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Abschied vom Lutherhaus Abschied vom Lutherhaus: Jutta Strehle bricht auf zu neuen Wegen

Von Corinna Nitz 22.01.2019, 16:08
Jutta Strehle am Denkmal für die Lutherin: „Was ich an meinem Beruf immer geschätzt habe, ist die Vielseitigkeit“, sagt die Kunsthistorikerin, die jetzt die Stiftung Luthergedenkstätten in Sachsen-Anhalt verlassen hat.
Jutta Strehle am Denkmal für die Lutherin: „Was ich an meinem Beruf immer geschätzt habe, ist die Vielseitigkeit“, sagt die Kunsthistorikerin, die jetzt die Stiftung Luthergedenkstätten in Sachsen-Anhalt verlassen hat. Thomas Klitzsch

Wittenberg - Die E-Mail wurde am Nachmittag des 19. Dezember 2018 versandt. „Dass ich im Lutherhaus arbeiten durfte, gehört zu den Glücksumständen meines Lebens. Doch alles hat seine Zeit“, schrieb Jutta Strehle. Zu diesem Zeitpunkt hatte die Kunsthistorikerin bereits entschieden, sich ins Private zurückzuziehen.

Dass sie die Stiftung Luthergedenkstätten in Sachsen-Anhalt „aus gesundheitlichen Gründen“ verlassen hat, sagt sie fünf Wochen später zur MZ bei einem Treffen im Restaurant „von Bora“ auf dem Lutherhof Wittenberg.

Ein anderer Blick

Im Mai 2018 ist Strehle 62 geworden, 2018 war auch ihr 40. Dienstjahr. Sie kann viel erzählen, weil sie vieles (mit)erlebt und gemacht hat in dem Haus, in dem Luthers Erbe bewahrt wird, und das, als sie 1978 zunächst als Museumsassistentin dort anfing, noch unter staatlicher Lutherhalle firmierte.

Damals, zu DDR -Zeiten, gab es auch einen völlig anderen Blick auf den einstigen Hausherrn: Den Genossen galt er als „Bauernverräter und Fürstenknecht“, der Star war Thomas Müntzer und Strehle erinnert sich, dass „ML-Texte“ (marxistisch-leninistisch) geschrieben werden sollten. Es sei schließlich die Idee geboren worden, Luthers Zeitgenossen sprechen zu lassen.

Die letzte von Jutta Strehle maßgeblich kuratierte Sonderausstellung war „Bauen für Luther“ im Jahr 2018. Die Schau verhandelte die 20-jährigen baulichen Aktivitäten der Stiftung Luthergedenkstätten in Sachsen-Anhalt an allen drei Standorten - neben Wittenberg bekanntlich Eisleben und Mansfeld. Präsentiert wurde sie im Augusteum, Stiftungsdirektor Stefan Rhein erklärt auf Nachfrage der MZ, es bestehe unter anderem beim Architektursalon München Interesse daran, die Exposition ebenfalls zu zeigen. Ansonsten erinnert Rhein an einige weitere Ausstellungen, die Strehle verantwortet hat, „Cranach im Detail“ etwa oder „Luther mit dem Schwan“ nennt er Highlights, „die heute noch zitiert werden“. Dies gelte ebenfalls für „Martin Luther. Sein Leben in Bildern“, eine Sonderausstellung, bei der, wie es einmal formuliert wurde, Strehle „die visuelle Wirkungsgeschichte in biografischen Szenen herausgearbeitet“ hat. Nicht unerwähnt lässt Rhein Strehles Verdienste in Sachen Jugendarbeit und kultureller Bildung, er nennt sie „die Mutter unserer erfolgreichen Museumspädagogik“.

„Das war dann der große Hit“, erzählt sie und erinnert im Zusammenhang mit dem Lutherjahr 1983 auch an nennenswerte Investitionen ins Gebäude, so wurde der Große Hörsaal restauriert. Wobei „Honecker und Co.“ dann doch auf die Wartburg gefahren seien.

Wer mit Strehle durch die Jahrzehnte spaziert, dem fällt auf, dass da vieles „seine Zeit“ hatte: So nahm sie sich früh der Grafiksammlung im Haus an. Und sie hat bis zuletzt selbst Ausstellungen kuratiert. Auf ihr Konto geht die langjährige Reihe „Begegnung mit Originalen“.

Zudem hat sie die Museumspädagogik aufgebaut: 2003 war das - mit Eröffnung der neuen Dauerausstellung zu Martin Luthers Leben, Werk und Wirkung. Und weil sie keine halben Sachen mag, hat sie sich entsprechend fortgebildet. Worauf sie wohl wenig Einfluss hatte, war die Personalstärke in diesem Bereich, der heute besser ausgestattet ist und 2018 allein in den beiden Wittenberger Häusern 9000 Teilnehmer erreichte.

Weniger ist mehr

Was übrigens ehedem die Eröffnung der Dauerausstellung betrifft, so sei bereits damals die Anzahl der gezeigten Objekte reduziert worden. Man müsse, sagt Strehle heute, für Besucher sinnliche Erlebnisse schaffen und „für tolle Eindrücke sorgen“ - und das könne mit wenigen Exponaten erreicht werden.

Andererseits merken sich Menschen scheinbar auch immer weniger und haben den Drang, alles möglichst rasch zu konsumieren. Ein Zeichen auch des digitalen Zeitalters, in dem Informationen, ganze Fluten, jederzeit und praktisch überall verfügbar sind, was die Sache nicht unbedingt besser macht.

In Zukunft besuchsweise?

Ein Blick zurück geht nicht ohne die Baumaßnahmen der Stiftung. „20 Jahre und immer Spitz auf Knopf“, sagt Strehle und meint den damit verbundenen Zeitdruck. Sie seien immer die letzten gewesen, die in ein saniertes oder gar neues Gebäude hinein kamen, um die Ausstellungen einzurichten. Und dennoch: „Was ich an meinem Beruf immer geschätzt habe, ist die Vielseitigkeit.“ Auch „tolle Leute“ habe sie getroffen - und mit großer Wahrscheinlichkeit gehörte zu denen auch die Bildhauerin Nina Koch.

Von ihr ist die bronzene Katharina von Bora im Lutherhof, bereits seit Ende 1999 sieht man Martin Luthers Frau dort, wie sie durch einen Türrahmen schreitet. Und ja, auch diese lebensgroße Skulptur gäbe es wohl nicht ohne Strehles Einsatz für selbige.

Sie selbst nennt sie schon mal „mein Baby“. In wenigen Tagen, am 29. Januar, jährt sich übrigens von Boras Geburtstag zum 519. Mal. Jemand wird ihr bestimmt wieder einen Blumenstrauß ins kalte Händchen drücken. Und wer weiß, vielleicht schaut ja auch Jutta Strehle mal vorbei. Besuchsweise. (mz)

Zu ihrem 60. Geburtstag bekam Jutta Strehle ein Fotobuch von Ilona Kunze aus dem Lutherhaus geschenkt. Es ist auch ein eindrucksvolles Zeitzeugnis.
Zu ihrem 60. Geburtstag bekam Jutta Strehle ein Fotobuch von Ilona Kunze aus dem Lutherhaus geschenkt. Es ist auch ein eindrucksvolles Zeitzeugnis.
Klitzsch