Den Hauptschulabschluss im Visier
WEISSENFELS/MZ. - Doch die ursprünglich erwarteten Nadelstiche und Hänseleien blieben aus. Statt dessen haben sich Freundschaften entwickelt.
Die beiden Schülerinnen haben sich längst eingelebt, wechselten vor einem halben Jahr ebenso wie Gerald Panser, Patrick Richter und Marcel Werther aus der neunten Klasse der Weißenfelser Pestalozzi-Förderschule in die Neustadt-Sekundarschule. Nicht nur an neue Gesichter in der Hauptschulklasse 9 a mussten sich die fünf 16- und 17-Jährigen erst mal gewöhnen. Das Fach Englisch hatten sie zuvor noch nie. Also hieß es, Zähne zusammenbeißen, Unterrichtsstoff nachholen, sich reinknien, um mitzukommen. "Das ist alles stressig, weil man einfach mehr lernen muss", bekennt Marcel, der besonders für Geschichte pauken muss.
Saskia Börnchen ist inzwischen die Klassenbeste, hat einen Leistungsdurchschnitt von 2,0 erreicht. Im Fach Wirtschaft steht eine Drei auf dem Zeugnis. Die 16-Jährige will sich auf eine Zwei verbessern. "Den Hauptschulabschluss muss ich schaffen, weil ich mich für eine Lehrstelle als Hotelfachfrau bewerben will", erklärt die Neuntklässlerin. Auch die anderen haben ihre Berufsziele vor Augen: Patrick, der in Deutsch und Englisch besser werden will, sieht seine Zukunft in der Landwirtschaft. Franziska will in einem Friseursalon anfangen. Beide haben Praktika in den Ferien gemacht und ihre Bewerbungen bereits in Unternehmen des Burgenlandkreises abgegeben. Gerald und Marcel zieht es in die handwerkliche Richtung. "Von Gerald kann ich eine Menge lernen", ist David Tschaika überzeugt. "Gerald kenne ich durch den Fußball schon länger, er kam neu in unsere Klasse und ist in allen Fächern viel besser als ich", fügt er hinzu.
"Was die fünf neuen Schüler in dem letzten halben Jahr an Leistung hingelegt haben, ist mit viel Ehrgeiz und Fleiß erreicht worden", schätzt Deutschlehrerin Silke Winkler ein. "Ohne Vorurteile sind sie von der Klasse fair aufgenommen worden", gibt Ethiklehrerin Gitte Lange ihr Urteil ab und zollt den "Neustädtern" Anerkennung. Im August sei sich die Pädagogin aus der Pestalozzischule noch nicht sicher gewesen, ob das Experiment zur Integration funktioniert. Jetzt wisse sie, dass Veränderungen viel Positives bringen. "Frau Lange hat uns motiviert und auch den Eltern Mut gemacht", erinnert sich Franziska.
Zurzeit beschäftigt sich die ganze Klasse in Deutsch mit dem Thema Bewerbungen. "Wir kommen gut klar, es fällt gar nicht mehr auf, dass wir eine gemischte Klasse sind", sagt Janine Peyerl. "Wir erstellen Bewerbungsmappen und trainieren Vorstellungsgespräche", schildert sie. "Dass ehemalige Pestalozzischüler bei uns lernen und den Hauptschulabschluss fest im Visier haben, darauf sind wir alle ganz stolz", ist von Neustadt-Schulleiter Jürgen Luther zu hören. Im nächsten Schuljahr soll eine eigenständige Klasse mit 13 Förderschülern eröffnet werden.