Adventskalender Adventskalender: Auf Schatzsuche in der Joch'schen Brauerei

Kelbra - Thomas Dietrich öffnet das große silberne Vorhängeschloss, das das unscheinbare braune Doppeltor sichert. Von dort geht es auf einer steilen Treppe 18 Stufen hinab in Kelbras Unterwelt und in eine Anlage, die aufgrund ihrer Größe zumindest im Südharz ihres Gleichen sucht: Die Keller der ehemaligen Joch'schen Brauerei.
Zweistöckige Anlage
„Viele sind regelrecht geplättet, wenn sie das erste Mal hier unten sind“, sagt Dietrich, der seit vier Jahren im Bauhof der Kelbraer Stadtverwaltung arbeitet.
„Auch ich habe gedacht, das gibt es doch gar nicht.“ Immerhin nimmt die zweistöckige Anlage zwischen Joch- und Gartenstraße im Zentrum der Kleinstadt eine Fläche von etwa 120 mal 22 Metern ein.
Sie besteht aus insgesamt 21 fünf mal zwölf Meter großen Lagerräumen, die von vier noch größeren Kellern ergänzt werden, in denen Eis zum Kühlen aufbewahrt wurde.
Das Bernsteinzimmer in Kelbra
Während früher in den mit Türen verschlossenen Kammern Bierfässer lagerten, sind sie heute leer. Nichts erinnert mehr an die Brauerei.
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Dietrich zeigt auf einige Nischen, die vom Kellergang abgehen und in die nach der Wende 1989 Löcher geschlagen wurden. „Schatzsucher haben dort das Bernsteinzimmer vermutet, es aber auch hier nicht gefunden“, sagt er.
Ohne Eis ist es recht warm in Kelbras Unterwelt. Ein altes Thermometer, das in einem der Gänge hängt, zeigt acht Grad. Draußen herrschen an dem Tag dagegen Temperaturen um den Gefrierpunkt.
Die Geschichte der Joch'schen Brauerei
Bauherr der gigantischen Anlage war Kupferschmied Eduard Joch. Er kaufte im 19. Jahrhundert für 100 Taler das Braurecht in Kelbra.
1845 erwarb er für 700 Taler den „Storkauer Hof “ und baute ihn zur Brauerei um. Die Produktion, so ist der Chronik zu entnehmen, vervielfachte sich sehr schnell, so dass der Platz bald nicht mehr ausreichte.
1861 kaufte er deshalb von der Stadt ein Grundstück, das nicht weit entfernt lag. Dort errichtete er die neue größere Brauerei und die riesige Kelleranlage, deren Sohle sich acht unter dem Erdboden befindet.
„Die unteren Keller dienten als Eiskeller, die zur Kühlung bei der Bierherstellung benötigt wurden“, sagt Dietrich, der aus dem Nachbarort Thürungen stammt.
Dabei seien die äußeren, hohen Keller durch tiefe Schächte von oben mit Eis befüllt worden. Die Eisblöcke holte man mit Pferdfuhrwerken aus künstlich angelegten Teichen in Thürungen und Sittendorf. Arbeitslose Handwerker brachen das Eis im Winter und verdienten sich so etwas Geld, weiß der 53-Jährige aus Erzählungen.
In Kelbra halten sich bis heute Gerüchte, dass Brauereigründer Joch 1840 bei den Arbeiten an den Kellern des „Storkauer Hofes“, einer früheren Münzstätte, einen Goldschatz gefunden hatte. Mit dessen Erlös soll er 20 Jahre später den Bau der neuen wesentlich größeren neuen Kelleranlage finanziert haben.
Ob die Legende mit dem Goldfund stimmt oder nicht: Die von Joch gegründete Brauerei bestand nur bis 1927. Während der Wirtschaftskrise ging sie pleite. Später nutzte die Brauerei Engelhardt aus Halle die Räume als Abfüllanlage.
Zeitweise KZ-Außenstelle
Zwischen 1943 und 1945 dienten die Gewölbe dann als Außenstelle des Konzentrationslager Mittelbau-Dora, in dem die angeblichen Wunderwaffen V1 und V2 hergestellt wurden.
„Zu dieser Zeit mussten die Häftlinge ein Anschlussgleis zur Kyffhäuser Kleinbahn legen“, sagt Dietrich. Reste davon sind auf dem früheren Brauereigelände noch zu sehen.
Über das Gleis erfolgte die Materialbelieferung für die Raketenproduktion und der Abtransport der fertigen Teile. Um Spuren zu verwischen, zündete die SS die Keller kurz vor Kriegsende an, wovon in den Kellern eine ganze Reihe kaputte Steine künden.
Nach dem Krieg wurden in Gewölben Obst, Gemüse und auch kurzzeitig Fässer mit Fisch gelagert. Seit den 1970er Jahren hatten die Keller dann so gut wie keine Nutzung mehr.
Von der Treuhand gekauft
Nach der Wende 1989 hat die Stadt Kelbra das Gelände von der Treuhandanstalt gekauft, den Schornstein der alten Brauerei saniert, nicht mehr benötigte alte Gebäudeteile abgerissen, die Gewölbe gesichert.
In einem Teil der früheren Brauerei, die erhalten wurde, entsteht ein Bürgersaal. Was aus den großen Kellern wird, ist offen.
"Wir suchen seit Jahren einen Investor, um die denkmalgeschützte Anlage erhalten und nutzen zu können“, sagt Kelbras Bürgermeister Lothar Bornkessel (Freie Wähler). Interessenten habe es eine ganze Reihe gegeben. Sie hätten aber alle abgewinkt.
Derzeit können die Keller nach Absprache mit der Stadt besichtigt werden.
Donnerstag widmen wir uns dem Taubenturm in Welfesholz.
(mz)
