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Sangerhausen Sangerhausen: Mehr Menschen nehmen Hilfe der Tafel an

Von Sophie Elstner 07.10.2012, 16:41

SANGERHAUSEN/MZ. - "Als ich vor etwa zwei Jahren das erste Mal die Leistungen der Tafel in Anspruch genommen habe, hat mich das enorm viel Überwindung gekostet", berichtet die Rentnerin Rosalinde B. aus Sangerhausen. Sie ist eine von etwa 600 Bedürftigen, die bei der Tafel in der Kreisstadt registriert sind.

So wie Rosalinde B. gehe es den meisten, bestätigt auch Martina Tietze, Leiterin der Sangerhäuser Einrichtung. "Aus Scham trauen sich viele nicht, die Hilfe hier anzunehmen. Sie suchen dann nach anderen Wegen, durchwühlen in der Dunkelheit Mülltonnen nach Verwertbarem." Und die, die zur Tafel kämen, würden meist nicht einmal den engsten Verwandten und Nachbarn davon erzählen.

Auch die Menschen, die am Samstag anlässlich des bundesweiten Tages der Tafel in die Einrichtung kamen, um an einem gemeinsamen Frühstück teilzunehmen, gehen mit dem Problem der Bedürftigkeit alles andere als offen um. "Um Himmels Willen, was sollen die Nachbarn denken? Dass wir hier hergehen, das darf niemand erfahren", heißt es einstimmig.

Am Tag der Tafel, der jährlich in der Erntedankzeit stattfindet, beteiligte sich in diesem Jahr erstmals auch die Sangerhäuser Einrichtung, deren Träger die Arbeits- und Bildungsinitiative (Abi) ist. Ziel sei es, vor allem die Öffentlichkeit zum Thema Lebensmittelverschwendung stärker zu sensibilisieren, so Martina Tietze. Es würden immer noch viel zu viele Nahrungsmittel einfach weggeworfen, anstatt sie zu verwerten. Sie erklärt weiter: "Das Mindesthaltbarkeitsdatum auf vielen Produkten ist nur eine Angabe des Herstellers, bis zu welchem Termin die Qualität der Ware garantiert werden kann. Das heißt nicht, dass die Lebensmittel an diesem Datum schimmeln oder ungenießbar werden."

Nach Angaben der Tafel kommen die Lebensmittel, die an Bedürftige verteilt werden, aus regionalen Märkten und Betrieben. Sie würden von Mitarbeitern der Tafel selbst eingesammelt und am nächsten Tag ausgegeben. Probleme wie in anderen Regionen Deutschlands, Ware zu bekommen, hat die Sangerhäuser Tafel nicht. In der vergangenen Woche hatte die Diakonie in Halle darauf hingewiesen, dass die Zahl der Nahrungsmittel abnehme, die bei der Tafel lande. Grund: die Firmen hätten ihre Logistik verbessert, außerdem würden in vielen Supermärkten Lebensmittel, die bald das Mindesthaltbarkeitsdatum erreicht haben, günstiger verkauft. "In Sangerhausen gehen die Leute nicht mit leeren Tüten nach Hause", sagte Tietze. Es werde großzügig verteilt. Dabei seien die Produkte allesamt von guter Qualität und nicht verfallen. Auch die Räumlichkeiten der Tafel unterstehen Hygienebestimmungen, die regelmäßig kontrolliert würden, so Martina Tietze weiter. "Und neben einigen Mitarbeitern, die über Arbeitsgelegenheiten oder den Bundesfreiwilligendienst die Tafel unterstützen, haben wir auch noch ungefähr 20 Ehrenamtliche, die sofort zur Stelle sind, wenn Hilfe gebraucht wird."

Rosalinde B. indes schätzt ein, dass noch viel mehr für Bedürftige getan werden sollte. Allerdings weiß sie auch: "Viele beschweren sich, dass nichts getan wird. Wenn ihnen aber Hilfe angeboten wird, nehmen sie diese nicht an. Dabei bleibt mir selbst mit meiner kleinen Rente gar keine andere Wahl."

Die Zahl der Rentner, die die Hilfe der Tafeln annehmen, ist im Verlauf der letzten Jahre deutlich gestiegen. Nach Angaben der Tafeln sind unter den bundesweit 1,5 Millionen betreuten Bedürftigen rund 255 000 Rentner, das entspricht etwa 17 Prozent. Dabei verfolgen die Tafeln ein klares Ziel, erläutert Birgit Lotze, Geschäftsführerin der Abi in Sangerhausen. "Jeder in Not bekommt etwas zu Essen, wir schicken niemanden weg. Für jeden sind Lebensmittel da."