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Großzügige Leihgabe zurück

Von Heike Riedel 03.05.2006, 18:08

Wiedebach/MZ. - 43 Jahre lang hatte sie ihren Arbeitsplatz im Landratsamt in Weißenfels, die längste Zeit davon saß sie im Vorzimmer des Chefs. Das hat ihr von den Kollegen den Eintrag in die Inventarliste des Hauses eingebracht. Dort steht unter Bemerkungen: "GL (geliehen - großzügige Leihgabe von Herrn Meinhardt)", unter Anschaffungskosten: "unbezahlbar".

Und trotzdem will sich einer selbst nach ihrer Verabschiedung in die Altersteilzeit nicht von ihr trennen. Rüdiger Erben, ihr letzter Chef und jetzt Staatssekretär im Innenministerium des Landes, hat Edeltraud Meinhardt gebeten, wenigstens noch ein paar Stunden für ihn im Weißenfelser SPD-Büro zu arbeiten. Denn den Ruf, das beste Büro im Land zu haben, verdanke er ihr.

"Man soll gehen, wenn es am schönsten ist", sagt die 58-Jährige zu ihrer Entscheidung aus dem Arbeitsprozess im Landratsamt auszuscheiden. Mit ihrer Familie, voran den Enkelinnen, und Freunden wisse sie es sich auch schön zu machen. Und an Arbeit fehlt es auf dem großzügigen Wohngrundstück in Wiedebach ohnehin nicht. Sie freut sich darauf, ihren Mann, der eine Firma führt, und Sohn Lars, der studiert, verwöhnen zu können. Tochter Kerstin muss nicht mehr kribbelig werden, wenn Virginia (5) mal krank ist. Es bleibt mehr Zeit für das Gartenfest und Besuche von Basketballspielen.

Erzählt Edeltraud Meinhardt von ihrem Arbeitsleben, zieht ein Stück Geschichte des Landkreises Weißenfels vorüber. Ihr Lehrvertrag von 1962, der vom Vorsitzenden des Rates des Kreises Dr. Gerhard Beyer unterzeichnet ist, trägt das Symbol des Siebenjahrplanes. In zwei Jahren hat sie Stenotypistin gelernt und dabei alle Ämter des Rates des Kreises durchlaufen. Ratsvorsitzender Fritz Klinder war es dann, der dem aufgeweckten brünetten Mädchen mit den braunen Augen den Arbeitsplatz im Sekretariat zutraute und ihr Anfangsgehalt von 278 Mark auch bald auf 432 Mark anhob.

Sein Nachfolger, Rudolf Ludwig, musste sehr um ihre Rückkehr auf den Platz der Chefsekretärin werben, hatte sie die Kaderpolitik doch schwer getroffen, weil die Absprache nicht eingehalten wurde, dass sie nach der Geburt ihrer Tochter auf ihren Arbeitsplatz zurückkehren konnte. Ihr blieb eine Zeit lang die Arbeit für den Stellvertreter, und im Gegenzug handelte sie für sich verkürzte Arbeitszeiten aus, um mehr für die Familie da zu sein.

Wenn die fröhliche Frau auf ihre Enttäuschungen zu sprechen kommt, sind Ungerechtigkeit, Unehrlichkeit, Neid und Missgunst anderer zumeist Ursachen. Ihre Chefs hält sie alle in Ehren. "Für mich zählt der Mensch und nicht die Parteizugehörigkeit", sagt sie. Jörg Hülßner, mit dem sie die Wende erlebte, war der erste, der jünger war als sie. Mit ihm verband sie auf besondere Weise, dass die Kinder gemeinsam eingeschult wurden.

Mit Günter Mühlner, Dr. Johannes Kreis und Rüdiger Erben hat Edeltraud Meinhardt schließlich sieben Landräte erlebt und sich in dieser Zeit nicht nur auf diese Menschen, sondern auch neue Strukturen und Technik eingestellt.

Katharina Regner, die Frau Meinhardt jetzt als Chefsekretärin von Bernd Grüneberger zurücklässt, kann es kaum glauben, als sie am Abschiedstag von ihrer Kollegin hört: "Mein Gott ist das anstrengend." "So etwas habe ich in den sieben Jahren gemeinsame Arbeit hier nie von dir gehört", sagt sie erstaunt. Die Trennung von einem Teil des Lebens hat es eben in sich.