Ausbildung Ausbildung: Zu alt und zu schlau?

Weissenfels/MZ - Fabian Maurice ist ein süßer Wonneproppen. Genüsslich mampft er seinen Möhrenbrei, klein geschnitten darin ein paar Würfel Hähnchenfleisch. Der Babybrei ist handgemacht. „Mein Kind kriegt nichts aus dem Glas. Ich koche alles selbst“, sagt Ronny Seifert, der stolze Vater. Kochen ist seine Leidenschaft. Kochen ist sein Leben. Dass er heute eine kleine Familie hat und in der Küche vom „Alten Brauhaus“ seinen Traumjob hat, kam nicht von ungefähr. Sein früher Lebensweg war eher schwere Kost.
Angefangen hat alles, als Seifert selbst ein Dreikäsehoch war. „Ich habe leidenschaftlich gern meiner Mutter beim Kochen zugesehen. Irgendwann meinte sie, ich solle doch mal die Kartoffeln ansetzen“, plaudert der junge Mann fröhlich. Das habe er getan. Folgenschwer, denn kurze Zeit später sei die Küche voll blauen Qualms gewesen. Ronny hatte den Topf ohne Wasser auf den Herd gestellt. Er lässt sich nicht beirren, hilft weiter in der Küche. Mal sind es Möhren, die er schält, mal Kartoffeln. Die Eierkuchen gleichen eher Matschepampe. Schließlich bereitet er die ersten knusprigen Bratkartoffeln zu. Nach dem Abschluss der zehnten Klasse will er Koch werden, was sonst. „Eine Lehrstelle habe ich weit und breit nicht gefunden“, erinnert sich Ronny Seifert. Bei Stern-Waschmittel in Reichardtswerben bekommt er nach einem Praktikum ein Lehrstellenangebot. „Fand ich riesig, denn arbeitslos zu sein, ist mir nichts. Ich sagte also zu, auch wenn Lagerist nicht so meinen Vorstellungen entsprach. Aber einen Berufsabschluss wollte ich unbedingt. Das gehört sich doch so.“
Ausbilder merkt Talent
Nach anderthalb Jahren schmeißt er jedoch die Lehre. Die Luft und die Laune waren raus. „Mich zog es innerlich immer wieder an die Töpfe“, begründet er das Ende dieser Lehre. Praktika folgen in verschiedenen Gaststätten. Schließlich wird er über die Arbeitsagentur zur Interessengemeinschaft Bildung Leuna (IBLM) in Weißenfels vermittelt - er kommt in eine Beschäftigungsmaßnahme für ein Jahr. Während Ronny Seifert „happy“ ist, jeden Tag in eine Lehrküche gehen zu können, merkt der dortige Ausbilder Klaus Hörhold, dass in diesem Jungen mehr steckt. „Der stellte sich gut an, fragte, probierte, wollte eben“, blickt Hörhold zurück. Und animiert den jungen Mann bei der Arbeitsagentur nach einer überbetrieblichen Kochausbildung zu fragen, die alsbald bei der IBLM beginnen sollte. Gedacht war sie für leistungsschwache, sozial gefährdete Jugendliche und auch jene, die missglückte Anläufe bereits hinter sich hatten - die Chance also für Ronny. „Dort erlebte ich ein Fiasko und traute meinen Ohren nicht“, erzählt der junge Mann. Mit dem erweiterten Hauptschulabschluss sei er für die Kochlehre überqualifiziert und mit seinen damals 22 Jahren zu alt für eine Erstausbildung, habe man ihm entgegnet. „Ich habe die Welt nicht mehr verstanden und war am Rand des Verzweifelns“, erzählt er. Er solle doch lieber Optiker werden. Für einen Koch sei er zu schlau, bestätigte ihm auch der psychologische Dienst der Arbeitsagentur. Seifert sei einfach auf seinem Stuhl sitzen geblieben. Die Vermittlerin habe telefoniert, wieder und wieder. Schließlich hatte er die Zusage für die Kochausbildung in der Tasche.
Noch Platz nach oben
„Ronny hat sich die gesamte Zeit richtig gut angestellt, auch wenn es theoretisch mit französischen Begriffen oder dem Erlernen der Garverfahren etwas haperte“, schätzt der Lehrmeister ein. Der junge Mann, der selbst natürlich ein guter Esser ist, musste lernen, wie was auf einem Teller angeordnet mit. Er achtet auf Farben, phantasievolle Rezepturen und den Gehalt der Lebensmittel. Mit einer gefüllten Schweinelende und einem Parfait auf Himbeerspiegel überzeugt er zum Abschluss der Lehre die IHK-Prüfer. Den Arbeitsvertrag hat er sofort in der Tasche. Drei Tage nach der Lehre beginn er im „Alten Brauhaus“ in Weißenfels. „Ich wollte dem jungen Mann eine Chance geben“, ist vom dortigen Chef Wolfgang Hoffmann zu hören. Aus seiner Sicht sei Seifert gelehrig. „Richtig gut in der Küche will er aber erst mal noch werden“, meint Hoffmann. Ronny Seifert ist heute zufrieden. Der junge Mann hat noch Großes vor. Er will seinen Meister machen. „Ich bin noch jung und nicht etwa zu alt. Zu schlau bin ich auch nicht. Ich lerne gern“, sagt er. Auf seinem Unterarm hat er ein paar tätowierte chinesische Zeichen. Glück heißt eines davon.