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Industriepark Mitteldeutschland Industriepark Mitteldeutschland: Gewächshaus soll entstehen - Wo sind niederländische Investoren?

Von Steffen Höhne 15.05.2017, 12:00
Der Industriepark Mitteldeutschland soll direkt an der Autobahn 38 in Sangerhausen entstehen. Auf der 250 Hektar großen Fläche befindet sich derzeit noch Ackerland.
Der Industriepark Mitteldeutschland soll direkt an der Autobahn 38 in Sangerhausen entstehen. Auf der 250 Hektar großen Fläche befindet sich derzeit noch Ackerland. Maik Schumann

Sangerhausen - Knöchelhoch steht das Getreide auf dem Acker an der Südharzautobahn A38. Vom neuen Industriepark Mitteldeutschland in Sangerhausen ist noch nichts zu sehen.

In den kommenden Wochen soll hier eine Firma anrücken, um Hamster zu fangen und umzusiedeln. Rund 100.000 Euro will die Stadt Sangerhausen dafür ausgeben.

Die Umsiedlung ist ein Politikum. Sachsen-Anhalts Umweltministerin Claudia Dalbert (Grüne) und Wirtschaftsminister Armin Willingmann (SPD) sind sich darüber schon in die Haare geraten. 

Industriepark Mitteldeutschland: Zweifel am niederländischen Investor

Das Feld soll für einen Investor, der unter dem Namen Charlottes Garden auftritt, bestellt werden. In einem ersten Bauabschnitt sollen auf einer Fläche von 50 Hektar - das entspricht etwa 70 Fußballfeldern - Gewächshäuser errichtet werden.

Geplant ist der Anbau von Biogemüse für den deutschen Markt. Später ist eine Erweiterung der Ansiedlung auf mehr als 100 Hektar geplant. Baustart sollte eigentlich schon im Frühjahr 2017 sein.

Doch noch liegt keine Baugenehmigung vor und die Hamster sind noch nicht umgesiedelt. Auch um welche niederländische Investoren es sich handelt, ist bis heute nicht öffentlich bekannt. Nach MZ-Recherchen bestehen Zweifel, ob es sie überhaupt gibt.

Industriepark Mitteldeutschland: Versuche des Umsetzens bestehen seit Jahren

Die vom Verlust des Kupfer- und Kalibergbaus gebeutelte Region versucht seit Jahren, den Industriepark zu entwickeln. Ursprünglich waren dafür 250 Hektar vorgesehen.

Von Anfang an gestaltete es sich jedoch schwierig, wirtschaftliche und ökologische Interessen unter einen Hut zu bringen. Auf dem Gelände sollen 600 streng geschützte Feldhamster leben.

Bei der Stadt zeigte man sich daher erfreut, als Falk Hofmann, der im Mittelpunkt des Geschehens steht, anklopfte. Er ist Initiator von Charlottes Garden und operiert von einem Büro in der holländischen Kleinstadt Poeldijk nahe Den Haag aus. 

Industriepark Mitteldeutschland: Bürgermeister Poschmann hat keine Zweifel

Der 42-Jährige wollte Gemüseanbauer, Gewächshaus-Hersteller, Bau- und Energiefirmen sowie die Stadt Sangerhausen zusammenbringen. Bereits seit dem Jahr 2014 verfolgt er das Vorhaben, das aber erst Anfang 2017 öffentlich vorgestellt wurde. Der damalige Geschäftsführer von Charlottes Garden, Fred Meijer, kündigte hunderte Arbeitsplätze an.

Oberbürgermeister Ralf Poschmann erklärte mehrmals, er habe keine Zweifel an dem Projekt. „Ich glaube an Charlottes Garden“, sagt er. „Unser Anwalt durfte in die Finanzierung des Vorhabens Einsicht nehmen und er kennt auch die Firmen, die hinter dem Projekt stehen.“

Er habe der Stadt versichert, dass alles solide durchfinanziert sei, erklärte Poschmann im Februar. Bei dem Juristen handelt es sich um den Leipziger Verwaltungsrechtsspezialisten Marcus Lau. Auf Anfrage will sich Lau nicht äußern und verweist auf seine Verschwiegenheitspflicht.

Industriepark Mitteldeutschland: 110 Hektar für die Feldhamster

Nach MZ-Informationen wurden ihm Absichtserklärungen von namhaften Firmen aus der Branche vorgelegt. Poschmann besuchte Anfang des Jahres  mit Verantwortlichen von Charlottes Garden holländische Gemüse-Betriebe. Das Wirtschaftsministerium und die landeseigene Ansiedlungsagentur IMG sind nicht in das Projekt involviert.

Sangerhausen trieb die Entwicklung allein voran. Im März kam es zum sogenannten Hamster-Gipfel. Poschmann, Landrätin Angelika Klein (Linke), Ralf Meyer, Landesvorsitzender des BUND, Wirtschaftsminister Willingmann und Umweltministerin Dalbert trafen sich, um einen Kompromiss zu finden. Das gelang.

Aus der ursprünglichen Gewerbefläche wurden 110 Hektar herausgenommen, auf denen der Kern der Hamsterpopulation leben soll. Von anderen Flächen soll die Stadt die Feldhamster absammeln dürfen, um sie abseits des Industrieparks in vorbereitete Baue auszusetzen. Die Ergebnisse vermittelte Poschmann nach dem Gipfel an die Investorengruppe.

Industriepark Mitteldeutschland: Neue Charlottes Garden aufgetaucht

Bereits Ende 2015 meldete eine Firma mit dem Namen Charlottes Garden B.V. Insolvenz an, die im holländischen Insolvenzregister mit 200.000 Euro in der Kreide steht. 

