Verhandlung am Amtsgericht Verhandlung am Amtsgericht: "Hirnverbrannt" und "rotzfrech"
Quedlinburg - Der 39-Jährige betritt den Gerichtssaal mit Fesseln an Händen und Füßen. Er verbüßt derzeit eine Haftstrafe unter anderem wegen Körperverletzung und Trunkenheit im Straßenverkehr - und wird nun wohl noch länger im Gefängnis bleiben müssen.
Denn der 39-Jährige musste sich jetzt erneut vor dem Amtsgericht Quedlinburg verantworten.
Die Staatsanwaltschaft warf ihm vor, im Oktober vergangenen Jahres mit einem Fahrrad in Quedlinburg unterwegs gewesen zu sein, obwohl er, unter Alkoholeinfluss stehend, nicht mehr fahrtüchtig war.
Eine Blutprobe ergab einen Wert von 1,67 Promille.
„Das ist so“, gab der 39-Jährige vor Gericht zu und erklärte: „Ich sollte mich am nächsten Tag zum Haftantritt melden.“
Am Vortag mit Kumpel gesoffen
Er habe am Vortag bei einem Bekannten im Wohngebiet Kleers getrunken - von morgens bis abends etwa zehn, zwölf Bier und insgesamt eine große Flasche Schnaps.
„Ich hätte nicht mehr fahren dürfen“, sagte der Angeklagte. „Aber ich wusste nicht, dass es so viel war“, fügte er mit Blick auf die festgestellte Blutalkoholkonzentration hinzu.
An jenem Abend hatte er sich auf sein Fahrrad gesetzt, um quer durch die Stadt nach Hause zu fahren.
Bis er gegen 21.50 Uhr im Harzweg einer Funkstreifenwagenbesatzung auffiel, weil er ohne Licht unterwegs war.
„War Ihnen nicht klar, dass da hätte ein Unfall passieren können“, fragte der Staatsanwalt nach. „Doch, das war mir bewusst“, gab der Angeklagte zu.
Er habe doch gewusst, dass er am nächsten Tag ins Gefängnis gehe, hielt Richterin Antje Schlüter dem 39-Jährigen vor.
„Und da fällt Ihnen nichts besseres ein, als am Abend vor Haftantritt noch mal eine Straftat zu begehen? Zum einen“, stellte die Richterin fest, „ist das hirnverbrannt, zum anderen ist es aber auch rotzfrech.“
Der Angeklagte habe aus Erfahrung gewusst, dass es eine Straftat sei, betrunken Fahrrad zu fahren, sagte Antje Schlüter und verwies auf den Strafregisterauszug des Angeklagten.
Dieser enthält 16 Einträge - darunter mehrfach wegen Trunkenheit im Straßenverkehr.
„Da spricht man eigentlich von einem hartnäckigen Rückfalltäter“, sagte die Richterin.
Zehn Verurteilungen folgten noch
So sah es auch die Staatsanwaltschaft.
Das erste Mal sei der Angeklagte 1996 wegen vorsätzlicher Straßenverkehrsgefährdung, Trunkenheit im Verkehr und Fahrens ohne Fahrerlaubnis verurteilt worden, und bis heute seien zehn weitere Verurteilungen wegen Trunkenheit im Straßenverkehr hinzugekommen.
Damit habe sich der Angeklagte über 20 Jahre permanent über das Verbot, betrunken zu fahren, hinweggesetzt, so die Staatsanwaltschaft.
Sie beantragte eine Freiheitsstrafe von sechs Monaten.
Gericht geht auf Verteidigung nicht ein
Der Verteidiger plädierte für eine mildere Bewährungsstrafe: Sein Mandant sei davon ausgegangen, noch Rad fahren zu können, habe somit fahrlässig gehandelt, und er werde sich in den nächsten Monate straffrei bewegen, begründete er.
Das Gericht folgte dem nicht: Der Angeklagte habe gewusst, dass er alkoholbedingt nicht mehr fahrtüchtig gewesen sei, habe hier schon Erfahrungen, so Richterin Antje Schlüter.
„Da kann von fahrlässiger Trunkenheit nicht mehr die Rede sein.“ Und was die Strafffreiheit in den nächsten Monaten betreffe - „der Angeklagte ist ja nicht freiwillig im Gefängnis“, so die Richterin weiter.
Er sei jemand, „der schon viele Chancen hatte, der Geldstrafen zahlen musste, der Bewährungen bekommen hat, die samt und sonders widerrufen werden mussten“.
Das Gericht verurteilte den 39-Jährigen zu einer Freiheitsstrafe von sechs Monaten; das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. (mz)