Scharnhorstfest Scharnhorstfest : Eine spannende Zeitreise

Grossgörschen - Es herrscht ein sehr militärischer Ton auf dem Hof der Familie Bergner. Aus dem Zuhause der Kleingörschener Familie ist am Wochenende zum Scharnhorstfest ein preußisches Lager geworden. 86 Männer und auch Frauen des sogenannten preußischen Normalbataillons aus allen Teilen Deutschlands haben Quartier bezogen. Ihre mit Nägeln beschlagenen Stiefel knallen über den gepflasterten Hof. Befehle werden zackig ausgeführt. Nur noch wenige Minuten und die Truppen ziehen in die Schlacht von Großgörschen. So geht es 202 Jahre zurück, nachdem der französische Kaiser Napoleon eine katastrophale Niederlage im Russland-Feldzug erlitten hatte. Die Zeitreise in das Jahr 1813 hat auf dem Hof der Bergners schon am Freitag begonnen. Da sind die Truppen angerückt. Nach der Anreise und dem Aufbau der Zelte gingen sie in das Dorf. Sie waren angehalten, sich von der Bevölkerung Lebensmittel geben zu lassen. Die Kleingörschener wussten das und gaben gern. So wurde der Abend vor der Schlacht miteinander verbracht, während das Essen über dem Feuer zubereitet wird.
Während des Scharnhorstfestes in jedem Jahr im Mai wird an die Schlacht bei Großgörschen im Jahr 1813 erinnert. Tausende Menschen kommen, um sich das Spektakel anzusehen. Hunderte Teilnehmer lebten außerdem auf der Wiese im Biwak. Sie zeigen das Leben zu historischen Zeiten. Im Rahmen der Veranstaltung ist auch eine Kranzniederlegung eingebettet. Sie findet am großen Scharnhorstdenkmal statt und soll an die Schrecken des Krieges erinnern.
Nun ist Sonnabend und es geht los. Mit einem dreifachen Hurra verabschieden sich die Männer von ihren Gastgebern. Sie marschieren zum Feldzug. Das Knallen ihrer Absätze dröhnt nun durch den kleinen Ort und wird schließlich immer leiser.
Evelyn Bergner hat jetzt ein paar Minuten, um zu verschnaufen. Sie genießt diese ganze Zeit, sagt die 54-Jährige. „Es ist wunderschön, wir leben Geschichte und lernen sehr viel über alte Sitten.“ Sie geht los und zeigt, was sie meint. Der Hof ist Erlebnis pur. Auf dem Dachboden ist Stroh ausgestreut. Darauf liegen Felddecken und darauf haben die Soldaten geschlafen. Mehr gab es damals nicht und mehr gibt es zum Scharnhorstfest auch nicht. Authentik wird groß geschrieben.
Während sie erzählt, trifft die Frau auf Wolfgang Wichtler. Der 63-Jährige ist die 425 Kilometer aus dem heimischen Heilbronn nach Kleingörschen zum Hof der Familie gefahren. Als ihn die Faszination der historischen Nachstellungen ergriff, hat sie ihn nie wieder losgelassen. „Einmal Soldat, immer Soldat“, sagt er. Um es möglichst realitätsnah zu machen, schlafe auch er auf dem Dachboden oder im Biwak. Dazu gehöre eben auch, so zu essen und sich so zu waschen wie die Menschen in der Zeit um 1813.
Enrico Wiedemann ist dazugestoßen. Der Mann ist gebürtiger Weißenfelser. Als Jugendlicher war der heute 30-Jährige im Weißenfelser Kinder- und Jugendhilfeverein. Während eines Projektes über die Schlacht 1813 entdeckte er die Leidenschaft dafür für sich. Heute wohnt er in Osnabrück. 10 bis 15 Mal im Jahr nimmt er an Veranstaltungen wie in Großgörschen teil. Beide Männer teilen die Leidenschaft. „Andere gehen auf den Fußballplatz und spielen“, zieht Wolfgang Wichtler einen Vergleich zu anderen Hobbys.
Evelyn Bergner geht zu Dirk Heinze aus Leipzig und Immo Tzscheetzsch aus der Nähe von Gera. Sie sind auf dem Hof geblieben. Die Männer betreuen ihre preußische Chirurgie und das fliegende Lazarett. Originale medizinische Instrumente liegen aufgereiht. So auch eine echte Amputationssäge. Die hatte Dirk Heinze auf einem Flohmarkt entdeckt und für wenig Geld gekauft. „Der hat nicht gewusst, was er da verkauft hat, sonst hätte ich sie nicht bezahlen können“, sagt der Mann. 2 500 bis 5 000 Euro, so schätzt Immo Tzscheetzsch den Preis einer solchen Säge.
Evelyn Bergner schlendert zum Garten hinter dem Hof. Dort stehen viele Biwak-Zelte aus Leinen. Deren Bewohner befinden sich gerade größtenteils auf dem Schlachtfeld.
In wenigen Stunden wird sich der Hof wieder füllen. Die Truppen kehren zurück, lassen das Erlebte Revue passieren und reisen am nächsten Tag wieder ab. Zum dritten Mal beherbergt ihre Familie die Gäste, erzählt die Frau. Im kommenden Jahr sind sie übrigens bei Bergners wieder willkommen. „Es ist einfach super und toll“, ist sie begeistert. „So können wir die Geschichte wachhalten“, so die Frau.
Die kurze Pause ist vorbei und sie eilt los, um für die Rückkehrer alles vorzubereiten. (mz)
