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Weißenfels Weißenfels: Junge Menschen mit Handicaps können Berufe testen

Von bärbel schmuck 22.04.2014, 15:57
Sucht als gelernter Bürokaufmann Arbeit: Silvio Zeiske (links), hier in der Metallwerkstatt mit Lehrausbilder Thomas Noack.
Sucht als gelernter Bürokaufmann Arbeit: Silvio Zeiske (links), hier in der Metallwerkstatt mit Lehrausbilder Thomas Noack. Peter lisker Lizenz

weissenfels/MZ - Er ist ein Technik-Freak, kann richtig anpacken und ist ein guter Praktiker, wenn es um sich ständig wiederholende Arbeiten handelt. „Ein Job im Garten- und Landschaftsbau würde mir gefallen. Ich kann auch schwere Gegenstände heben und tragen“, sagt David Hartmann. Der 24-jährige Weißenfelser ist Teilnehmer einer Trainingsmaßnahme, die die FAA (Facharbeiterausbildungsakademie) Bildungsgesellschaft mbH in Zusammenarbeit mit der Agentur für Arbeit als „Unterstützte Beschäftigung“ jungen Menschen mit Handicaps anbietet.

Das mehrwöchige Praktikum in einer Waschstraße in seiner Heimatstadt hat bewiesen, dass der junge Mann ohne Berufsabschluss gezeigt hat, was in ihm steckt. „Er hat dort sehr gerne gearbeitet“, weiß Cornelie Pommer, pädagogische Mitarbeiterin bei der Bildungsgesellschaft in der Außenstelle Weißenfels. Die Chefin des kleinen Unternehmens bestätigt das, bedauert aber, dass sie ihn nicht einstellen könne - dafür sei die Firma zu klein.

Die „Unterstützte Beschäftigung“ ist ein Angebot für Menschen mit Lerndefiziten und zum Teil geistigen Handicaps. Diese Maßnahme, finanziert von der Agentur für Arbeit, richtet sich vor allem an Schulabgänger und Erwachsene, die durch ihre Behinderungen keine Chance haben, auf dem Arbeitsmarkt vermittelt zu werden. Auch ohne Schulabschlüsse erhalten junge Leute bei der Bildungsgesellschaft FAA Südost in der Außenstelle Weißenfels, Novalisstraße 4, die Chance für Tests zur Teilnahme am Arbeitsleben. Entsprechend ihren Fähigkeiten und Wünschen sollen diese Frauen und Männer die Möglichkeit bekommen, sich praxisnah zu orientieren und einfache Tätigkeiten in verschiedenen Berufsfeldern auszuprobieren.

Ziel der Maßnahme ist es, ein sozialversicherungspflichtiges Arbeitsverhältnis zu erlangen. Die Maßnahme erstreckt sich über maximal zwei Jahre. Sie begann am 1. August des vergangenen Jahres und dauert bis Ende Juli 2015. Sie kann bei der Übernahme in ein Arbeitsverhältnis auch berufsbegleitend durch Mitarbeiter der FAA mbH Bildungsgesellschaft verlängert werden.

Der Bildungsträger FAA sucht nach Betrieben und mittelständischen Unternehmen in der Region, die Plätze für die unterschiedlichsten Praktika anbieten. Zur Einarbeitung gibt es Unterstützung und Beratung, das können als Bildungsangebot entweder Seminare, aber auch Projekttage sein. Diese Möglichkeiten sollen den Teilnehmern der Maßnahme helfen, einen Arbeitsplatz zu finden.

Bei Bedarf und bestimmten Voraussetzungen werden Teilnehmer nicht nur von der Arbeitsagentur, sondern auch berufsbegleitend vom Integrationsamt im Burgenlandkreis an ihren jeweiligen Arbeitsplätzen unterstützt.

David, der nicht gerne die Schulbank drückte, sondern lieber anpackt, ist kein Einzelfall in der Trainingsgruppe. Auch der 19-jährige Markus testet mögliche Tätigkeiten in der Praxis für eine eventuelle spätere Anstellung mit wiederkehrenden Arbeitsgängen auf dem Arbeitsmarkt. Er habe zum Beispiel in der Naumburger Gärtnerei Krehahn während eines Praktikums geholfen. David und Markus gehören laut Cornelie Pommer zu den zehn Hauptklienten der FAA, die im Alter zwischen 18 und 25 Jahren sind und keinen Schulabschluss haben. „Wir unterstützen sie bei den Tests, damit sie in einer letzten Chance selbst herausfinden können, welche praktischen Fähig- und Fertigkeiten sie besitzen, um auf dem Arbeitsmarkt Fuß zu fassen“, ist von Lehrausbilder Thomas Noack zu erfahren. Und Pädagoge Axel Himmel verweist auf die Bereiche Metall- und Holzbearbeitung, den Umgang mit Farben sowie Computertechnik.

Das letztgenannte Trainingsfeld ist das Metier von Silvio Zeiske. Mit seinen 37 Jahren bildet er nicht nur als ältester Teilnehmer die Ausnahme. Zeiske ist durch eine Lähmung im Bein stark bewegungseingeschränkt. Eine sitzende Tätigkeit wie Büroarbeit am Computer sei für ihn deshalb besonders geeignet. Zudem verfügt der Bürokaufmann über eine abgeschlossene Berufsausbildung. „Ich habe zwar meinen Abschluss, bin jedoch als Spastiker nicht flexibel einsetzbar“, sagt der Mann mit dem „besonderen“ Fahrrad, das eigens für ihn umgebaut wurde.

Türenöffner und Netzwerker

„Silvio Zeiske ist durch seinen Umzug nach Weißenfels arbeitslos geworden und kam zu uns“, erklärt Cornelie Pommer. Er sei vor seinem Wohnungswechsel im Büro eines Möbelhauses beschäftigt gewesen. Eine ähnliche Anstellung für ihn zu finden, möglichst ebenerdig, wäre ideal, meint die Diplompädagogin der FAA-Außenstelle in Weißenfels, die sich seit drei Jahren in der Novalisstraße in der Neustadt befindet. „Wir sind Türenöffner, Netzwerker und bauen Brücken zu Betrieben für Menschen wie die Teilnehmer unserer Maßnahmen“, sagt Pommer. Es gehe dabei nicht um sofortige Vermittlung in Arbeit, sondern um Nachhaltigkeit, hebt Heilpädagogin Anne Sängerlaub hervor. „Frauen und Männer mit körperlichen und geistigen Defiziten so sicher wie möglich und dabei individuell zu vermitteln und eben berufsbegleitend zu betreuen“, darauf komme es an, betont Sängerlaub. Dafür sei ein langer Atem notwendig. Und die Teilnehmer müssten das auch selbst wollen - diese Aktivierungshilfe als ihre letzte Chance beim Schopf packen. Um geeignete Firmen zu finden, die sich darauf einlassen würden, seien zudem viele Gespräche nötig und - die kontinuierliche Kooperation mit Partnern wie der Agentur für Arbeit und dem Integrationsamt im Burgenlandkreis.

David Hartmann würde gern im Garten- und Landschaftsbau arbeiten.
David Hartmann würde gern im Garten- und Landschaftsbau arbeiten.
Peter Lisker Lizenz
Wie kreativ Teilnehmer sind, zeigt Pädagogin Cornelie Pommer.
Wie kreativ Teilnehmer sind, zeigt Pädagogin Cornelie Pommer.
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