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Augustinuswerk Wittenberg Augustinuswerk Wittenberg: "Anfänge waren aufregend"

Von Andreas Benedix 08.04.2016, 18:12
Jubiläumsfeier in Wittenberg: Sandro spielte bei einem  Puppentheaterstück, das die Kinder der Einrichtung gestalteten, den Kasper.
Jubiläumsfeier in Wittenberg: Sandro spielte bei einem  Puppentheaterstück, das die Kinder der Einrichtung gestalteten, den Kasper. Klitzsch

Wittenberg - „Heute Jubeltag“ verkündet am Donnerstag ein Aufsteller vor dem Gebäude der „Begleiteten Elternschaft“ in der Wittenberger Sternstraße 53 c. Das „Augustinuswerk“ in Wittenberg begeht in diesem Jahr seinen 25. Geburtstag. Aus diesem Anlass finden von April bis November „Tage der offenen Tür“ in den zirka 20 Einrichtungen des Vereins statt. Die „Begleitete Elternschaft“ bildet dabei den Auftakt. Viele Besucher sind erschienen, um sich über diese Institution, deren Ziele und Möglichkeiten, zu informieren.

Das Leitbild des Augustinuswerkes steht unter der Prämisse, die Freiheit und Würde der zu betreuenden Behinderten, Kindern und Senioren stets zu achten. Die Förderung von Mitwirkung und Mitbestimmung der dem Verein anvertrauten Menschen folgt dem Grundprinzip der Ganzheitlichkeit. Besonderes Augenmerk wird daher darauf gelegt, nicht nur die Schwächen und Defizite des Individuums, sondern auch dessen Ressourcen und dessen Einmaligkeit zu sehen.

Der Alltag der Organisation wird aus dem christlichen Glauben heraus gestaltet. Voraussetzung für die Mitarbeit im Augustinuswerk sind ein hohes persönliches Engagement sowie die uneingeschränkte Achtung der Integrität der zu versorgenden Personen. (mz/abx)

Zu ihnen zählt auch Bernd Keitzel. Als ehemaliger Vorstand und Mitbegründer des „Augustinuswerkes“ ist er mit dieser Organisation bestens vertraut. „Die Anfänge waren sehr aufregend“, erinnert er sich. Fortfahrend erzählt Keitzel, dass sich nach der politischen Wende für christliche Gemeinschaften viele Chancen und Möglichkeiten auftaten, die Förderung behinderter Menschen zu verbessern. „Durch das Engagement von Wittenberger Bürgern sowie mit Unterstützung des Caritasverbandes aus Partnergemeinden in den alten Bundesländern war es uns schließlich möglich, diesen ökumenischen Verein zu gründen“, so der heutige Ruheständler.

Astrid Gaschler erläutert das Anliegen und die Aufgaben der von ihr geleiteten Einrichtung in der Sternstraße. Mit neun Mitarbeiterinnen betreut sie derzeit fünf geistig behinderte Mütter mit ihren insgesamt acht Kindern. „Wir arbeiten getreu unseres Leitbildes nach dem Motto, dass jeder Mensch ein Recht auf Anerkennung seiner Persönlichkeit und auf ein selbstbestimmtes Leben hat. Die Hilfen, die wir anbieten, sind daher sehr vielfältig und speziell auf die Bedürfnisse unserer jungen Muttis abgestimmt“, erläutert die engagierte Frau. Im Weiteren berichtet sie, dass die angebotenen Hilfen weit über die Bereitstellung von Wohnraum und über die hauswirtschaftliche Unterstützung hinausgehen.

Als wesentlichen Aspekt nennt sie den psycho-sozialen Bereich. „Viele unserer jungen Muttis haben ein Leben in einer Familie selbst nie kennengelernt und kein intaktes Elternhaus erlebt. Hier setzt unser Beistand an. Der Umgang mit den Kindern ist dabei besonders wichtig. Die Mütter sollen lernen, dass Nähe und Distanz ihren Töchtern und Söhnen gegenüber wesentliche Bestandteile der Erziehung sind, dass Elternliebe und das Aufzeigen von Grenzen eine Einheit bilden“, so Gaschler.

Für die Bewältigung dieser Aufgaben wurde ein Netzwerk aus den verschiedensten Organisationen und Einrichtungen geknüpft. Neben den Werkstätten des Augustinuswerkes, wo die jungen Frauen einer Arbeit nachgehen, bestehen gute Kontakte zu Ämtern, Schulen und Kindertagesstätten sowie zu Ärzten und Gesundheitseinrichtungen. Dass diese Zusammenarbeit funktioniert, zeigt auch die Anwesenheit von Vertretern der in der Lutherstadt ansässigen „Salus-Klinik“.

Lucas Krause kümmert sich in der Tagesklinik unter anderem um Kinder aus der „Begleiteten Elternschaft“. „Eines der Mädchen hat mich eingeladen. Dem bin ich natürlich gern nachgekommen. Die Räumlichkeiten hier bieten eine sehr angenehme Atmosphäre, in der es sich leben lässt“, lautet seine Einschätzung. In den Wohnungen erinnert nichts an eine unpersönliche Heimunterbringung, alle Kinder haben separate Zimmer mit einer individuellen Ausstattung. Bereitwillig präsentiert Sandra, eines der Kinder, ihr Reich. „Ich habe extra aufgeräumt und sauber gemacht“, erzählt sie. Gemeinsam mit ihrer Mutter und zwei Geschwistern hat die Siebenjährige in der Sternstraße Unterkunft gefunden und besucht wie jedes andere Kind die Schule. Besonders stolz ist sie auf ihren Schreibtisch. Nur die Erledigung der Hausaufgaben an diesem Möbelstück bereitet ihr, nach eigenem Bekunden, hin und wieder wenig Freude. (mz)

Sandra ist ganz stolz auf ihr Zimmer.
Sandra ist ganz stolz auf ihr Zimmer.
Thomas Klitzsch