Verhandlung am Amtsgericht Quedlinburg Verhandlung am Amtsgericht Quedlinburg: "Ich will deine Schuhe"

Quedlinburg - „Das war kein Spaß und kein Jux“, stellt Richterin Antje Schlüter klar. „Für das Opfer ist es eine ernsthafte Bedrohung gewesen“, hielt sie dem Angeklagten Christian H. (Name geändert) vor. Das Amtsgericht Quedlinburg verurteilte den 24-Jährigen gestern wegen versuchter räuberischer Erpressung in einem minder schweren Fall zu einer Freiheitsstrafe von neun Monaten, ausgesetzt zur Bewährung. Zudem muss er 150 Stunden gemeinnütziger Arbeit leisten und dem Opfer 200 Euro zahlen. Das Gericht folgte damit dem Antrag der Staatsanwaltschaft.
Einer Erpressung macht sich laut Paragraph 253 des Strafgesetzbuches schuldig, wer einen Menschen rechtswidrig mit Gewalt oder durch Drohung mit einem empfindlichen Übel zu einer Handlung nötigt und dadurch dem Vermögen des Genötigten zufügt, um sich zu Unrecht zu bereichern. Auch der Versuch ist strafbar.
In minder schweren Fällen ist die Strafe eine Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren. Das regelt der Paragraph 249, Absatz zwei, im Abschnitt „Raub und Erpressung“ des Strafgesetzbuches. (pek)
Die Anklage hatte dem jungen Mann vorgeworfen, am 12. Oktober 2013 gegen 7.30 Uhr in Quedlinburg von Roman S. verlangt zu haben, seine Schuhe herauszugeben. Zudem soll er S. an Rucksack und Arm festgehalten haben, um an die Beute zu gelangen. Roman S. konnte flüchten.
„Ich gebe das zu“, sagte der Angeklagte vor Gericht. Er habe die ganze Nacht gemeinsam mit einem Freund getrunken und dabei etwa eine halbe Flasche Wodka und dazu Bier konsumiert. Am Morgen hungrig geworden, seien sie zu einem Markt gegangen, um sich Pizza zu besorgen. Dort habe er Roman S. gesehen und spontan gesagt: „Eh, die Schuhe sehen nicht schlecht aus, die nehme ich mir jetzt“, schilderte der Angeklagte. „Ich bin hin, habe ihn angesprochen: Gib mir deine Schuhe!“ Er habe an den Rucksack von Roman S. gegriffen und auch an dessen Arm. Doch S. habe sich losgerissen, „ich bin dann noch hinterhergelaufen“, so der 24-Jährige. Das Ganze sei „dumm“ gewesen; er habe nicht nachgedacht und hätte die Schuhe ja auch gar nicht gewollt.
Was wollte der Angeklagte mit den Schuhe?
Ob er sich einmal Gedanken gemacht hat, wie sein Handeln auf Roman S. gewirkt hat, wollte Richterin Antje Schlüter wissen. „Ja. Er hat natürlich auch Angst gehabt. Das wäre bei mir genauso gewesen“, sagte Christian H.. Die Frage von Staatsanwalt Klaus Bleuel, was er denn mit gebrauchten Schuhen wollte, von denen er nicht wusste, ob sie ihm überhaupt passen, konnte der Angeklagte nicht beantworten.
Im Hinblick auf den geringen Wert der Beute und die „dilettantische Vorgehensweise“ präzisierte der Staatsanwalt den Vorwurf auf einen minder schweren Fall der räuberischen Erpressung. Er verwies aber auch auf die Frage des Alkohols: Im Strafregister des Angeklagten befänden sich bereits drei Eintragungen wegen Trunkenheit im Verkehr. Und auch bei der versuchten räuberischen Erpressung habe es zuvor einen erheblichen Alkoholkonsum gegeben. Zudem ist der 24-Jährige unter anderem auch wegen Körperverletzung vorbestraft. „Geldstrafen und Arbeitsauflagen im Jugendrecht haben nicht dazu beigetragen, ihn auf den rechten Weg zu führen“, stellte Klaus Bleuel fest, der daher für eine Freiheitsstrafe, ausgesetzt zur Bewährung plädierte.
„Ich möchte keinen Mist mehr bauen“
Von einer „Trunkenheits-Tat, die im Versuchsstadium stecken geblieben“ ist, sprach Verteidiger Gerhard Popp. Es sei „zunächst lustig gemeint“ gewesen, Christian H. habe weder gewusst, welchen Wert die Schuhe haben, noch ob sie gepasst hätten. „Es war eigentlich eine Dummheit“, so der Verteidiger, der für ein Strafmaß im „unteren Rahmen“ - sechs Monate, ausgesetzt zur Bewährung - plädierte.
Das Gericht folgte dem nicht. Beim Versuch blieb es, weil das Opfer fliehen konnte, und nicht, weil der Angeklagte von seinem Vorhaben abgelassen hat, unterstrich Richterin Antje Schlüter die Entscheidung für eine höhere als die Mindeststrafe. Gemeinnützige Arbeit habe der Angeklagte zu leisten, damit ihm bewusst werde, dass er verurteilt worden sei und „er es endlich begreift, dass es so nicht weitergeht“. Die Geldauflage wurde erteilt, um noch einmal deutlich zu machen, dass es hier nicht um einen Spaß ging, erklärte die Richterin.
„Ich möchte keinen Mist mehr bauen“, sagte der Angeklagte. Er habe seit Monaten keinen Alkohol mehr getrunken, bemühe sich um Arbeit und habe einen Job in Aussicht. Staatsanwaltschaft, Verteidiger und Angeklagter erklärten, auf Rechtsmittel zu verzichten. Damit ist das Urteil rechtsgültig. (mz)