Die insolvente Firma gehörte Falk Hofmann. Nun taucht eine neue Charlottes Garden B.V. auf. Die Sangerhäuser Stadtverwaltung sieht keinen Zusammenhang.   

Die aktuelle Charlottes Garden gehört aber zu einer Holding mit dem Namen Rey y Reina B.V., die offenbar 16 Untergesellschaften hat. Als Firmenchef ist Hofmann eingetragen.

Industriepark Mitteldeutschland: Hat sich Hofmann als andere Person ausgegeben?

Im Februar stellte die MZ einen Fragekatalog an Charlottes Garden, in dem es um die Seriosität von Falk Hofmann und dem Projekt ging. Fred Meijer teilte daraufhin in einem Telefongespräch mit, dass Herr Hofmann nicht mehr für Charlottes Garden tätig sei.

Er sprach dabei deutsch. Wie ehemalige Projektmitglieder nun glaubhaft versichern, spricht Herr Meijer aber nur niederländisch und englisch. „Sie haben mit Herrn Hofmann telefoniert“, heißt es von einem Insider. Gaukelte Hofmann vor, eine andere Person zu sein? Ausschließen lässt sich das nicht.  

Rückblick: Im August 2013 wurde im Halberstädter Gewerbepark Ströbeck der Grundstein für den sogenannten Businesspark Harz gelegt. Der damalige Wirtschaftsminister Hartmut Möllring (CDU) war eigens angereist, um den Startschuss zu geben. Für 13 Millionen Euro sollten Industriehallen samt Solardächern sowie Gewächshäuser emporwachsen.

Industriepark Mitteldeutschland: „Kurz danach war Herr Hofmann einfach verschwunden“

Der Projektverantwortliche war nach Aussagen von Halberstadts Oberbürgermeister Andreas Henke (Die Linke) Falk Hofmann. „Dieser hat immer wieder von großen Investoren gesprochen, doch nie einen Namen genannt“, so Henke.

Doch auch Henke ließ sich dazu hinreißen, an einem öffentlichen Spatenstich  teilzunehmen, obwohl die Stadt die Flächen noch nicht einmal verkauft hatte. Dazu kam es auch nie.

„Kurz danach war Herr Hofmann einfach verschwunden“, so Henke. „Schriftliche Anfragen und Telefonanrufe wurden nicht beantwortet.“ Die verantwortliche Firma Hallstrom wurde nie ins Handelsregister eingetragen - es gab sie somit gar nicht.

Industriepark Mitteldeutschland: Falk Hofmann wegen Betrugs verurteilt

Ströbecks Ortsbürgermeister Jens Müller spricht rückblickend von einer „Märchenstunde“. Die ortsansässige Metallbaufirma Michaelis blieb auf Kosten von 1.000 Euro für ein Bauschild sitzen.

Das Innovations- und Gründerzentrum in Wernigerode, in das sich Hallstrom eingemietet hatte, bekam die Miete nicht. Hofmann leistete nicht bei allen Tätigkeiten selbst die Unterschrift, aber war immer mit von der Partie und Strippenzieher, wie alle Beteiligten der MZ bestätigen.

„Dass mit so jemandem in Sachsen-Anhalt überhaupt noch jemand Geschäfte macht, ist katastrophal“, sagt ein Betroffener, der nicht genannt werden will.
Die Pleite hatte für Hofmann ein juristisches Nachspiel. Das Amtsgericht Wernigerode verurteilte ihn im Februar 2015 wegen Betruges zu einer Haftstrafe von sechs Monaten, die zur Bewährung ausgesetzt wurde. 

Industriepark Mitteldeutschland: Neuer Chef der Projektgesellschaft kann Fragen nicht beantworten

Das gescheiterte Projekt in Halberstadt ist Poschmann bekannt gewesen.  Wie viele Einzelheiten er wusste, ist unklar. Inzwischen hat die Stadt Sangerhausen einen unterschriebenen Kaufvertrag mit der Projektgesellschaft von Charlottes Garden über die Flächen im Industriepark.

Da kein Baurecht und Rechtsunsicherheit bei der Hamster-Umsiedlung besteht, ist noch kein Geld geflossen. Niederländische Geschäftspartner - Namen liegen der MZ vor - im Projekt Charlottes Garden warten allerdings auf Zahlungen und haben daher die Arbeit für Hofmann eingestellt.

Spätestens seit April ist Fred Meijer nicht mehr Geschäftsführer der Projektgesellschaft. Neuer Chef soll Hans Zuijderwijk sein. Auch diesem hat die MZ Fragen zum Projektstand und der Finanzierung zugesendet. Seine Antwort: Er sei nicht in der Position, die Fragen zu beantworten, werde sich aber wieder melden.

Industriepark Mitteldeutschland: Warten auf die Rechtssicherheit bei Feldhamstern

In einem kurzen Telefongespräch teilt Hofmann nun mit: „Ich bin nicht mehr an dem Projekt beteiligt. Ich kann daher auch keine Auskünfte über den aktuellen Stand geben.“

Hofmann versichert weiter, dass es Investoren gibt, die an dem Bau der Gewächshausanlagen interessiert sind. Sobald es Rechtssicherheit bei den Hamstern gebe, würden die auch öffentlich auftreten. Verantwortlich ist bei Charlottes Garden also aktuell offenbar niemand.

Die Investorengruppe werde jetzt eine schriftliche Erklärung abgeben, dass man am Projekt in Sangerhausen festhält, kündigt Ralf Poschmann an. Der Landkreis hatte das als Bedingung an eine Ausnahmegenehmigung zum Absammeln der Hamster geknüpft.

Für die Stadt Sangerhausen ist es laut einem ehemaligen Projektmitglied  ratsam, zuerst mit den wirklichen Investoren - falls es welche gibt - zu sprechen, bevor für viel Geld Hamster umgesiedelt werden. (mz)