Tagung im Amtsgericht Sangerhausen Tagung im Amtsgericht Sangerhausen: Pranger Hexenturm und Co.

Sangerhausen - Mit einem Blick hinter die Mauern des Amtsgerichtes am Sangerhäuser Markt endete die regionalgeschichtliche Tagung zum Thema „270 Jahre Gerichtsbarkeit im Neuen Schloss (Amtsgericht) in Sangerhausen“. Zuvor hatten die Teilnehmer der Veranstaltung, die vom Verein für Geschichte von Sangerhausen und Umgebung in Kooperation mit dem Landesheimatbund Sachsen-Anhalt organisiert worden war, viel Wissenswertes aus der regionalen Rechtshistorie erfahren.
Geschichte bis ins Jahr 1746
Sven-Olaf Zärtner, amtierender Amtsgerichtsdirektor, hatte nicht nur die Tagung angeregt, sondern gab den Geschichtsinteressierten auch einen kurzen Einblick in die Rechtsgeschichte des Neuen Schlosses. „Die Justizgeschichte im Neuen Schloss reicht bis in das Jahr 1746 zurück“, sagte er. Bis in das 19. Jahrhundert befanden sich hier die obersten Justiz- und Verwaltungsorgane mit ihren Dienstwohnungen und Geschäftslokalen, so zum Beispiel das Geschäftslokal des 1835 eingerichteten königlichen Land- und Stadtgerichtes.
Karte mit Galgenberg
Helmut Loth, Vorsitzender des Sangerhäuser Geschichtsvereins, nahm rund zwei Dutzend Interessierte mit auf einen Streifzug durch die Justizgeschichte. Auch auf die noch vorhandenen Zeitzeugen der Gerichtsstätten ging er ein. Historische Darstellungen, wie der Stich von Merian von 1650, zeigen zum Beispiel eine am Gerichtsweg. Auch auf einer Karte von 1750 ist noch der Galgenberg eingezeichnet. Selbst die Wohnung des Scharfrichters in der Salpetergasse ist darauf eingetragen. Der Pranger vom Markt mit einer Steinplatte von fast zwei Metern Durchmesser, die letztmalig am Morungshof dokumentiert wurde, existiert aber zum Beispiel nur noch auf einer historischen Fotografie.
Hexenturm im Alten Schloss
Ähnlich ist es auch mit der alten Gerichtslinde im Poetengang. „Nach dem genauen Standort wird noch gerätselt“, sagte Helmut Loth. Zu den alten Gerichtsstätten zählt auch das Alte Schloss. Dort gab es neben dem Amtssitz auch ein Gefängnis im sogenannten Hexenturm. Nach dem Bau der Trillerei durch Michael Tryller wurde der Gerichtssitz dorthin verlegt. Mit dem Bau des Neuen Schlosses durch Caspar Tryller wechselte der Standort der Gerichte schließlich bis zum heutigen Tag in das Gebäude am Markt. Mit einigen Zeitungsnotizen „Aus dem Gerichtssaal“ im Jahr 1916 gab Loth einen praktischen Einblick in die Arbeit der Richter.
"Unbefriedigende Quellenlage"
Zum umfangreichen Thema „Justiz im Kreis Sangerhausen in der Zeit des Nationalsozialismus“ konnten die Vereinsmitglieder die Gastreferenten Daniel Bohse und Michael Viebig gewinnen. Der gebürtige Sangerhäuser Bohse ist Leiter der Gedenkstätte Moritzplatz Magdeburg. Er widmete sich in seinem Vortrag den Richtern Herbert Graupner und Dr. Herbert Wein. Beide wurden nach 1945 über das Gefängnis „Roter Ochse“ in Halle in das Internierungslager Buchenwald überführt. Bohses Resümee bei derzeit „unbefriedigender Quellenlage“ ist: „Die Justiz im Kreis Sangerhausen hat einen Beitrag zur Aufrechterhaltung des nationalsozialistischen Systems geleistet. Deshalb ist der Personalaustausch auch nachvollziehbar.“ Allerdings seien die bisher nachweisbaren in Sangerhausen gefällten Urteile doch milde gewesen.
Im Amtsgericht Sangerhausen sind derzeit sechs Richter, elf Rechtspfleger, drei Gerichtsvollzieher drei Wachtmeister und 20 Mitarbeiter im mittleren Kanzleidienst tätig. Am Amtsgericht wird in bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten, Vollstreckungs-, Versteigerungs-, Nachlass- und Betreuungssachen sowie Grundbuchangelegenheiten entschieden.
Der Historiker Michael Viebig, Leiter der Gedenkstätte Roter Ochse in Halle/Saale, gab anhand des Falles des Friseurs Wilhelm Ebel aus Sangerhausen ein Beispiel der Rechtsprechung im Jahr 1942. Die nachgewiesene Unterschlagung wurde aufgrund der Gesetzesverschärfung während der Kriegszeit mit drei Jahren Zuchthaus und fünf Jahren Ehrverlust geahndet. Letzteres betraf nicht nur die eigene Person, sondern vor allem auch Frau und Kinder. Ihnen wurde sämtliche finanzielle Unterstützung gestrichen. (mz)