Mansfeld-Südharz Mansfeld-Südharz: Ins Schmiedefeuer tropft kein Tropfen Schweiß
SANGERHAUSEN/MZ. - Es ist heiß, sehr heiß. Und es geht immer noch ein bisschen heißer. Aber Siegfried König hat direkt am Schmiedefeuer nicht eine einzige Schweißperle auf der Stirn. Das habe ihn nie wirklich ins Schwitzen gebracht, erzählt er. "Ich habe auch nie viel trinken müssen." Der 74-jährige Schmiedemeister steht heute nicht mehr so häufig am Schmiedefeuer. Vor vier Jahren hat er die Geschäfte in der Sangerhäuser Salpetergasse dem Schwiegersohn Bernd Feuchte übertragen und freut sich besonders darüber, dass Enkelsohn Andreas auch in Großvaters Fußstapfen getreten ist.
Deshalb steht auch eine Cola-Flasche auf der Werkbank. "Ja, die jungen Leute heutzutage trinken mehr. Bei uns ging das noch ohne." Trotz Hitze. Der Altmeister kennt vieles, das sich mit der Zeit verändert habe. Vieles gefällt, manches wurmt ihn. Etwa, dass das gute alte Handwerk in diesen Tagen längst nicht mehr den Stellenwert genießt, der seiner Ansicht nach angemessen wäre. Den Schmiedeberuf im klassischen Sinne kann man inzwischen schon gar nicht mehr lernen. Andreas Feuchte hat Metallbauer gelernt und wird eines Tages auch seinen Meister als Metallbauer machen. Wie sein Vater schon Anfang der 90er Jahre.
Da sich mit Nostalgie allerdings auch kein Cent verdienen lässt, gehen Königs beziehungsweise Feuchtes ganz progressiv mit den Gegebenheiten um: Am Türschild liest man Schmiede- und Metallarbeiten, die angeboten werden. Als Schmied sei man doch einst sehr aufs Pferdebeschlagen und Wagenräderbespannen reduziert gewesen. Insofern kann Siegfried König dem "neumodischen" auch seine positiven Seiten abgewinnen.
Rückblick: 1901 gründete Königs Großvater Waldemar in der Magdeburger Straße den Schmiedebetrieb. Als dessen Sohn Walther 17 Jahre alt und die Frage der Nachfolge theoretisch längst klare Sache war, zogen die Königs 1919 in die Georgenbrauerei, auch um sich zu vergrößern. Dorthinein wurde Siegfried geboren, der schließlich das Schmiedehandwerk von der Pike auf gelernt hat. Und sehr gut weiß, dass Wetter schon damals ein Thema war. Aber nicht, um bei 30 Grad Celsius zu stöhnen. Und wenn es wirklich sehr heiß war - etwa wie es den Erzählungen nach 1911 gewesen sein sollte - dann wusste der Schmied sich zu helfen. "In dem Sommer ist auch nachts gearbeitet worden, um die Eisenreifen auf die Wagenräder zu ziehen." Königs Vater Walther musste dann immer die Öllampe halten, damit der Schmied etwas sehen konnte. Tagsüber brannte damals wie heute das Schmiedefeuer weiter.
"Wir können bis zu 3 000 Grad erreichen und entsprechend hoch sind auch die Temperaturen unmittelbar davor, wo man arbeitet", so Andreas Feuchte. Der 22-Jährige zuckt dabei genauso wenig mit den Schultern wie sein Vater oder Großvater. Man gewöhne sich daran. Und schließlich seien dann 30 oder 35 Grad Lufttemperatur die blanke Abkühlung. Sein Opa fügt mit seinem Erfahrungsschatz hinzu: "Man darf viel am Feuer tun, nur nicht die Sachen ausziehen. Dann wird es wirklich unangenehm. Mit unseren Arbeitssachen erzielen wir nämlich den gleichen Effekt wie mit Topflappen in der Küche - sie schützen vor der Hitze." Und Siegfried König erinnert sich, dass er sich schon im Gesicht verbrannt hat, weil er die Brille beim Schmieden nicht auf der Nase hatte, sondern sie in der Latzhose steckte und dort alle Hitze aufgenommen hat, die das Schmiedefeuer so bot. Man lernt daraus, wissen auch Schwiegersohn und Enkel längst.
Bernd Feuchte muss zwischendurch immer mal ans Telefon. Kunden beraten, Termine vereinbaren, Material bestellen. Alltag eben. Mal mit viel Routine, und immer mal wieder auch mit ganz besonderen Herausforderungen. Etwa 2002 als für die Sanierung der Riestedter Straße jene 23 Rosenkolonnaden, die im Volksmund als sie noch unbepflanzt waren auch gern als Raketen bezeichnet wurden, hergestellt werden mussten. "Damals haben wir uns hier auf dem Hof extra einen Drehkran gebaut", erinnert sich Bernd Feuchte (54). Hier auf dem Hof - in der Salpetergasse ist die Schmiede mittlerweile auch schon wieder 25 Jahre angesiedelt.
Siegfried König, der nach den Jahren im väterlichen Betrieb zwischenzeitlich auf der LPG gearbeitet hat, machte sich - wie einst sein Großvater - selbständig. Die Schmiede in der Georgenpromenade hatte der Bruder weitergeführt. "Und irgendwie war Bedarf da. Ich wusste das", erinnert sich der Senior. Und schließlich fügten sich die Dinge. Die Tochter "angelte" sich mit Bernd Feuchte einen gelernten Schmied und gemeinsam sorgten beide dafür, dass mit Andreas die Zukunft des Familienbetriebes, der im kommenden Jahr 110 Jahre wird, gesichert ist. Zumal Siegfried König dem Enkel möglichst viele Tricks und Kniffe beibringt, die er sonst gar nicht mehr lernen würde. Und manches, das kann man nicht lernen, das hat man quasi im Blut. So wie die Sache mit den Schweißperlen, die beim ihm genauso wenig ins heiße Schmiedefeuer tropfen wie beim Großvater.