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"Eine schöne Zeit" "Eine schöne Zeit": Wie Kinder in der DDR die Sommerferien verbrachten

Von Helga Koch 25.07.2019, 09:08
Das Foto zeigt die frühere Freilichtbühne und Bungalows.
Das Foto zeigt die frühere Freilichtbühne und Bungalows. Repro Schumann

Stolberg - Gisela Erxleben lacht: „Am Anreisetag gab es immer Makkaroni und Tomatensoße.“ Sicher nicht nur im Ferienlager auf dem Hainfeld, wo die inzwischen 67-Jährige zu DDR-Zeiten viele Jahre in der Küche gearbeitet hat.

„Im Sommer haben uns immer viele Rentner in der Küche geholfen. Sonst hätten wir’s gar nicht geschafft.“ Verständlich, denn pro ein- oder zweiwöchigem Ferienlager-Durchgang waren ja täglich 1.000 oder sogar noch mehr Kinder oder Jugendliche und deren Betreuer zu verköstigen.

Trägerbetrieb des Ferienlagers auf dem Hainfeld war das Walzwerk Hettstedt. Ein wirtschaftlich starker Betrieb, der es sich leisten konnte, das weitläufige Objekt das ganze Jahr über zu unterhalten.

Gisela Erxleben und ihr Mann waren beim Walzwerk angestellt, erzählt sie. Tagsüber waren die Kinder beschäftigt: gingen baden, spielten Fußball oder Tischtennis, waren wandern, in Stolberg in den Museen oder der Heimkehle.

Abends sei oft erst halb neun oder später „Küchenschluss“ gewesen, wenn Gruppen spät von Ausflügen oder Bustouren zurückkamen. Die unbeschwerte Ferienstimmung, das sei „eine schöne Zeit“ gewesen.

Ferienlager nach der Wende stillgelegt

Nach der gesellschaftlichen Wende 1989/90 wurde das Ferienlager mit seinen vielen Bungalows und Zelten, dem großen Speisesaal, der Freilichtbühne und dem als Schwimmbad genutzten Löschteich nicht mehr genutzt; wer reisen wollte, fuhr jetzt an die Nordsee, in die Alpen oder noch weiter südlich. Die Immobilie wurde privatisiert.

Gisela Erxleben arbeitete bis 1994 „auf dem Hainfeld“. Mittlerweile hatte es jemand gekauft, erinnert sich die Stolbergerin. Jemand - das war Ute Grinda, die auch das ähnlich große Ferienlager auf dem Rathsfeld und die Jagdgaststätte in Seega (beides Kyffhäuserkreis) gekauft hatte.

Zu welchem Preis, wurde nie bekannt, doch ihre hochfliegenden Pläne scheiterten in einer krachenden Insolvenz.

Kinderstimmen verstummen

Dem nächsten Eigentümer sollte mehr Glück beschieden sein. Clemens Ritter von Kempski kaufte von der Treuhand nicht nur Wald, sondern auch das einstige Ferienlager „Soja Kosmodemjanskaja“.

Bis heute, räumt er lachend ein, sei der Name ein Zungenbrecher für ihn. Mittlerweile waren die Bungalows, das alte Heizhaus und weitere Gebäude durch eine Beschäftigungsgesellschaft abgerissen worden, deren Mitarbeiter durch die Pleite der Sangerhäuser Maschinenfabrik ihre Jobs verloren hatten.

Ein Teil der noch brauchbaren Bausubstanz wurde umfunktioniert, anderes neu errichtet, wie Alexander d’Este bei einem Rundgang erzählt. Er ist, kurz gesagt, für die Immobilien zuständig, zu denen außer dem Hainfeld weitere Objekte in Stolberg gehören.

„Wo früher mal das Schwimmbecken war, ist jetzt das Damwildgehege.“ An der Stelle der großen, freilich spartanischen Freilichtbühne für Kulturveranstaltungen, Disco oder Kinoabende tummeln sich Enten und Gänse auf einem Teich; aus einer ehemaligen Garage ist ein Hühnerstall geworden.

Krieg spielen statt Ferienspaß

Es gibt einen neuen Festsaal, den „Schwarzen Apollo“, eine neue Wildkammer, das Wohnhaus der Familie von Kempski, weitere Wohn- und Verwaltungsgebäude. In der kleine Kapelle mit 60 Plätzen ist die Bevölkerung zur Weihnachtsandacht willkommen.

„Irgendwo war hier auch eine Sturmbahn, wo man drüber hechten musste“, erinnert sich Gerald Kielgast, der auf dem Hainfeld arbeitet. Der gebürtige Eisleber ging nach Sangerhausen zur Erweiterten Oberschule und erlebte als Jugendlicher noch jene letzten DDR-Jahre, als die „vormilitärische Ausbildung“ zunehmend erweitert wurde.

Die Gesellschaft für Sport und Technik (GST) trainierte hier, ab 1978 wurde der obligatorische Wehrunterricht für Neunt- und Zehntklässler erteilt. Doch auch daran erinnert nichts mehr. Selbst die Umrisse des alten Schwimmbeckens, sagt d’Este, sind auf neueren Luftbildaufnahmen nicht mehr zu erkennen. (mz)

Wie einst: die Allee
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Schumann
Etwa hier war das Bad.
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