95 Thesen, 95 Stühle, 95 Sänger 95 Thesen, 95 Stühle, 95 Sänger: Neue Kunstinstallation kommt auf den Markplatz

Wittenberg - Kaum hat die Weltausstellung Reformation am 10. September den Platz geräumt, darf sich die Lutherstadt auf ihrem Markt schon wieder auf ein anspruchsvolles und mutmaßlich auch optisch sehr ansprechendes Spektakel gefasst machen.
Vom 15. bis 21. September wird vor dem Alten Rathaus, auf der Südseite des Marktplatzes das Projekt „Abendmahl - abnehmender Schrecken/zunehmende Liebe“ realisiert, ein „transmediales Kunstwerk“, das, was sonst im Jubeljahr 2017, Luthers 95 Thesen zum Ausgangspunkt nimmt. Aufgestellt wird zu diesem Zweck ein 42 Meter langer Tisch, an dem 95 Stühle Platz finden, jeder für sich ebenfalls ein Kunstwerk, aber dazu später.
95 Thesen werden durch 95 Sänger umgesetzt
Die Installation aus Holz, Plexiglas und Metall, die an den anderen Tagen einfach einladende Sitzgelegenheiten für Wittenberger und Gäste der Stadt bietet, wird dann am 16. September in der Dämmerung Schauplatz einer musikalischen und schauspielerischen Umsetzung der 95 Thesen durch 95 Sänger, darunter der Chor des Meininger Staatstheaters.
Dank einer Kamera, die die Tafel entlang fährt, werden die Gesten, in die die singenden Künstler die jeweiligen Thesen umsetzen, vergrößert auf vier über dem Tisch installierten Bildschirmen übertragen und ergeben so erst den Gesamteindruck.
Aufgeführt wird mit „Abendmahl“ das Werk des Komponisten (und Pfarrerssohns) Thomas Christoph Heyde, von dem auch die Gesamtidee stammt. Realisiert wird sie vom Verein „Forum Zeitgenössischer Musik Leipzig“ (FZML), der auch als Veranstalter auftritt, mit dem Filmunternehmen Lumalenscape GmbH als Partner.
FZML-Produktionsmanager Mathias Schwarz, der das Projekt am Freitag im Wittenberger Neuen Rathaus der Presse vorstellte, versprach dem Publikum eine „kritische Auseinandersetzung“ mit Luthers Thesen und erläuterte in diesem Zusammenhang auch den ziemlich sperrigen Untertitel („abnehmender Schrecken“), indem er etwa an unerwünschte Reformationsfolgen wie den Dreißigjährigen Krieg oder auch an die bis heute bestehende Spaltung in zwei christliche Konfessionen erinnerte.
Die Stadt Wittenberg unterstützt das rund 430.000 Euro schwere Kunstprojekt „Abendmahl“, das zuvor ebenfalls im September in Leipzig und Erfurt aufgeführt wird und eben zum Abschluss in der Lutherstadt, wie berichtet mit 15 000 Euro und versteht es als Übergang von der Weltausstellung Reformationsjubiläum zu den folgenden eigenen beiden Festwochen im September und Oktober. Für die Besucher ist der Eintritt (auch) zum 30 bis 45 Minuten umfassenden Konzert-Höhepunkt am 16. September um 20 Uhr frei.
Stühle werden anschließend verkauft
Unterstützt wird „Abendmahl - abnehmender Schrecken/zunehmende Liebe“ neben den beteiligten Städten und weiterer Förderer insbesondere durch die Bundesbeauftragte der Bundesregierung für Kultur und Medien. Einen Teil des Aufwandes möchte das FZML durch den Verkauf der 95 Stühle hereinbekommen, wie Schwarz in Wittenberg berichtete.
Das sind nämlich nicht irgendwelche Stühle, sondern auch für sich genommen Kunstwerke - ein jeder trägt in seinem Rücken eine der 95 Thesen. Der exakte Preis sei noch nicht fixiert, er solle aber „unter 1 000 Euro“ pro Stück liegen. Die Stadt selbst hat schon Interesse angemeldet: Der Oberbürgermeister wünscht sich für Wittenberg die Thesen 47 und 62. (mz)