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Nach dem Urnengang Einsprüche gegen Südharz-Gemeinderatswahl sorgen für Debatte

Das Einlegen eines Wahlflyers ins Amtsblatt löst anhaltende Kritik aus. Wie der Gemeinderat künftig mit politischer Werbung umgehen will.

Von Helga Koch 19.07.2024, 15:15
Zwei Bürger aus der Gemeinde Südharz haben nach der Gemeinderatswahl Einspruch eingelegt, der inzwischen in beiden Fällen zurückgewiesen worden ist.
Zwei Bürger aus der Gemeinde Südharz haben nach der Gemeinderatswahl Einspruch eingelegt, der inzwischen in beiden Fällen zurückgewiesen worden ist. Foto: Patrick Pleul/dpa

Südharz/MZ. - Der Ratssaal in Stolberg (Mansfeld-Südharz) ist gut gefüllt. Neu gewählte Ortsbürgermeister und Stellvertreter, ehemalige Ratsmitglieder und etliche Bürger wollen die erste Sitzung des neuen Südharz-Gemeinderats nicht verpassen. Zumal zwei Wahleinsprüche vorliegen: von Altbürgermeister Ralf Rettig, dessen mögliches Erscheinen mit Spannung erwartet wird, und vom bisherigen AfD-Ratsmitglied Jens Lange. Beide beanstanden, dass ein Wahlflyer des Einzelbewerbers Clemens Ritter von Kempski als Beileger im amtlichen Teil des Amtsblatts verteilt und dessen Familienname in zwei verschiedenen Fassungen veröffentlicht wurde, obwohl der Wahlausschuss nur über eine Version seines Namens abgestimmt hatte.

Gemeindewahlleiterin Verena Lungershausen, zugleich Hauptamtsleiterin der Gemeinde, nimmt Stellung. Sie verweist auf das Impressum im Amtsblatt, wonach der Bürgermeister für den amtlichen Teil verantwortlich sei, für Werbung oder Beilagen aber der Verlag, der das Amtsblatt druckt und verteilen lässt. Die Option, Beileger auf diesem Weg verteilen zu lassen, sagt Lungershausen, „stand allen Bewerbern frei“ – was einige Zuhörer tief Luft holen lässt.

Lungershausen: Wahlausschuss hätte nochmals tagen müssen

Kempskis Wunsch nach der Namensänderung sei man „leider ohne erneuten Beschluss des Wahlausschusses nachgekommen“, räumt sie ein, da eine eindeutige Identifizierbarkeit der Person gegeben war. Aus ihrer „ganz neutralen Sicht“, sagt Lungershausen, habe diese Änderung keinen Einfluss auf das Wahlergebnis gehabt. Dennoch spricht sie von einem Fehler: „Der Wahlausschuss hätte nochmals einberufen werden müssen.“

Nach sieben Minuten Redezeit ist Schluss

Während Rettig der Sitzung fern bleibt, nutzt Lange sein Recht, zu seinem Einspruch angehört zu werden. Für ihn sei der springende Punkt, dass im Amtsblatt nicht erkennbar sei, wo der amtliche Teil der Mitteilungen ende und der nichtamtliche Teil beginne. Der amtliche Teil sei durch ein grau unterlegtes Rechteck hervorgehoben, das Pendant für den nichtamtlichen Teil fehle: „Demzufolge besteht das Amtsblatt nur aus einem amtlichen Teil.“ Und dann solle es rechtskonform einen Einleger verkraften können? Bürgermeister Peter Kohl (parteilos) habe die bisherige Regelung, politische Werbung mittels Amtsblatt auszuschließen, aufgehoben, ohne dies anderen Bewerbern mitzuteilen, moniert Lange. Weiter kommt er aber nicht. Der kurz vorher wiedergewählte Ratsvorsitzende Andreas Schmidt (Bürgerliche Mitte Südharz) unterbricht ihn; Lange habe sieben Minuten gesprochen.

Lungershausen empfiehlt, die Gemeinderatswahl als gültig zu bewerten, das Ergebnis sei „nicht bis sehr gering“ beeinflusst worden. Komme man zu einem anderen Schluss, sagt Schmidt, würde die Sitzung sofort geschlossen und eine Neuwahl anberaumt. „Ist das eine Drohung?“, raunt ein Zuhörer. Neu-Ratsmitglied Ingolf Jänicke (Pro Hayn) wundert sich: „Wir sollen selber entscheiden, ob die Wahl rechtens ist, zumal ich persönlich betroffen bin?“ So, entgegnet Schmidt, stehe es im Kommunalwahlgesetz. Während Rettigs und Langes Einsprüche mehrheitlich und bei einigen Enthaltungen zurückgewiesen werden, beschließt der Gemeinderat einstimmig die Gültigkeit der Wahl, auch hier enthalten sich drei Mitglieder.

„Es gehört sich einfach nicht“

Trotzdem, das Thema ist noch nicht vom Tisch. Elke Wiesenberg-Möller schildert in der Einwohnerfragestunde, ihr sei 2019 nicht gestattet worden, Einleger mit dem Amtsblatt verteilen zu lassen. So etwas müsse doch vorab klar mitgeteilt werden. Worauf Bürgermeister Peter Kohl (parteilos) bestätigt, im März habe er als Hauptverwaltungsbeamter auf Anfrage des Verlags für Kempski, „und jeden anderen auch, gestattet“, den Verteilungsmechanismus auf eigene Kosten zu nutzen. Doch genau das wusste offenbar sonst niemand. René Volknandt, Chef der AfD-Fraktion, sagt: „Ich wäre nicht auf die Idee gekommen, dem Amtsblatt was beizulegen. Es gehört sich einfach nicht.“ Es gebe so viele Möglichkeiten, Anzeigen zu schalten oder Flyer verteilen zu lassen.

Zum Schluss der Debatte bringt Jänicke noch einen Antrag ein, den die Ratsmitglieder – bei einer Enthaltung – einstimmig und wohl sogar mit einer gewissen Erleichterung annehmen: Im Amtsblatt von Südharz ist künftig jegliche Werbung für politische Zwecke tabu.