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Podiumsdiskussion in Wittenberg So brisant wird die Europawahl im Juni

Eine Podiumsdiskussion in Wittenberg zur Europawahl gerät kurzweilig, bleibt aber meist weit vom eigentlichen Thema entfernt. Der Ministerpräsident bringt die Brisanz auf den Punkt.

Von Andreas Hübner Aktualisiert: 05.04.2024, 10:36
Knapp 100 Gäste aus den verschiedensten Altersgruppen wurden zum EU-Bürgerdialog empfangen.
Knapp 100 Gäste aus den verschiedensten Altersgruppen wurden zum EU-Bürgerdialog empfangen. (Foto: Thomas Klitzsch)

Wittenberg/MZ. - Erst nach 75 Minuten brachte der Ministerpräsident des Landes Sachsen-Anhalt Reiner Haseloff (CDU) die Brisanz der kommenden Europawahl auf den Punkt: „Gerade diese Europawahl ist eine Schicksalswahl.“ Er habe das als Politiker natürlich schon bei vielen Wahlen gesagt. Immer dann, wenn rechts- oder linksgerichtete Kräfte das Rad der Geschichte zurückdrehen wollen. „Wenn die Parteien der demokratischen Mitte im Europäischen Parlament keine Mehrheit mehr haben, dann steht Europa in gewisser Weise beginnend zur Disposition.“

Knapp 100 Gäste

Haseloff wolle sicher nicht „den Teufel an die Wand malen“ und gemeinsam mit den Gästen eher „optimistisch aus der Veranstaltung herausgehen“, erklärte er. Daher forderte er die Besucher zu einem kleinen Gedankenspiel auf. „Man stelle sich alles, was wir heute diskutiert haben, mal wieder weggenommen vor. Dann, denke ich mal, ist jedem klar, dass er zur Wahl zu gehen hat.“

Knapp 100 Gäste folgten am Dienstagabend der Einladung zum EU-Bürgerdialog in das Auditorium der Stiftung Leucorea in Wittenberg. Nach etwa eineinhalb stündiger Podiumsdiskussion ergab eine durchgeführte Umfrage, dass 88 Prozent von 33 befragten Besuchern ihre Chance am 9. Juni dieses Jahres wahrnehmen und an den Europawahlen teilnehmen werden. Reiner Haseloff betonte, dass er sich über eine solch hohe Wahlbeteiligung natürlich freuen würde.

Entscheidende Frage kommt zu kurz

Dieses Ergebnis hätte am Ende der Veranstaltung sogar noch höher ausfallen können, denn obwohl der Abend – den Tino Grosche in amüsanter Art und Weise moderierte – sicher kaum unterhaltsamer hätte sein können, kam die entscheidende Frage, warum jeder am 9. Juni zu den Europawahlen gehen sollte, für manchen Gast zu kurz.

Mit dem bereits erwähnten Gedankenspiel bezog sich der Ministerpräsident auf die Dinge, welche Teilnehmern und Gästen als Erstes in den Sinn kommen, wenn sie an die Europäische Union denken. Begriffe wie Reise- und Meinungsfreiheit, Binnenmarkt, Vielfalt, Demokratie und Sicherheit wurden dabei von vielen genannt, aber auch das Wort Uneinigkeit.

Ein Zeichen von Nähe

„Uneinigkeit ist vielleicht auch ein Zeichen für Nähe“, definierte Anja Aichinger, Direktorin der fusionierenden Wittenberger Gymnasien, „wenn man nah beieinander und eng verbunden ist, dann kommt automatisch Uneinigkeit auf.“ Das passiere in Familien, in Klassenverbänden oder auch in Schulen. „Das ist konstruktives Austauschen“, sagte sie.

Sie persönlich verbinde mittlerweile den Begriff Selbstverständlichkeit mit Europa. „Für mich ist die Europäische Union in den letzten Jahrzehnten zu einer Selbstverständlichkeit geworden, die man immer weniger hinterfragt“, erklärte sie. Haseloff griff diesen Gedanken gerade vor dem Hintergrund der Bewegungsfreiheit innerhalb der Mitgliedsstaaten der EU später noch einmal auf. „Was wir als selbstverständlich betrachten, ist weltweit die Ausnahme“, sagte er.

Persönlich geprägt

Haseloff betonte, dass die Landesregierungen viel näher an der Europäischen Kommission dran seien, als man vermuten sollte und erwähnte in dem Zusammenhang auch, dass der größte Teil des Geldes, über das die Magdeburger Regierung verfüge, aus Fördertöpfen der EU komme. „Man kommt an die Kommissare selber heran“, sagte er und sprach von einem „sehr persönlich geprägten Netzwerk“, das man auch zur Regierung in Brüssel pflege.

Aichinger betonte, dass auch für die Europawahl jede Stimme zähle und forderte jeden einzelnen auf, sorgsam mit dieser Stimme umzugehen. Barbara Gessler, erst seit wenigen Wochen EU-Kommissionsvertreterin in Deutschland, erinnerte in diesem Zusammenhang an die Entscheidung zum Ausstieg Großbritanniens aus der EU. „Den Austritt haben letztendlich die entschieden, die nicht hingegangen sind zum Abstimmen“, sagte sie.

Hohe Wahlbeteiligung kann Einfluss erhöhen

Haseloff forderte alle Wittenberger und Sachsen-Anhalter auf, am 9. Juni wählen zu gehen und mit der Stimme eine Partei der demokratischen Mitte zu stärken. Eine äußerst hohe Wahlbeteiligung im Bundesland könne dafür sorgen, dass der Einfluss Sachsen-Anhalts erhöht werde. Es werde wahrscheinlich nur ein Kandidat aus Sachsen-Anhalt unmittelbar hereinkommen ins Europa-Parlament, wenn die Wahlbeteiligung aber sehr gut sei, vielleicht zwei.

Tino Grosche  hat das Podiumsgespräch mit Reiner Haseloff, Barbara Gessler und Anja Aichinger (von links) moderiert.
Tino Grosche hat das Podiumsgespräch mit Reiner Haseloff, Barbara Gessler und Anja Aichinger (von links) moderiert.
(Foto: Thomas Klitzsch)