Tagesstätte für Suchtkranke Tagesstätte für Suchtkranke: Hilfe für Trockene in Sangerhausen

Sangerhausen - Der Hilfeverein für Menschen mit seelischer Beeinträchtigung schließt eine Lücke im Altkreis Sangerhausen: Er baut eine Tagesstätte für Suchtkranke auf. Dort sollen insbesondere Menschen, die große Probleme mit Alkohol haben, so betreut werden, dass sie wieder im Alltag Fuß fassen können. Das Konzept ist im Wesentlichen fertig, die Finanzierung noch zu klären, sagt der Vereinsvorsitzende Uwe Zobel.
Der Hilfeverein plant, Räume im sanierten Bahnhofsgebäude zu mieten. Dort würde dann auch die Tagesstätte untergebracht, insgesamt stünden über 300 Quadratmeter Fläche zur Verfügung. Es ist vorgesehen, unter anderem einen Schulungsraum, eine Küche, einen Raum für Ergotherapie, Umkleidemöglichkeiten und auch Duschräume unterzubringen. Zurzeit hat der Verein seinen Sitz in der Thälmannstraße 7.
„In der Einsamkeit geht die Sauferei los“
Zurzeit besuchen sechs Alkoholabhängige die Tagesstätte, unter ihnen Maik Glaser aus Hayn. Der gelernte Schlosser hat seit seinem 13. Lebensjahr Probleme mit Alkohol. „Ich war schon 13, 14 Mal zur Entgiftung“, erzählt er freimütig. Er sei mal zwei Jahre trocken gewesen und zur Freundin nach Göttingen gezogen, doch „da fing der ganze Scheiß wieder von vorne an“. Er trank, flog aus der Wohnung. „Mein Bruder hat mich rausgeholt, sonst hätte ich mich totgesoffen“, sagt Glaser. Seit Herbst 2013 wohnt er in Hayn, suchte Halt in einer Selbsthilfegruppe in Sangerhausen, kam aber trotzdem nicht zurecht - zumal er auch unter posttraumatischen Störungen, Ängsten und Depressionen leidet. Er hatte mehrere Rückfälle: „In der Einsamkeit geht die Sauferei los.“ Seit Anfang November kommt er zum Hilfeverein, der ihm die Monatsfahrkarte bezahlt. Um wieder in einen Job vermittelt zu werden, habe man ihm im Jobcenter Mansfeld-Südharz ans Herz gelegt, solle er sich ein halbes Jahr um sich kümmern. Was er allein nicht schaffe, aber vielleicht mit dem Verein. „Ich stehe früh um fünf auf, um sieben fährt der Bus, 16 Uhr bin ich zu Hause.“ Doris Hiep, beim Hilfeverein die gute Seele im Büro, bescheinigt dem 37-Jährigen Fortschritte. „Er hat sich verändert.“ Der Verein wolle ihm helfen, nach Sangerhausen zu ziehen. Vereinschef Zobel hat eine Aufgabe für Glaser im Blick: „Er schreibt gern und soll die Chronik für unseren Verein führen. Der PC steht bereit.“
Trinken aus Einsamkeit
Ähnliches berichtet Monika S. über ihr Leben. Bis 1997 als Finanzsachbearbeiterin tätig, war sie anderthalb Jahre arbeitslos und wurde wegen gesundheitlicher Probleme „verrentet“. Ihr Mann sei zeitig verstorben, „da fing das mit dem Trinken an“. Dann habe sie beide Eltern gepflegt, sei nicht mehr weggekommen und habe sich wie gefangen gefühlt. „Abends habe ich zur Entspannung getrunken.“ 2012, nach dem Tod der Mutter, brach sie zusammen, kam erst stationär und dann in die Tagesklinik Sangerhausen, fing sich und besucht seitdem eine Selbsthilfegruppe des sozialpsychiatrischen Dienstes. Sie habe „wieder ein bisschen gesellschaftliche Kontakte“ geknüpft. Doch „das Trinken habe ich eigentlich nie gelassen“. Bis ihre Tochter dafür sorgte, dass sie 2014 zur Entgiftung ging. Nun ist die Tagesstätte ihr Anlaufpunkt, von der Vereinschef Zobel sagt, dass sie in der Testphase einiges erst mal ausprobieren. Sie braucht ihn, denn „es gibt Tage, da geht es mir gar nicht gut“, sie sei depressiv und habe Stoffwechselstörungen. „In der Woche komme ich sehr gut zurecht, schwierig wird es am Wochenende.“ Sie geht auch zur Drobs-Suchtberatung: „Die Einzeltherapie tut gut.“
Frank Tetzner, 47, aus Bischofrode hat ein Ziel: „Mein Kind hat in zwei Jahren Jugendweihe, das will ich erleben, und meinen 50.“ Zuletzt Kraftfahrer, verlor er vor drei Jahren den Job, dann starb der Vater, er begann zu trinken. Mehr und mehr, schon morgens halb sieben. Bis ihn seine Frau „in den Hintern trat“ und er freiwillig zur Entgiftung und in die Klinik ging. „Seit dem 14. Januar bin ich trocken.“ Der Cheftherapeut der Klinik habe ihm den Hilfeverein empfohlen. „Noch am Entlassungstag stand er bei uns auf der Matte“, sagt Doris Hiep. Er komme regelmäßig in die Tagesstätte und werde bleiben. Anders als bei stationärer Therapie bleibe er so in der Familie, sagt Tetzner: „Mich spornt das an.“ Zobel weiß: „Er will arbeiten, bringt hier die Grünanlagen in Ordnung. Für ihn wäre erst mal ein besonderer Arbeitsplatz nötig, vielleicht in der Werkstatt beim CJD.“ (mz)