Burgenlandkreis Burgenlandkreis: Beschimpfungen inklusive

WEISSENFELS/MZ. - "Ein bisschen Angst verspüre ich, aber die lasse ich mir nicht anmerken", sagte Ines Schiller, die im Jobcenter in Naumburg im Wachschutz tätig ist. Und das umso mehr, seit am vergangenen Donnerstag in Frankfurt / Main in einem Jobcenter eine Frau von einer Polizistin erschossen wurde. Sie hatte zuvor randaliert und war mit einem Messer auf einen Polizisten losgegangen. Die MZ hörte sich aus dem Grund im Jobcenter um, wie sich die Situation hier darstellt. Der Vorfall könne sich überall ereignen, meinte Ines Schiller, die Beschimpfungen kennt. Die nehme sie sich jedoch nicht zu Herzen. "Sonst geht man daran kaputt."
Beschimpfungen und Beleidigungen gehören für die Mitarbeiter des Jobcenters Burgenlandkreis zumeist am Monatsende zur Tagesordnung, erklärte Geschäftsführer Berndt Lampe. ",Ihr seid doch faul und dumm, du blöde Kuh' und noch schlimmere Ausdrücke zählen dazu." 2010 mussten fünf Hausverbote ausgesprochen werden. Oft sei Alkohol im Spiel. "Manchmal ist es unerträglich", sagte der Naumburger Teamleiter Olaf Pfefferkorn. Kriegen einige Leistungsempfänger ihr Geld nicht rechtzeitig, sei "Kampftag" angesagt.
Teamleiter Kay Leuthold aus Zeitz bestätigte das. Die Mitarbeiter in der Eingangszone würden den meisten Frust abbekommen, die "brauchen ein dickes Fell". Es sei aber vorgekommen, dass einer Beleidigung am Tag darauf eine Entschuldigung folgte. "Körperlich bin ich noch nicht angegriffen worden, aber einige haben vor Wut schon den Tisch angehoben", erklärte eine Naumburger Mitarbeiterin. "Was man sich hier teilweise gefallen lassen muss, ist fragwürdig." Aggressivität sei eindeutig vorhanden. Dabei gebe sie sich alle Mühe, die gelegentlichen Bedrohungen nicht an sich herankommen zu lassen.
Ähnliche Töne gab es in Weißenfels. "Ein bisschen mulmig ist mir nach dem Vorfall in Frankfurt / Main schon", so Mitarbeiterin Mandy Motz. Doch sei das nicht bei allen Kunden des Jobcenters der Fall. Nur bei einigen beschleiche sie ein komisches Gefühl, meinte ihre Kollegin Heidi Busse. Es sei gut, einen Wachschutz zu haben. "An Beschimpfungen habe ich mich gewöhnt", so Wachschutzmitarbeiter Erhard Käding. In Halle wurde er vor Jahren mit einem Messer angegriffen. In Weißenfels sei das noch nicht passiert. Die Kehrseite der Medaille schilderte Annett Föhre-Thurau (31) aus Weißenfels, die Leistungen des Jobcenters bezieht. "Es kommt darauf an, zu welchem Mitarbeiter man kommt. Da gibt es Unterschiede." Zwar seien viele nett und freundlich, doch es gebe auch etliche, die einen von oben herab behandeln. "Ich suche eine Arbeit als Verkäuferin, werde aber mit in den Topf zu denen geworfen, die wahrscheinlich keine Arbeit suchen." "Mich nervt, wenn ich ständig einen anderen Ansprechpartner habe", so ein anderer Kunde. Ähnlich sah das ein 50-Jähriger aus Laßnitz-Hasseltal, der am Montag in Naumburg im Jobcenter was zu regeln hatte. Eine Behördenmitarbeiterin habe ihn gefragt, ob er sich Holz zum Heizen besorgen könne. Die Frage habe er ehrlich mit Ja beantwortet. Daraufhin sei ihm die Heizungszulage gestrichen worden. "Ich könnte mir gut vorstellen, dass andere da ausgerastet wären", sagte der Mann. Wenn gespart werden solle, dann solle man "oben anfangen" und nicht beim kleinen Mann. Im Großen und Ganzen könne er sich über die Mitarbeiter nicht beklagen. "Die machen nur ihren Job." Das sah Karla Grau (52) aus Naumburg ebenso, die die Mitarbeiter ob ihres zuvorkommenden Auftretens lobte.
Im Jobcenter sind 370 Mitarbeiter beschäftigt, die im Burgenlandkreis 30 000 Kunden betreuen.