Maler und Bildhauer Maler und Bildhauer: Künstler will Weißenfels unterstützen

Weimar/MZ - Es ist kalt in Dieter M. Weidenbachs Refugium bei Weimar. In der Werkhalle, die längst nicht mehr als solche gebraucht wird, hängen und stehen seine Bilder. Dazwischen sind Büsten zu sehen. Der 67-Jährige winkt ab. Nein, die niedrigen Temperaturen können seinen Arbeiten nichts anhaben. Nebenan hat er in ehemaligen Büros sein Atelier eingerichtet. Das kann er heizen. Ein Schreibtisch gehört zum Inventar, eine Liege und er gießt heißes Wasser für einen Tee auf . . .
Weidenbach hatte es schon vor seiner Ausreise nach Westberlin in die Klassikerstadt gezogen. Jetzt lebt er meist dort, ab und an auch in Berlin. Der Kontakt nach Weißenfels, wo er gut 30 Jahre gelebt und die Schule besucht hat, ist aber nie abgerissen. So war er bei der Ausstellungseröffnung seines Malerfreundes Walter Beuschel, möchte sich künftig verstärkt in die Arbeit des Vereins Kloster St. Claren einbringen und sein Wandbild, das noch in Nachwendezeiten am Markt zu sehen war, würde er gern wieder aufarbeiten. In Halle zeigt er am 26. April anlässlich der internationalen Totentanz-Tagung auf dem Gertrauden-friedhof seinen fast 20 Meter langen „Totentanz zu Weimar“
Die Kulisse, in der es jetzt in der Halle bei Weimar steht, ist symptomatisch dafür, wie sehr Weidenbach in der Realität verwurzelt ist. Sein „Totentanz“ war 1992/93 entstanden und zum dritten Jahresfest der deutschen Einheit in Saarbrücken ausgestellt. Dort sollte es CDU-Bundeskanzler Helmut Kohl sehen, eine Chance, für die mancher Künstler viel geben würde. Doch Kohl ignorierte Bild und Maler. Denn der „Totentanz“ war zur Allegorie geraten, zum Gleichnis auf die Wendezeit. Dieter M. Weidenbach war wohl nie einer der Angepassten, den es nach Bequemlichkeit drängte. Doch am Ende war er in der DDR ein Mensch zweiter Klasse, der nicht mal mehr einen richtigen Personalausweis besaß. Dennoch sagt er über die damalige Republik: „Als Künstler hatte man sein Auskommen und trotz allem seine Freiheiten. Heute können Künstler tun und lassen, was sie wollen, haben viel Zeit und wenig Geld.“ Und Weidenbach treibt es auf die Spitze: „Wer aber soll die Stimme erheben, wenn der letzte Künstler verhungert ist?“
Dafür steht wohl der „Totentanz“, in dem die „Kerzenträger, die die Wende vorangetrieben haben“, ihrer Illusionen beraubt sind. Blühende Landschaften vermochte Dieter M. Weidenbach schon nicht erkennen, als er das Bild gemalt hat. In Saarbrücken wurde es zerstört, seine Klage auf Schadenersatz abgelehnt und er musste auch noch die Kosten des Verfahrens tragen. Inzwischen hat er den „Totentanz“ rekonstruiert, statt der düsteren Farben sind es etwas hellere geworden, wenn auch nur geringfügig, aber die Grundaussage bleibt. Schließlich lasse sich nichts beschönigen, die Revolution habe ihre Kinder gefressen, der Kapitalismus habe sich schnell durchgesetzt und Deutschland mischt mit seinen Soldaten im Ausland mit. Fakt sei außerdem, dass Genossen der Staatssicherheit zu Verwaltern großer Immobilien mutiert sind.
Dieter M. Weidenbach lauscht immer dem Geist der Zeit nach. Zum Beispiel hat er auch den Untergang der Titanic als Gleichnis zur Gegenwart gesetzt. Er sagt: „Es geht um Industrialisierung, Globalisierung und Wachstum auf Teufel komm raus. Dazu passt die Titanic, die als Symbol des technischen Fortschritts galt und dennoch unterging. Das habe doch geradezu etwas Symbolhaftes angesichts der heutigen Wissenschaftsgläubigkeit. „Was von der Vergangenheit überliefert ist, davon haben Künstler Zeugnis abgelegt und haben sich immer auch provokativ in ihrer Zeit eingemischt.“ Dieter M. Weidenbach hat das stets getan, sagt aber heute: „Wenn man immer die Wahrheit gesagt hätte, man hätte nicht überleben können.“ Der Künstler erzählt von seinem Bild „Unterwegs“, das Mitte der 1970er Jahre in der Galerie Neuer Meister in Dresden hing. Die Stadt, der er darauf den Rücken kehrt, ist Weißenfels. Ob er in den Westen gehen wolle, sei er damals gefragt worden und er hat verneint.
Wer weiß, ob Weidenbach, der mit diesem und anderen Bildern in den Blickpunkt der Stasi geriet, nicht tatsächlich schon früher gegangen wäre. Damals habe sich aber Willi Sitte für ihn eingesetzt, dessen Stimme als Präsident des Verbandes bildender Künstler Gewicht hatte. Er wurde Sittes Meisterschüler, durfte sogar nach Frankreich. Auch als seine Frau von einer Österreich-Reise nicht zurückkehre, setzte sich Sitte für ihn ein und er erhielt einen Lehrauftrag an der Burg Giebichenstein.
Heute sagt Weidenbach: „Ich denke, dass damals der Sozialismus nach den Erfahrungen mit dem Faschismus eine Berechtigung hatte.“ Als Weidenbach dann aber keine Chance mehr für sich und sein künstlerisches Schaffen sah, reiste er doch aus. „Es ging einfach nicht mehr“, sagt er.
In seinem künstlerischen Refugium finden sich Tausende von Büchern: Kunstbände, Romane, auch DDR-Literatur. Es sind Nachschlagewerke für ihn und verraten dennoch viel über seine Liebe zu Büchern, denn der 67-Jährige illustriert auch Reiseliteratur und schreibt an seiner Autobiografie. Schreiben sei ihm wichtig und er verweist auf die SMS-Manie mit ihren Kürzeln, durch die die Sprache immensen Schaden nehmen werde. Und er spricht über seine Bekanntschaft mit Frank Elstner, der lieber telefoniert, während Weidenbach das Briefeschreiben nicht missen möchte.