen Glauben in seinem Landesteil einführte. Bis zu ihrer Zerstörung 1945 war die Kirche St. Bartholomäi nahezu genauso erhalten, wie sie der Fürst erlebte.
Festschrift zum Jubiläum
Ganz detailliert berichtet davon die Festschrift zum Jubiläum von St. Bartholomäi. Sie ist ein mehr als 150-seitiges Buch und wurde beim Festgottesdienst am 20. September präsentiert. „Ein Jahr haben wir daran gearbeitet“, sagt der Pfarrer und empfiehlt auch die DVD zum Buch mit „Interviews von Zerbstern, die die alte Kirche noch im Herzen haben“. Zahlreiche Kunsthistoriker und Theologen konnten mit Aufsätzen für das Buch gewonnen werden, das den Zerbstern eine Erinnerung an die Geschichte ihrer besonderen Kirche ist. Dass dies nicht nur in Worten lebendig gehalten wird, ist Pfarrer Lindemann wichtig.
„Wir können stolz auf die Fülle der Veranstaltungen in diesem Jahr sein“, meint er und hebt die Cranachpredigten zu Holzschnitten aus der Zerbster Prunkbibel hervor. Am Reformationstag werde es den nächsten Termin geben, gleich tags darauf ein Festkonzert der Zerbster Kantorei mit der „Krönungsmesse“ von Mozart. Bereits an diesem Sonntag holt sich die Bartholomäikirche mit dem Schauspiel „Adams Schlange“ einen Cranach der lebendigen Art ins Haus. Gespielt wird unter den Blicken von Fürst Wolfgang. (mz)