"Das hier ist ein Ort des Todes" "Das hier ist ein Ort des Todes": Tierschützer demonstrieren vor Tönnies in Weißenfels
Weißenfels - Es ist der Moment, der an diesem Donnerstag eigentlich alles beschreibt. 45 Tierschutz-Aktivisten haben sich gerade vor dem Tönnies-Schlachthof in Weißenfels aufgestellt. Die Männer und Frauen wollen gegen die Missstände in der Fleischindustrie und der damit verbundenen Personalpolitik protestieren. In diesem Augenblick kommt ein Transporter, beladen mit quiekenden Schweinen, angefahren.
Vielen Aktivisten treten bei diesem Anblick die Tränen in die Augen. Sie wissen, dass diese Schweine das Unternehmen nicht mehr lebend verlassen werden, weil sie gleich geschlachtet werden.
Kompletter Verzicht auf tierische Produkte
Es sei kaum zu ertragen gewesen, beschreibt Sarah Löser diese Situation wenig später. Die 23-jährige Weißenfelserin ist seit zehn Jahren Vegetarierin und seit fünf Jahren verzichtet sie komplett auf tierische Produkte, wie auf Eier und Milch. Sie hat schon öfter vor dem Unternehmen gestanden, als dort Mahnwachen stattfanden und die Stimmung bedrücke sie immer so sehr, dass es noch Tage später in ihr arbeite.
„Es ist der letzte Moment im Leben der Schweine. Es sind fühlende Wesen, die spüren sollen, dass wir hier trotzdem für sie da sind, auch wenn wir sie nicht retten können“, sagt die junge Frau.
„Sie entschuldigen sich oder sie singen für die Schweine"
So geht es an diesem Nachmittag allen Männern und Frauen. Sie sind dem Aufruf des Vereins Deutsches Tierschutzbüro mit Sitz in Berlin in die Saalestadt gefolgt. Die Polizei begleitet die Aktion und sie hält während der zweieinhalbstündigen Aktion innerhalb einer halben Stunde zwei Laster an. Mehr ist dort wegen des Straßenverkehres nicht erlaubt. Der Tierschützer Fabius Kaiser tritt dann an die Fahrerkabinen heran und fragt, ob seine Mitstreiter einen kurzen Blick in das Innere der Transportwagen werfen dürfen.
Die meisten Fahrer lehnen das ab. In den ersten zwei Stunden ergibt sich daher nur eine solche Möglichkeit. Sofort nutzen dies die Tierschützer. Sie dokumentieren mit Handys und Kameras nicht nur, was sie im Inneren sehen. „Sie entschuldigen sich oder sie singen für die Schweine, um ihnen einen kurzen Augenblick der Freude zu geben, bevor sie sterben müssen. Das ist für alle hier emotional sehr anstrengend“, sagt Denise Weber.
„Das hier ist ein Ort des Todes“
Sie ist die Sprecherin des Deutschen Tierschutzbüros, das zu dieser Aktion aufgerufen hatte. Sie selber ist auch berührt. „Ihr ganzes kurzes Leben haben diese Tiere kein Tageslicht gesehen, außer jetzt während des Transportes und wo sie gleich sterben werden. Das hier ist ein Ort des Todes“, sagt sie.
Anja Oertel ist mit ihrer Tochter Ylvi aus dem 200 Kilometer entfernten Dorf Mahlwinkel in der Altmark in die Saalestadt gekommen. „Es ist gerade alles hier sehr, sehr traurig“, sagt Anja Oertel. Angesprochen auf den Moment, als die Schweine vorbeigefahren wurden, zeigt sie auf ihren Unterarm, an dem sich eine Gänsehaut bildet. Sie selber rette Hühner aus Massenställen, die, wenn sie ihr Alter erreicht haben, eigentlich geschlachtet werden sollen.
Täglich 24.000 Schweine geschlachtet
Die Frau nimmt die Tiere auf oder vermittelt sie als Gnadenhühner an Menschen, die den Tieren bis zu ihrem Tod ein schönes Leben ermöglichen. Seit vielen Jahren ist sie Vegetarierin, denn ihrer Meinung nach stehe die Liebe zum Tier mit dem Verzehr von Fleisch im Widerspruch.
Gunter Walther (Grüne), Weißenfelser Stadtrat, sieht das genau so. Er hoffe, dass es so ein Unternehmen wie Tönnies, in dem täglich Betrieb 24.000 Schweine geschlachtet werden, in zehn Jahren nicht mehr gebe. „Die nächste Generation wird ein solches Produkt aus einem solchen Unternehmen nicht mehr essen“, hofft er. Er kritisiert auch die Personalpolitik.
Ein Mitarbeiter mit einem Werksvertrag verdiene seines Wissens nach 1.200 bis 1.600 Euro im Monat. In Polen gehen die Menschen mit ungefähr 450 Euro im Monat nach Hause. Deshalb wundere es ihn nicht, dass sie hier bei Tönnies arbeiten würden, aber es sei der falsche Ansatz und er hoffe, dass nun ein Umdenken stattfinde. (mz)