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Ausstellung im Burgenlandkreis „Verstörend“: Weißenfelser Schüler sind von Kriegsfotos schwer beeindruckt

Schüler vom Weißenfelser Goethegymnasium besuchen eine Ausstellung mit Kriegsfotos von Knut Mueller im Kunstverein Brandsanierung. Wie der einstige Jugendpfarrer der Stadt ihre Eindrücke noch verstärkt.

Von ANDREA HAMANN-RICHTER 11.09.2024, 18:00
Der frühere Jugendpfarrer  Lothar Tautz liest den Zehntklässlern in den Vereinsräumen der Brandsanierung aus seinem Buch vor, in dem es  um Schicksale in der DDR-Zeit geht.
Der frühere Jugendpfarrer Lothar Tautz liest den Zehntklässlern in den Vereinsräumen der Brandsanierung aus seinem Buch vor, in dem es um Schicksale in der DDR-Zeit geht. Foto: Andrea Hamann-Richter

Weissenfels/MZ. - Verstörend, bedrückend, aufweckend und beeindruckend – diese Attribute verwenden Zehntklässler des Weißenfelser Goethegymnasiums am Dienstagvormittag. Sie sind im Rahmen ihres Ethikunterrichts in die Räume des Kunstvereins Brandsanierung in die Novalisstraße gekommen, in denen zurzeit unter anderem eine Fotoausstellung des Kriegsreporters Knut Mueller aus Halle zu sehen ist. „Sie ist aktueller denn je, denn wir haben heute überall Krieg“, sagt Christina Simon. Die Vorsitzende des Vereins Brandsanierung und Kunstlehrerin am Gymnasium hat daher viel Herzblut in die Schau „Menschen und Krieg – Hiob – Frieden stiften“ gelegt. Die Schau fußt auf drei Säulen: So gehören zu den Fotos und Collagen Knut Muellers thematisch passende Lithografien zum Buch „Hiob“ von Angelika Flaig sowie Collagen und Plakate von Schülern zum Thema Krieg und Frieden.

Fotos in Weißenfelser Kunstverein dokumentieren blutige Umbrüche auf dem Balkan

In der Ausstellung sehen die Schüler auf den zumeist schwarz-weißen Aufnahmen von Knut Mueller die blutigen Umbrüche auf dem Balkan, in Rumänien, Albanien, Bosnien und in Afghanistan. Da ist der von einer Granate verletzte kleine weinende Junge, eine ältere Frau, die mit gekrümmten Rücken mühsam Brennholz schleppt oder ein anderes Kind, das Mueller beim Plündern fotografiert hat. Aber auch Männer mit Gewehren, die finster in Muellers Kamera blicken.

Weißenfelser Schüler sind so beeindruckt, dass sogar das Handy-Datteln plötzlich kein Thema mehr ist

Es ist still unter den Schülern. Die Handys bleiben in den Hosentaschen und die Jungen und Mädchen stehen teils lange vor den Exponaten. Es herrscht Betroffenheit, während die Jugendlichen die Fotografien und die anderen Werke in sich aufnehmen. „Das setzt alles in ein anderes Verhältnis“, sagt Schülerin Tini Tennert. Die Normalität, in der sie leben und aufwachsen dürfe, bekomme ein anderes Gewicht, so die junge Frau. „Es ist schon ein krasses Gefühl, das zu sehen“, schließt sich Philipp Hinz an. So empfinden das auch die Klassenkameraden Carolin Becker und Moritz Vorwerk, als sie eine Aufnahme mit einem von einer Granate verletzten kleinen Jungen sehen. „Das ist schon verstörend“, beschreibt Moritz Vorwerk, was das in ihm auslöst.

Carolin Becker und Moritz Vorwerk schauen sich in den Vereinsräumen der  Brandsanierung Kriegsfotos von  Knut Mueller an.
Carolin Becker und Moritz Vorwerk schauen sich in den Vereinsräumen der Brandsanierung Kriegsfotos von Knut Mueller an.
Foto: Andrea Hamann-Richter

„Knut Mueller hat bei dieser Arbeit oft sein Leben riskiert“, sagt Lothar Tautz. Er ist extra aus Berlin nach Weißenfels gekommen und reichert mit seinen eigenen Erlebnissen den Ausstellungsbesuch der Schüler an. Tautz ist vielen in Weißenfels bekannt: Von 1984 bis 1990 war er evangelischer Stadt- und Jugendpfarrer. Er durfte sich als verdienter Bürger ins Ehrenbuch der Stadt eintragen, denn er gilt als Mitinitiator der Friedensgebete in der St. Marienkirche 1989. Sie entwickelten sich später zu den Montagsdemos in Weißenfels, mit denen auch die Menschen in Weißenfels die friedliche Revolution in der DDR vorantrieben.

Einstiger Weißenfelser Jugendpfarrer berichtet von Schwierigkeiten einiger Jugendlicher in der DDR

In der DDR herrschte kein Krieg, aber Unterdrückung – quasi ein Krieg der Machthaber gegen das eigene Volk. „Es waren damals die jungen Menschen, die mutig waren“, blickt Tautz auf die Umbrüche zurück. „Wir wollten einfach nur unsere Musik hören dürfen, reisen und sagen können, was wir denken, ohne, dass wir dafür bestraft wurden“, erzählt er. Das sei wegen der ständigen Überwachung durch die Staatssicherheit gefährlich gewesen und junge Leute landeten schnell im Gefängnis, wenn sie sich nicht an die Regeln des DDR-Regimes hielten. Mit seinen Berichten gewährt Tautz seinen Zuhörern einen eindrücklichen Einblick, wie schwierig damals für unangepasste junge Leute die Lebensumstände waren und wie wichtig Frieden und Freiheit sind. Gleiches gilt für die Auszüge aus seinem Buch „Don’t Worry Be Happy“: Darin beschreibt Tautz, unter anderem, wie ein Freund, der aus der DDR fliehen wollte, vorher verhaftet worden ist.

Kunstverein Brandsanierung, geöffnet: mittwochs 18 bis 20, wochenends (außer feiertags) 15 bis 18, an Veranstaltungstagen ab 13 Uhr sowie nach Vereinbarung unter Tel. 0178/447 30 97. Am 21. September, 15 Uhr, liest Knut Mueller aus seinem Buch „Die Wahrheit fiel zuerst“. Die Schau geht bis 9. November, dem Jahrestag des Mauerfalls 1989: Finissage 15 Uhr mit Lesung von Katrin Seglitz. Sonderführungen am 15. und 29. September, 19. und 26. Oktober jeweils 15 Uhr.